| # taz.de -- Vereinsgründerin über obdachlose Frauen: „Sie haben keinen Schu… | |
| > Weibliche Obdachlose sind besonders gefährdet – und werden oft übersehen. | |
| > Darauf reagiert der neue Bremer Verein „Liela“. | |
| Bild: Corona hat auch denen die Einnahmen gekürzt, die betteln müssen | |
| taz: Frau Schröder, was hat Sie bewogen, mit „Liela“ in Bremen einen neuen | |
| Verein der Obdachlosenhilfe zu gründen? | |
| Clara Schröder: Ich bin über eine Freundin zu „Liela“ gekommen. Ich bin | |
| schon länger in einem feministischen Kreis unterwegs, in dem wir für uns | |
| selber Diskussionsrunden leiten. Und die Freundin hat über ihre Arbeit als | |
| Referentin bei den Linken Kontakt mit obdachlosen Menschen gehabt. Die | |
| Situation der Frauen auf der Straße hat sie angegriffen und nachts wach | |
| liegen lassen. Wir haben bei einem Spaziergang darüber geredet. Sie hat | |
| dann gesagt, dass wir auf jeden Fall was für diese Frauen machen müssen. | |
| Was hat Ihre Freundin nicht schlafen lassen? | |
| Vor allem während Corona ist die Situation der wohnungslosen und | |
| obdachlosen Frauen in Bremen und generell viel schlimmer geworden: In | |
| Notunterkünften gibt es wegen des Infektionsschutzes weniger Platz, | |
| gleichzeitig sind draußen viel weniger Personen unterwegs, sodass Menschen, | |
| die auf das Betteln angewiesen sind, auch weniger Geld bekommen. Das hat | |
| dazu geführt, dass Frauen sich oft prostituiert haben. Das gab es vor | |
| Corona auch, ist aber deshalb viel schlimmer geworden – und deswegen | |
| mussten sich auch mehr Minderjährige prostituieren. | |
| Es gibt bereits das Frauenzimmer von der Inneren Mission, als Notunterkunft | |
| und als Tagestreff. Das sind doch schon Angebote, speziell für weibliche | |
| Obdachlose … | |
| Der offene Treff beim Frauenzimmer hat aber von 12 bis 16 Uhr geöffnet. Und | |
| genau wie die Notunterkunft ist er völlig überlaufen wegen Corona. Außerdem | |
| gelten dort oft Regeln – zum Beispiel, dass man dort nicht berauscht Gast | |
| sein darf. Das schließt viele Frauen aus. Da wollen wir ansetzen. | |
| Werden obdachlose Frauen in Bremen also nicht genug geschützt? | |
| Das ist gar kein bremisches Problem, sondern ein allgemeines, weil Frauen | |
| bei den obdachlosen Menschen einfach in der Minderheit sind. Man schätzt, | |
| dass ein Viertel der Menschen auf der Straße Frauen sind. Deswegen gibt es | |
| wenig Angebote nur für sie, obwohl sie besondere Bedürfnisse haben. | |
| Welche Bedürfnisse meinen Sie damit? | |
| Sie sind viel öfter als Männer sexualisierter Gewalt ausgesetzt oder | |
| geraten in Abhängigkeitsverhältnisse. Sie haben ganz oft Traumata, die dazu | |
| führen, dass sie sich mit Männern in der Umgebung nicht wohlfühlen. Das | |
| sind dann für sie potenzielle Täter. Diese speziellen Bedürfnisse sind | |
| schwer abzudecken und deswegen fühlen sich Frauen in vielen Angeboten nicht | |
| sicher. Und: Die meisten Frauen menstruieren und brauchen häufiger Duschen | |
| und Toiletten. Das alles bringt sie in angreifbare Situationen. | |
| Unterscheiden sich denn auch die Gründe, warum Frauen auf der Straße | |
| landen, von den Ursachen, die Männer in die Obdachlosigkeit drängen? | |
| Es sind schon ähnliche Gründe: Suchterkrankung, Jobverlust, Verlust der | |
| Wohnung, weil die Mieten zu hoch sind. Bei Frauen kommt dazu, dass sie oft | |
| in abhängigen Verhältnissen leben – auch wenn sie nicht obdachlos sind. | |
| Wenn sie sich aus diesen Beziehungen, vielleicht auch Gewaltbeziehungen, | |
| befreien, können sie auf der Straße landen. | |
| Warum denkt man bei obdachlosen Menschen dann eher selten an Frauen? | |
| Sie leben oft in verdeckter Obdachlosigkeit und sie sind auch einfach in | |
| der Minderheit. Die meisten Menschen, bei denen man erkennt, dass sie | |
| obdachlos sind, sind Männer. Bei Frauen siehst du das auch häufig nicht, | |
| denn das würde sie angreifbar machen. Das heißt für Täter*innen: Diese | |
| Frauen haben keinen Schutzraum. Außerdem ist es für Frauen leichter, | |
| Zweckbeziehungen einzugehen, um ein Dach über dem Kopf zu haben. | |
| Redet der Verein mit betroffenen Frauen? | |
| Wir sind Teil des Bündnisses „Menschenrecht auf Wohnen“ und treffen da auch | |
| Betroffene. Leider haben wir noch keinen festen Stab von obdachlosen | |
| Frauen, die uns sagen, was sie brauchen, aber das hätten wir gerne. | |
| Welche Bedürfnisse werden an Sie herangetragen? | |
| Ich fand das sehr überraschend. Wir haben sehr spezifisch über den Ort | |
| geredet, den wir aufbauen wollen, und da haben die Leute oft ganz | |
| persönliche Wünsche. Sachen wie: Einer Person ist wichtig, dass sie ihr | |
| Tier mitnehmen kann. Eine andere Person hofft, dass es warme Mahlzeiten | |
| gibt, weil die wohl im Gegensatz zu einem Brötchen sehr schwer zu bekommen | |
| sind. Oder dass es Orte gibt, an denen man ein Nickerchen machen kann. Die | |
| Wünsche sind viel genauer, als ich gedacht habe. Andererseits macht es ja | |
| auch Sinn. Wenn mich jemand fragen würde, wie für mich ein sicherer Ort | |
| aussehen würde, hätte ich bestimmt auch sehr genaue Wünsche. | |
| 1 Oct 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Lisa Bullerdiek | |
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