| # taz.de -- „Le Prince“ im Kino: Nichtverstehen ist sexy | |
| > Der Kino-Film „Le Prince“ erzählt von einer interkulturellen Beziehung im | |
| > Bahnhofsviertel – und könnte einen Frankfurt-Trend einläuten. | |
| Bild: Gegensätze ziehen sich an: Monika (Ursula Strauss) und Joseph (Passi Bal… | |
| Man stellt sich die Liebe als eine der universellsten Dinge überhaupt vor. | |
| Aber zugleich ist es schwierig, auch nur zwei Leute zu finden, die dieselbe | |
| Vorstellung davon haben. Was wiederum eine der Ursachen dafür sein könnte, | |
| dass die Darstellung von Liebe im Kino eigentlich immer zu wünschen übrig | |
| lässt. Das gilt insbesondere für „interkulturelle“ Beziehungen, und da no… | |
| einmal besonders für den Fall, wenn eine weiße Europäerin und ein schwarzer | |
| Mann aus Afrika sich zusammentun. Ist die Frau dazu noch über 40, wissen | |
| eigentlich alle, was sie davon zu halten haben. Oder? | |
| Lisa Bierwirth findet für den Gegensatz von dem, was die Liebenden in so | |
| einem Fall erleben, und dem, wie ihre jeweilige Umwelt darauf schaut, immer | |
| wieder so beiläufige wie klar beobachtete Szenen. Denn Monika (Ursula | |
| Strauss) hat an einem Abend im Frankfurter Bahnhofsviertel den aus dem | |
| Kongo stammenden Joseph (Passi Balende) kennengelernt. Der Moment ihrer | |
| Begegnung hatte eine Beimischung von echter Gefahr. | |
| Man weiß, dass das die erotische Spannung zwischen Menschen steigert: | |
| Monika nämlich stand rauchend im Hinterhof einer mehrheitlich von Schwarzen | |
| besuchten Bar, als die Polizei hereinstürmte, um Pässe zu kontrollieren. | |
| Joseph flüchtete zum Hinterhof hinaus und riss Monika gleich mit ins | |
| Versteck hinter die Mülltonnen. „I’m Joseph“, stellte er sich noch | |
| flüsternd vor. Sie zögerte amüsiert, bevor sie ihm die Hand gab: „I’m | |
| Monika, nice to meet you“. | |
| Das Weitere ergab sich ein bisschen wie von selbst. Oder auch nicht, denn | |
| zugleich war zu spüren, dass sowohl Monika als auch Joseph – sie sind beide | |
| „in der Mitte ihres Lebens“, wie es so schön heißt – sich dessen, was s… | |
| trennt, auch sehr bewusst sind. Sie bewegt sich als Kuratorin in Frankfurts | |
| saturiertem Kunst- und Bankermilieu; er sucht sich als Mann im Exil seine | |
| wechselnden Allianzen unter verschiedensten Migrantengruppen. So gibt es | |
| vieles, was sie gegenseitig an sich nicht verstehen – aber zugleich ist | |
| dieses Nichtverstehen eben auch ungeheuer sexy. | |
| Herablassend wirkendes Interesse | |
| Die Freunde von Monika dagegen glauben, dass sie sofort verstehen, was | |
| zwischen ihr und Joseph abgeht. Ihr Vorgesetzter und offenbar auch | |
| Ex-Love-Interest Peter (Alex Brendemühl) betrachtet den Afrikaner als | |
| unbotmäßigen Konkurrenten. Martin (Tobias Lenel), der Mann ihrer Freundin | |
| Ursula, scheint zwischen fürsorglicher Sympathie und leicht herablassend | |
| wirkendem Sozialinteresse zu schwanken. Freundin Ursula (Victoria | |
| Trauttmansdorff) dagegen grinst so zustimmend und amüsiert, dass es auch | |
| schon wieder unsympathisch wirkt. | |
| Bierwirths Film zeigt aber auch, dass es auf Josephs Seite kaum besser | |
| aussieht. Als er Monika noch einmal in die „Afrikanerbar“ mitnimmt, in | |
| deren Hinterhof sie sich kennengelernt haben, verhalten sich zwar alle | |
| freundlich und offen ihr gegenüber. Aber mit den Händen zu greifen ist auch | |
| hier der im Raum stehende Verdacht, dass Josephs und Monikas Beziehung eine | |
| reine Tauschbeziehung sei: Sex gegen Aufenthaltspapiere oder so. Und was | |
| wollen die beiden tatsächlich voneinander? Sie sind erwachsen genug, um zu | |
| wissen, dass ein bisschen gegenseitiges Ausbeuten zur Liebe dazugehört. | |
| Der Film suggeriert solche Unterstellungen, ohne dass sie besonders | |
| deutlich ausgesprochen würden. Wie überhaupt die Dialoge oft wie | |
| improvisiert wirken, wie Alltagsgeplänkel, dazu mäandert die Handlung etwas | |
| dahin. „Le Prince“ ist ein Film so gut wie ohne Erklärdialoge, das macht | |
| ihn als Beziehungsstudie aber umso interessanter. Lisa Bierwirth hat zuvor | |
| als Assistentin bei [1][Valeska Grisebach („Western“)] gearbeitet, „Le | |
| Prince“ ist ihr Kinodebüt; mit den Filmen der sogenannten „Berliner Schule… | |
| teilt sie eine gewisse Vorliebe fürs elliptische Erzählen und für das | |
| gezielt einen Takt zu lange Stehenlassen einer Einstellung. | |
| Präzise Stimmungstableaus | |
| Dabei gerinnen gerade solche Momente oft zu präzisen Stimmungstableaus. Der | |
| mit leeren Bierflaschen und gefülltem Aschenbecher vollstehende Küchentisch | |
| von Monikas Wohnung zum Beispiel, der plötzlich wie zur Mauer wird zwischen | |
| Monika und ihrer Freundin Ursula, als die plötzlich meint, sie „warnen“ zu | |
| müssen. | |
| Trotz der Berliner-Schule-Assoziationen könnte „Le Prince“ auch gut einen | |
| „Frankfurt-Trend“ einläuten. Denn so prägnant und zugleich ökonomisch hat | |
| noch kaum ein deutscher Film die Mainmetropole als aussagekräftige Location | |
| genutzt. Dort am Bahnhofsviertel trifft die Welt des Geldes und der von ihm | |
| geförderten Kunst unmittelbar auf die Vitalität – aber auch die sozialen | |
| Probleme – eines „bunten“ Viertels mit Obdachlosen, Migrantenbars, | |
| Drogenabhängigen und Prostituierten. Und nur eine Straße weiter leben | |
| Menschen wie Monika in noch bezahlbaren Altbauwohnungen. | |
| Die Kamera fängt diese atmosphärische Dichte Frankfurter Normalität gleich | |
| schon in der ersten Einstellung ein: Da sieht man in Monikas Hinterhof, | |
| hinter dessen gewöhnlicher Unaufgeräumtheit die glatten Bankentürme | |
| „Mainhattans“ aufragen. Auch das ist schon eine interkulturelle Beziehung, | |
| wenn man so will. | |
| 30 Sep 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Barbara Schweizerhof | |
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