| # taz.de -- Vorfall bei Bundestagswahl: Wahlschein nur ohne Kopftuch | |
| > Eine Frau wird im Wahllokal in Bergheim in Nordrhein-Westfalen abgewiesen | |
| > – weil sie ein Kopftuch trägt. Erst als sie sich beschwert, darf sie | |
| > wählen. | |
| Bild: Bei der Bundestagswahl gilt: Wählen darf jede volljährige Person mit de… | |
| Das hatte sich Sara Nasser anders vorgestellt. Als die 21-Jährige am | |
| vergangenen Sonntag gegen 13 Uhr das erste Mal in ihrem Leben wählen gehen | |
| wollte, wurde sie von einer Wahlhelferin zurückgehalten. „Am Eingang sagte | |
| man mir, dass ich mein Kopftuch absetzen müsse“, so erzählte es die | |
| 21-Jährige der taz am Telefon. Verhüllt dürfe sie nicht wählen, lautete die | |
| Begründung. Nassers Freundin, die kein Kopftuch trug, wurde durchgelassen. | |
| Nasser heißt in Wirklichkeit anders, aber bat darum, anonym zu bleiben, | |
| deswegen wurde der Name von der Redaktion geändert. Der Vorfall ereignete | |
| sich in der Astrid-Lindgren-Schule in Bergheim in Nordrhein-Westfalen, er | |
| wurde von der Stadt selbst bestätigt. Nasser hat sich mit einer langen | |
| E-Mail an die taz gewandt, auch auf ihrem Instagram-Account berichtete sie | |
| über den Fall: Laut Nasser berief sich die Wahlhelferin, die sie nicht | |
| durchlassen wollte, auf ein neues Gesetz, das sie im Internet nachlesen | |
| könne. Nasser konnte das nicht glauben, aber verließ zunächst das | |
| Wahllokal. Gemeinsam mit ihrer Freundin recherchierte sie – und fand | |
| nichts. Denn es gibt selbstverständlich kein Gesetz, das Frauen, die ein | |
| Kopftuch tragen, verbietet, wählen zu gehen. | |
| Als Nasser und ihre Freundin zurück ins Wahllokal gingen und nachfragten, | |
| wo dieses Gesetz zu finden sei, wurde ihnen geraten, sich an die Stadt zu | |
| wenden. Das taten sie dann auch. Nassers Freundin meldete sich im Wahlbüro | |
| Bergheim. Die Mitarbeiterin fragte nach der genauen Bedeckung. Nasser trug | |
| ein Kopftuch, einen Mund-Nasen-Schutz und ihre Brille. Die Mitarbeiterin | |
| bat um Geduld und meldete sich beim Wahllokal. | |
| In der Zwischenzeit bemerkte Nasser eine weitere Frau, die ein Kopftuch | |
| trug, auch sie wurde abgewiesen. Nasser bat die Frau darum, mit ihr auf das | |
| Ergebnis der Beschwerde zu warten. Nach der Intervention des Wahlbüros | |
| durften schließlich beide wählen gehen. | |
| Nassers Freundin fragte daraufhin die Wahlhelfer:innen, wie viele Frauen | |
| mit Kopftuch sie denn weggeschickt hätten. „Das darf Sie nicht | |
| interessieren“ und „dazu werde ich nichts sagen“, heißt die Antwort eines | |
| Mannes in unfreundlichem Tonfall. Das Gespräch hat Nasser in einem Video | |
| festgehalten, auf dem allerdings nur die Stimmen zu hören sind, die Kamera | |
| ist auf den Fußboden gerichtet. | |
| Mittlerweile hat sich die Stadtverwaltung Bergheim im Namen des | |
| Wahlvorstandes und der betreffenden Wahlhelferin schriftlich bei Nasser | |
| entschuldigt. In einer Pressemitteilung der Stadt wird der Vorfall | |
| bedauert: „Die Wahlhelferin war nach eigener Aussage von einer unzulässigen | |
| Verhüllung ausgegangen, obwohl bei den Wahlhelferschulungen der Umgang mit | |
| einer etwaigen Verhüllung ausdrücklich erörtert wurde“, heißt es darin. | |
| Künftig sollen Wahlhelfer:innen nun intensiver geschult werden. „Ein | |
| islamophober, rassistischer oder diskriminierender Hintergrund“ könne aber | |
| keinesfalls bestätigt werden, heißt es. Die zweite Frau, die wegen ihres | |
| Kopftuchs zurückgewiesen worden sei, wird in der Mitteilung nicht erwähnt. | |
| Am Dienstag hat Nasser mit Bürgermeister Volker Mießeler (CDU) telefoniert. | |
| „Er hat sich entschuldigt und mir ein persönliches Treffen angeboten“, | |
| erzählt sie. Darüber freut sich Nasser, aber sie ist noch nicht ganz | |
| überzeugt, ob es sich wirklich nur um ein „Kommunikationsproblem“ gehandelt | |
| hat. „Ich habe mich an dem Tag sehr schlecht gefühlt und die Tage danach | |
| auch“, erzählt Sara Nasser. Erst vor zwei Wochen sei sie von einem Mann in | |
| der Straßenbahn als „scheiß Terroristin“ bezeichnet und übel beschimpft | |
| worden. Das erlebe sie [1][immer wieder mal]. „Aber von staatlicher Seite | |
| habe ich das noch nicht erlebt“, sagt sie. | |
| Nasser hat jetzt zwei Antidiskriminierungsstellen kontaktiert und darum | |
| gebeten, sie zum Termin mit dem Bürgermeister zu begleiten. Auch die andere | |
| Frau würde sie gerne mitnehmen, die beiden sind noch im Kontakt. Am Telefon | |
| klingt Nasser trotz allem optimistisch: „Mich hat das bestärkt, jetzt immer | |
| wählen zu gehen.“ | |
| 28 Sep 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jasmin Kalarickal | |
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