# taz.de -- Sexuelle Ausbeutung im Kongo: „Wegen des Geldes hielt ich es aus�… | |
> WHO-Mitarbeiter, die im Kongo gegen Ebola kämpften, beuteten lokale | |
> Mitarbeiterinnen systematisch sexuell aus. Das gesteht die WHO in einem | |
> Bericht. | |
Bild: Begehrte Jobs: Reinigungskräfte in einem Ebola-Zentrum in Butembo, 2018 | |
BERLIN taz | Shekinah war 25 Jahre alt, als Boubacar Diallo ihr im Januar | |
2019 einen Job anbot. Der kanadische Arzt arbeitete für die | |
Weltgesundheitsorganisation WHO in Beni im Osten der Demokratischen | |
Republik Kongo, wo eine [1][schwere Ebolapandemie] damals schon mehrere | |
Tausend Menschen dahingerafft hatte. Der 25-jährigen kongolesischen | |
Hilfsschwester bot er eine Arbeit in der Eboladiagnostik an, zum doppelten | |
ihres bisherigen Gehalts. Er stellte nur eine Bedingung: Sie sollte mit ihm | |
schlafen. | |
„Angesichts der Geldprobleme meiner Familie stimmte ich zu“, erzählte | |
Shekinah zwei Jahre später Journalisten der Nachrichtenagentur AP. Wie oft | |
sie mit dem WHO-Arzt ins Bett ging, könne sie nicht mehr zählen. „Ich | |
wollte es beenden, aber wegen des Geldes hielt ich es aus.“ Für den Sex | |
bekam sie Bargeld oder Telefonkredits. Sie sei längst nicht die Einzige | |
gewesen. | |
Shekinah ist eine von 73 Opfern sexueller Ausbeutung durch Mitarbeiter | |
internationaler Hilfswerke im Kongo im Rahmen der Ebolabekämpfung zwischen | |
2018 und 2020, deren Geschichte die WHO jetzt auf höchster Ebene untersucht | |
und bestätigt hat. 21 beteiligte WHO-Mitarbeiter werden in dem am Dienstag | |
in Genf veröffentlichten [2][Bericht einer Untersuchungskommission] | |
gezählt. | |
Die Untersuchung lief bereits, als AP im Mai 2021 die Geschichte von | |
Shekinah veröffentlichte. [3][Erste Medienenthüllungen], veröffentlicht vom | |
New Humanitarian und der Reuters-Stiftung, hatten bereits im September 2020 | |
schwere Vorwürfe wiedergegeben. | |
## Ausbeutung mit System | |
51 Frauen im Ostkongo hatten entsandte Mitarbeiter der WHO und anderer | |
Hilfswerke beschuldigt, von ihnen Sex verlangt oder erzwungen zu haben. | |
„Frauen sagten, sie wurden mit Getränken gefügig gemacht. Anderen wurde in | |
Büros aufgelauert. Manche wurden in Zimmer eingesperrt von Männern, die | |
ihnen Arbeit versprachen oder drohten, sie zu feuern, wenn sie nicht | |
mitmachten“, so der erste Bericht. | |
Zwei seien geschwängert, eine sei zur illegalen Abtreibung gezwungen worden | |
und dabei gestorben. Das hatte offenbar System, stellt die WHO jetzt fest. | |
Es wird eine Archivkraft in der WHO-Logistikabteilung in Beni zitiert, die | |
sagte, sie habe erst nach einiger Zeit verstanden, dass man Sex anbieten | |
musste, um Gehalt zu bekommen. „Man musste Sex haben, um voranzukommen“, | |
bilanziert sie. | |
Über 1 Milliarde US-Dollar Hilfsgelder flossen in Ostkongos Ebolagebiete | |
zwischen 2018 und 2020, über 15.000 Helfer und medizinisches Personal | |
wurden aus aller Welt entsandt, davon 2.800 von der WHO, manche ohne | |
Ortskenntnis, aber dafür mit viel Geld. Das internationale „Ebola Business“ | |
im Kongo wurde berüchtigt – und es hatte auch eine schlüpfrige Seite. | |
Die Täter der sexuellen Übergriffe waren nicht nur weiße Ausländer, sondern | |
oft auch Kongolesen aus der fernen Hauptstadt Kinshasa. Die fremden | |
Ebolabekämpfer residierten in teuren Hotels und luden dort zu Gesprächen – | |
und mehr. Frauen verweisen auf das mondäne Hotel Butembo in der | |
gleichnamigen Großstadt, wo zunächst Ärzte ohne Grenzen (MSF) residierte, | |
bis das Hilfswerk nach Angriffen im Februar 2019 abzog und die WHO einzog. | |
MSF habe den Zugang zum Hotel streng reglementiert, aber „unter der WHO | |
änderte sich alles: Junge Frauen aus der Stadt kamen ständig hinein, alle | |
Regeln wurden gelockert.“ Manche seien in WHO-Fahrzeugen hineingebracht | |
worden. | |
## Sexuelle Übergriffe wurden begünstigt | |
Bereits nach einer ersten Reise vor Ort im November 2020 hatte das WHO-Team | |
schwere interne Versäumnisse notiert, die straflose sexuelle Übergriffe | |
begünstigten: So werde nicht kontrolliert, wer mit WHO-Autos herumfahre | |
und WHO-Kleidung benutze. Einzelpersonen hätten ohne Kontrolle Hilfskräfte | |
eingestellt; die Leitungsebene sei fast ausschließlich männlich gewesen, es | |
gebe keine Verfahren zum Melden von Fehlverhalten. | |
AP wies später nach, dass der WHO-Leitungsebene schriftliche Beschwerden | |
gegen namentlich genannte Mitarbeiter vorlägen. Gehandelt habe die | |
Weltgesundheitsorganisation nicht. Dies geißelt der neue Bericht nun als | |
„individuelles Fehlverhalten“ hochrangiger Amtsträger. WHO-Verantwortliche | |
hätten bereits ab Anfang Mai 2019 von Vorwürfen sexueller Übergriffe | |
gewusst, weit früher als sie selbst zugaben, und nichts unternommen. | |
WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus sagte bei der Präsentation | |
des Berichts, er sei „erschüttert“. Ein „fundamentaler Wandel“ sei bei… | |
WHO nötig, und dafür werde man sich externe Beratung holen. Von den 21 | |
Beschuldigten seien zuletzt vier noch aktive WHO-Angestellte gewesen, und | |
ihre Verträge seien mit sofortiger Wirkung beendet worden, präzisierten | |
seine Mitarbeiter. Aïchatou Mindaoudou, die nigrische Leiterin der | |
Untersuchung, kündigte an, innerhalb von zwei Monaten weitere Vorschläge | |
vorzulegen, einschließlich möglicher Entschädigungen. | |
28 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Demokratische-Republik-Kongo/!5737022 | |
[2] https://www.who.int/publications/m/item/final-report-of-the-independent-com… | |
[3] https://www.thenewhumanitarian.org/2020/09/29/exclusive-more-50-women-accus… | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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