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# taz.de -- Parlamentswahlen in Marokko: Klatsche für die Islamisten
> Bei den Wahlen in Marokko erleidet die Regierungspartei von Premier El
> Othmani massive Verluste. Gewinner sind die Liberalen – was den König
> stärkt.
Bild: Seine Partei kommt auf 97 Sitze: Aziz Akhannouch, bisher Landwirtschaftsm…
Madrid taz | Das hatte so niemand erwartet. Die seit zehn Jahren in Marokko
regierende gemäßigt islamistische [1][Partei für Gerechtigkeit und
Entwicklung (PJD)] des bisherigen Ministerpräsidenten Saad-Eddine El
Othmani erlitt bei den Parlamentswahlen am Mittwoch, die zeitgleich mit den
Kommunal- und Regionalwahlen abgehalten wurden, eine mehr als herbe
Niederlage. Künftig hat die PJD statt bisher 195 nur noch 12 Sitze im 395
Abgeordnete starken Parlament in Rabat.
Dieses vorläufige Ergebnis gab Innenminister Abdelouafi Laftit um drei Uhr
in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag bekannt. Demnach gewann der
bisherige Koalitionspartner der Islamisten, die Gruppierung Unabhängige
Nationalversammlung (RNI), die Wahlen. Die Partei unter Führung eines der
reichsten Männer des Landes und bisherigen Landwirtschafts- und
Fischereiminister, Aziz Akhannouch, kommt auf 97 Sitze, gefolgt von der
ebenfalls liberalen Partei für Ehrlichkeit und Modernität (PAM), die vor 13
Jahren von einem Berater von König Mohamed VI. gegründet wurde. Die PAM
erzielte 82 Abgeordnete.
Drittstärkste Fraktion ist die älteste Partei Marokkos, die Istiqlal, die
einst für die Unabhängigkeit von Frankreich stritt, mit 78 Mandaten. Die
andere historische Partei Marokkos, die Union der Sozialistischen
Volkskräfte (USFP), erhielt 35 Sitze.
Nach einer Wahlrechtsreform vom Frühjahr wird das neue Parlament wesentlich
zersplitterter sein als das bisherige. Unter anderem wurde die
3-Prozent-Hürde gestrichen. Mit 50,35 Prozent war die Wahlbeteiligung höher
als vor fünf Jahren. Damals fanden nur 43 Prozent den Weg an die Urnen.
## König Mohamed VI geht gestärkt aus der Wahl hervor
Große Wahlkampfveranstaltungen gab es in Zeiten der [2][Covid-Pandemie]
keine. Und da in Marokko Umfragen verboten sind, kam das Ergebnis völlig
überraschend. Alle gingen von einem Kopf- an Kopfrennen zwischen PJD und
RNI aus. Dass die PJD nach zehn Jahren an der Regierungsspitze und nach der
Covid-Pandemie Stimmen verlieren würde, galt als sicher, aber dass der
Verlust so stark ausfallen würde, ahnte niemand.
Dieses Ergebnis stärkt [3][König Mohamed VI.] erheblich. Laut der
Verfassung von 2011, die dem Parlament wesentlich mehr Macht einräumte,
muss König Mohammed VI. jetzt einen Regierungschef aus den Reihen der
stärksten Fraktion, in diesem Falle die RNI, ernennen. Das dürfte ihm
anders als 2011 und 2016, als die Islamisten gewannen, nicht weiter schwer
fallen.
Denn RNI-Chef Akhannouch gilt als enger Vertrauter und persönlicher Freund
des Monarchen. Akhannouchs RNI gehören mehrere wichtige Unternehmer
Marokkos an. Die Partei ist ebenso wie die PAM, mit der sie wohl koalieren
wird, wirtschaftsliberal. Dritter im Bunde für eine Regierungsmehrheit
könnte die Istiqlal sein.
Trotz der Verfassung von 2011, die als Reaktion auf den Arabischen Frühling
die Macht des Königshauses einschränkte, bestimmt der Monarch weiterhin die
sogenannten Souveränitätsminister direkt. Es handelt sich dabei um den
Innen-, Außen- und Religionsminister.
Akhannouch ist vor allem im Öl- und Erdgasgeschäft tätig. Im Jahr 2020
führte ihn die jährliche Forbes-Liste auf Platz 12 der reichsten Männer
Afrikas. Im März 2020 spendete seine Firma knapp 100 Millionen Euro an den
von König Mohammed VI. gegründeten „Coronavirus Pandemie Management Fond“.
Die RNI von Akhannouch pumpte so viel Geld in den Wahlkampf wie keine
andere Partei.
Aus der PJD wurden noch in der Wahlnacht Stimmen laut, die von Wahlbetrug
sprachen. Einige Parteivertreter beklagten Stimmenkauf. Es sei zu „obszöner
Geldverteilung“ im unmittelbaren Umfeld der Wahllokale gekommen.
Innenminister Laftit widersprach dieser Darstellung: Bis auf „Einzelfälle“
sei die Abstimmung „unter normalen Umständen“ verlaufen. Das endgültige
Wahlergebnis will er im Laufe des Donnerstages bekanntgeben.
9 Sep 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Parlamentswahlen
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