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# taz.de -- Forderungen im Wahlkampf: Bekennt euch doch selbst!
> Die Linkspartei soll sich zur Nato bekennen. Wann bekennen sich die
> anderen Parteien endlich? Zum Kampf gegen rechts, zu mehr Hartz IV, zu
> echter Freiheit?
Bild: Macht ein Bekenntnis der Union zum Kampf gegen Rechtsextremismus unglaubw…
Wahlkampf heißt, man hört als politisch interessierter Mensch über Wochen
hinweg dieselben Vorwürfe, Argumente, Formulierungen. Ein Wort ist mir
dabei besonders aufgefallen: Bekenntnis. Ein schönes, altes Wort, finde
ich. Wenn ich es höre, denke ich sofort an Kirche. „Ich bekenne mich“, das
sagt man nicht einfach so, das muss man schon meinen.
Im aktuellen Wahlkampf fällt „Bekenntnis“ immer wieder in diesem
Zusammenhang: Die Linkspartei soll sich verdammt noch mal [1][zur Nato
bekennen]. Das fordern vor allem SPD und Grüne. Wenn die Linke das nicht
tut, kriegt sie keine Koalitionsverhandlungen.
Nun könnte man einwenden: Die Nato ist ein veraltetes Konstrukt. Sie ist
gerade [2][in Afghanistan gescheitert]. Sogar Joe Biden sagt, dass es
Kriege zur „Umgestaltung anderer Länder“ in Richtung Demokratie nicht mehr
geben werde. Dieses Militärbündnis zu hinterfragen, finde ich okay, wenn
dabei der Schutz osteuropäischer Länder nicht als Lappalie abgetan wird.
Aber darum geht es mir gar nicht. Denn man könnte – viel einfacher – auch
einwenden: Warum soll sich die Linkspartei zu etwas bekennen, das sie in
ihrem Wahlprogramm explizit ablehnt? Und, daran anschließend: Wann bekennen
sich die anderen Parteien eigentlich zu den Dingen, die tatsächlich in
ihren Wahlprogrammen stehen?
Die FDP zum Beispiel könnte sich zum Liberalismus bekennen. Zu einem
kosmopolitischen Liberalismus, der Bürgerrechte schützt, für wirkliche
Freiheit steht und nicht nur für die Freiheit von SpitzenverdienerInnen.
Der FDP hängt etwas Reaktionäres an, das sie nicht abschütteln kann oder
will, ich sag nur: Ehegattensplitting. Daran wollen die Liberalen
festhalten.
## Nicht nur sagen, auch meinen
Olaf Scholz soll sich dazu bekennen, die Situation von
[3][Hartz-IV-EmpfängerInnen] wirklich verbessern zu wollen. Mit konkreten
Zahlen, nicht nur mit dem neuen Begriff „Bürgergeld“. Warum kann er sich
beim Mindestlohn auf einen Betrag festlegen, bei der Grundsicherung aber
nicht?
Die Union schreibt in ihrem Wahlprogramm: Rechtsextremismus sei die größte
Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Warum spielt das
Thema dann keine Rolle in ihrem Wahlkampf? Ich will, dass sich die CDU und
die CSU zum Kampf gegen Rechtsextreme bekennen. Nicht nur sagen, auch
meinen.
Ich will, dass die CDU aufarbeitet, was Hans-Georg Maaßen als
Verfassungsschutzpräsident angerichtet hat und dass sie aufhört, ihn in
Schutz zu nehmen. Armin Laschet weicht Fragen zu Maaßen aus, [4][grinst
oder wirkt beleidigt]. Als ginge es um ihn und nicht um die Sicherheit
aller.
Ich will erleben, dass in diesem Land ernsthaft etwas gegen Nazis getan
wird – gegen die auf der Straße und die in den Behörden. Leute wie Maaßen
sind nie allein, sie brauchen Netzwerke. Um diesem Staat vertrauen zu
können, brauche ich ein Bekenntnis, dass diese Netzwerke aufgedeckt werden.
Übrigens von allen Parteien.
Auch von den Grünen. In deren Programm steht: rechtsextreme Strukturen
zerschlagen, Politik transparenter machen, Nachrichtendienste strenger
kontrollieren. Mir fällt es schwer, das zu glauben, seitdem die Grünen in
Hessen dagegengestimmt haben, die [5][NSU-Akten offenzulegen]. Sie bleiben
für 30 Jahre geheim. Der Frieden in der schwarz-grünen Koalition war
wichtiger als das Programm.
Warum soll ich glauben, dass es auf Bundesebene nicht genauso laufen würde?
Eine Woche vor der Wahl weiß ich nicht, wer meine Stimme kriegt.
Lippenbekenntnisse reichen mir nicht.
19 Sep 2021
## LINKS
[1] /Vorbereitung-auf-moegliches-Buendnis/!5797160
[2] /Nach-dem-Abzug-aus-Afghanistan/!5794272
[3] /Erhoehung-der-Hartz-IV-Saetze/!5802043
[4] /Kandidat-Laschet-spricht-mit-Kindern/!5797397
[5] /Offenlegung-der-NSU-Akten/!5769958
## AUTOREN
Viktoria Morasch
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