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# taz.de -- Metoo bei deutschen Rappern: Bullshit!
> Frauenhass geht seit Jahrhunderten als Kultur durch, dreht sich aber nur
> um Machterhalt. Das ist nicht okay, weder in der Oper noch „auf der
> Straße“.
Bild: Hat derzeit die größten Eier: Rapperin Shirin David
Als Teenager hörte ich viel Rap (wegen meiner Brüder) und viel Klassik
(wegen meiner Schule). Meine russische Klavierlehrerin nahm mich regelmäßig
mit in die Oper. Dort sah ich Frauenfiguren sterben: Aida, Carmen,
Desdemona … Sie opferten sich oder wurden ermordet. Grund dafür war
meistens, dass sie irgendwie falsch geliebt hatten. Ich erinnere mich an
endlose Todesszenen, nicht selten begleitet von einem Männersolo, laut,
emotional, triumphierend. Zu Hause auf meinen CDs hörte ich zum
Beispiel:„bitches ain’t shit but hoes and tricks“.
Zwischen Konzertsaal und „Straße“ liegen Welten, die eines gemein haben:
Frauenhass geht als Kultur durch. Aber nur weil etwas jahrhundertealt ist
und von sogenannten Genies erdacht, ist es nicht automatisch okay. Und nur
weil jemand „von unten“ kommt, kann er nicht machen und sagen, was er will.
Zumal Frauen aus dem Rapgeschäft schon lange darauf hinweisen: Es hört
nicht bei den Lyrics auf, es geht backstage weiter.
Der Rapper Snoop Dog, Autor der Zeilen „bitches ain’t shit but hoes and
tricks / lick on these nuts and suck the dick“, [1][sagte dem Sender Sky
news] vor einigen Jahren, dass er seine Meinung über Frauen (so ganz
allgemein) inzwischen geändert habe. Er wisse jetzt, dass eine Frau eine
beautiful person sein kann. Die alten Lyrics bereue er aber nicht. Man
könne sich ja nicht für etwas schämen, über das man einfach nicht Bescheid
gewusst habe. Dass Frauen Menschen sind, zum Beispiel?
Auch in Deutschland lassen Fans und Medien Rappern viel durchgehen. Als
seien diese Männer nicht zurechnungsfähig, nur weil sie keine reichen
Eltern hatten. Die Argumentation geht so: Hey, er hat doch letztens schon
gelernt, dass Antisemitismus nicht klar geht (Applaus!), bestimmt sieht er
irgendwann auch ein, dass Frauen mehr sind als bitches, die vor ihm zu
knien haben.
## Die größten Eier
Man ist geduldig (im Grunde seit Jahrhunderten), dabei sind diese Rapper
oft auch schon Mitte dreißig und hatten fünf Alben lang Zeit, sich ein paar
Fragen zu stellen. Ist es okay, Frauen wie Abfall zu behandeln? Geht auch
ohne Studium. Am schlimmsten ist dieser Paternalismus-Klassiker, um
misogyne Rapper in Schutz zu nehmen: „So ist das halt da, wo der herkommt“.
Bullshit. Frauenhass war noch nie Kultur, sondern immer Machterhalt. Aus
Texten müssen natürlich keine Taten folgen, hoch lebe die Kunstfreiheit,
Gewalt aber fängt bei Worten an, das gilt für Rassismus genauso wie für
Misogynie.
Mut wird im Rapbusiness in Eiern berechnet. Die größten Eier hat derzeit
die Rapperin Shirin David. Sie [2][unterstützt Nika Irani], eine Frau, die
dem Rapper Samra vorwirft, sie vergewaltigt zu haben. Shirin David setzt
sich dabei Hass und Bedrohungen aus, genau wie, es ist ja leider
selbstverständlich, Nika Irani selbst. Samra antwortete aggressiv in einem
Video auf Instagram, wies alle Vorwürfe zurück und zeigte – unabhängig
davon, ob er nun schuldig ist oder nicht –, dass er nichts begriffen hat
(„Kann sein, dass ich kein Gentleman zu dir war“).
Der Rapper Nimo war daraufhin schlau genug, einen neuen Song mit der Zeile
„Ich fick sie fast tot, sie liegt im Wachkoma / lalala vida loca“
zurückzuziehen. Massiv, ebenfalls Rapper, ließ wissen: „Leider müssen wir
wegen der momentanen Situation viele Singles umändern und zensieren. Rap
kommt von der Straße und hat diese ganzen Debatten echt satt.“
Sorry, ihr werdet nicht drumrum kommen. Zeit, dass wir Rapper nicht mehr
wie die Jungs von der Straße behandeln, die sie mal waren – sondern wie die
frauenfeindlichen Millionäre, die sie sind.
27 Jun 2021
## LINKS
[1] https://news.sky.com/story/snoop-has-no-regrets-over-old-sexist-lyrics-1035…
[2] /MeToo-in-deutscher-Rapszene/!5780080
## AUTOREN
Viktoria Morasch
## TAGS
Schwerpunkt #metoo
Rap
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Sexismus
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