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# taz.de -- Kollektiv über Sexismus in der Rapszene: „Die Täter sollen Angs…
> Seit den Vergewaltigungsvorwürfen gegen Rapper Samra melden sich immer
> mehr Betroffene mit ähnlichen Erfahrungen in der Szene bei
> #deutschrapmetoo.
Bild: Die #Metoo-Bewegung ist nun endlich auch im Deutschrap angekommen
taz: Kürzlich hat die Influencerin Nika Irani in einem [1][Instagram-Post
dem Berliner Rapper Samra] vorgeworfen, sie vergewaltigt zu haben. Mit
eurer Initiative #deutschrapmetoo gebt ihr nun Betroffenen die Möglichkeit,
anonym von ähnlichen Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt in der
Deutschrap-Szene zu berichten. Wie hoch war die Resonanz auf euren Aufruf?
#deutschrapmetoo: Sehr hoch. Wir bekommen täglich sehr viele Nachrichten
von Betroffenen und uns wird immer wieder mitgeteilt, dass Leute sehr
dankbar und erleichtert sind, dass es diese Möglichkeit für sie nun gibt,
anonym über ihre Erlebnisse zu sprechen, für die es sonst keinen Raum gibt.
Ihr agiert als anonymes Kollektiv und gebt an, dass ihr selbst auch in der
Hip-Hop-Szene sozialisiert seid. Warum ist es wichtig, dass die
Aufarbeitung des Themas sexualisierte Gewalt im Deutschrap von Leuten aus
der Szene angetrieben wird?
Zum einen, weil wir selbst Betroffene sind. Zum anderen, weil wir einen
differenzierten Blick auf die Szene haben. Von Außenstehenden heißt es oft:
„Ja, Deutschrap ist so sexistisch, da ist so eine #Metoo-Bewegung unbedingt
notwendig.“ [2][Aber Sexismus ist kein Rap-Problem, Sexismus und
sexualisierte Gewalt sind ein gesamtgesellschaftliches Problem.] Diese Art
von Bewegung braucht es in allen Bereichen. Wir kümmern uns eben jetzt um
diesen bestimmten Bereich, in dem wir uns auskennen.
Glaubt ihr nicht an einen Zusammenhang zwischen frauen- und
queerfeindlichen Lyrics und physischer sexualisierter Gewalt?
[3][Im Rap existiert definitiv ein sehr toxisches Bild von Männlichkei]t –
wie leider in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen auch. Das heißt
aber nicht, dass Rapper, deren Lyrics nicht sexistisch sind, keine Täter
sein können.
Samra wird in den sozialen Medien vehement verteidigt, auch von vielen
weiblichen Fans. Ist das irgendwie überraschend?
Es ist nicht überraschend, dass einer Person der Öffentlichkeit mehr
geglaubt wird als einer Unbekannten. Genauso wenig überrascht es, dass dem
Mann mehr geglaubt wird. Das spiegelt ja nur das Machtgefälle wider, das
solche Übergriffe überhaupt möglich macht. Es kostet jedenfalls viel Mut,
als Betroffene über so etwas öffentlich zu sprechen. Denn man wird auf
schlimmste Weise diffamiert.
Gerade am Beispiel Nika Irani lässt sich gut nachvollziehen, wie wenig
Bewusstsein es eigentlich für das Thema Konsens gibt. Irani wird nicht als
„echtes Opfer“ gesehen, weil sie sich freiwillig mit Samra getroffen hat
und in der Erotikbranche tätig ist. Sie hat in ihrem ersten Post ja auch
gesagt, das Erlebte „grenzte“ an eine Vergewaltigung, obwohl ihre
Schilderung des Tatverlaufs doch sehr eindeutig war. Ist das so ein Muster,
dem ihr auch in den anonymen Berichten begegnet, dass sich die Betroffenen
gar nicht richtig trauen, von einer Vergewaltigung zu sprechen?
Absolut. Das kennen wir auch aus eigener Erfahrung. Ganz oft spielen
Betroffene diese Taten erst einmal runter und sagen sich, anderen Menschen
passieren viel schlimmere Dinge. Oder sie geben sich selbst die Schuld,
weil sie sich freiwillig mit dem Täter getroffen haben. Das ist sehr
traurig und bedeutet, dass wir auf jeden Fall für mehr Sensibilität beim
Thema Konsens sorgen müssen, durch mehr Aufklärung.
Es heißt oft, eine Vergewaltigung sei vor Gericht kaum zu beweisen, wenn
die Betroffene nach dem Übergriff nicht sofort Anzeige erstattet. Wie steht
ihr denn zum Thema Polizei?
Der Weg für Betroffene, Anzeige zu erstatten und das strafrechtlich
verfolgen zu lassen, ist total hart und zermürbend und führt häufig dazu,
dass sich die psychische Verfassung nur noch verschlechtert. Einfach, weil
den Betroffenen nicht geglaubt wird. Wie soll man denn bitteschön beweisen,
dass man vergewaltigt wurde von einer Person, die man freiwillig getroffen
hat? Manche Betroffenen haben uns geschrieben, dass sie nach der
Vergewaltigung direkt zum Arzt gegangen sind. Sie haben alles
protokollieren lassen und dennoch wurde ihnen von verschiedenen Stellen
geraten, das nicht zur Anzeige zu bringen, weil es einfach ein Kampf gegen
Windmühlen ist. Und den kann man nicht gewinnen, außer es waren
Augenzeug_innen dabei, die bereit sind auszusagen. Andernfalls sind viele
der Auffassung, dass man die Energie lieber nicht in einen Strafprozess
stecken sollte, sondern in die eigene Aufarbeitung des Traumas.
Nach welchen Kriterien sucht ihr aus, welche anonymen Berichte ihr
veröffentlicht und welche nicht?
Wir versuchen verschiedene Arten von Übergriffen sichtbar zu machen. Es
muss sich nicht immer um eine Vergewaltigung handeln, Betroffene können uns
auch schreiben, wenn sie verbal bedrängt oder bedroht wurden. Momentan ist
es bei der Auswahl der Berichte aber auch so, dass wir darauf achten
müssen, dass keine Rückschlüsse auf den Täter zu ziehen sind. Wir bitten
Betroffene deshalb manchmal, den Text noch mal umzuschreiben, um sie und
uns auch juristisch zu schützen.
Habt ihr vor, in Zukunft auch Namen von Tätern zu veröffentlichen?
Ja. Wir sind da gerade in rechtlicher Beratung deswegen und versuchen, Wege
zu finden. Aber unser primäres Ziel ist nicht das Outcalling von Tätern.
Wir wollen, dass sich langfristig etwas ändert. Wir hoffen, dass unsere
Aktion Angst schürt bei Tätern und vor weiteren Taten abschreckt. Und wir
wollen vor allem Betroffene empowern.
Gibt es denn bestimmte Namen oder Cliquen, die besonders häufig als Täter
genannt werden?
Es gibt schon Namen, die immer wieder auftauchen. Aber eigentlich verteilt
es sich sehr.
In einem der Berichte heißt es, die Betroffene habe versucht, aus dem Haus
eines bekannten Rappers zu fliehen, woraufhin er sie mit dem Messer
bedrohte und sagte, sie käme nur mit dem Leichenwagen wieder aus dem Haus,
wenn sie sich ihm verweigere. Das sind harte Storys. Wie schützt ihr euch
selbst?
Wir haben eine psychologische Betreuung und Supervision angeboten bekommen,
die wir auf jeden Fall in Anspruch nehmen wollen. Ansonsten schützen wir
uns, indem wir anonym bleiben.
Habt ihr ein Verfahren, anhand dessen ihr die Glaubwürdigkeit eines
Berichts prüft?
Wir haben uns viel mit dem Thema Falschbeschuldigung auseinandergesetzt und
es ist faktisch so, dass sie einen sehr geringen Teil ausmachen. Studien
sprechen von höchstens 3 Prozent. Für uns gibt es daher gar keinen Grund,
den Betroffenen nicht zu glauben, wenn sie uns schreiben. Natürlich checken
wir ein bisschen ihre Profile, um sicherzugehen, dass es keine Fakes sind.
Aber dieser häufige Vorwurf, dass Falschbeschuldigungen gemacht werden, um
Aufmerksamkeit zu bekommen, greift auf unserer Plattform überhaupt nicht,
da die Berichte ja sowieso anonymisiert sind.
Am vergangenen Wochenende hat der Rapper Cashmo mit der Bedingung, 100.000
Follower auf Instagram zu erreichen, ein altes Video von Bushido gepostet.
Darin überredet der Rapper eine möglicherweise Minderjährige zum Sex. Wie
steht ihr zu dieser Aktion?
Was da passiert, ist eine Instrumentalisierung dieser Bewegung und der
Gewalttaten zum Zweck der eigenen Promo. Wir finden es natürlich gut, wenn
Rapper sich damit auseinandersetzen, wie sie sich in der Vergangenheit
verhalten haben, und sich öffentlich dazu äußern. Aber diese Aktion war
einfach falsch.
Samras Label Universal hat angekündigt, die Zusammenarbeit mit dem Rapper
pausieren zu lassen, bis die Vorwürfe gegen ihn geklärt sind. Wie findet
ihr diesen Schritt?
Wir finden das richtig. Aber die Frage ist, setzt sich Universal wirklich
mit dem Thema auseinander oder reagieren sie nur auf den öffentlichen
Druck? Nika Irani wird es schwer haben im Strafprozess. Samra ist reich und
kann sich die teureren Anwälte leisten. Falls der Prozess an der mangelnden
Beweislage scheitert, wird Universal die Arbeit mit Samra wieder aufnehmen?
1 Jul 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Fatma Aydemir
## TAGS
Sexismus
Gangsta-Rap
Rap
Sexualisierte Gewalt
sexueller Missbrauch
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