| # taz.de -- Neue Regierung in Sachsen-Anhalt: Haseloff stolpert ins Amt | |
| > Fehlstart für die Deutschland-Koaltion in Sachsen-Anhalt: CDU, SPD und | |
| > FDP wählen Reiner Haseloff erst im zweiten Anlauf zum | |
| > Ministerpräsidenten. | |
| Bild: Anspannung bei der CDU im Magdeburger Landtag | |
| Dresden taz | Mit eineinhalb Stunden Verzögerung überreichte | |
| Landtagspräsident Gunnar Schellenberger am Donnerstagmittag dem alten und | |
| neuen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff im Landtag von Sachsen-Anhalt | |
| doch noch ein Gemälde der Staatskanzlei. Noch etwas ernster als sonst legte | |
| der den Amtseid ab, verzichtete sogar auf eine sofortige Antrittsrede. | |
| Denn wie schon 2016 brauchte es einen zweiten Wahlgang, um ihn mit 53 von | |
| 97 möglichen Abgeordnetenstimmen ins Amt zu wählen. Immer noch drei Stimmen | |
| weniger, als [1][die sogenannte Deutschlandkoalition] beziehungsweise | |
| Schwarze Ampel aus CDU, SPD und FDP eigentlich hätte. In der ersten Runde | |
| stimmte sogar eine Mehrheit von 49 zu 48 Abgeordneten gegen ihn. | |
| „Das ist Demokratie“, spielte Haseloff unmittelbar darauf im MDR-Interview | |
| diesen Denkzettel des ersten Wahlgangs herunter. Ursachenforschung für den | |
| Fehlstart gleiche „Stochern im Nebel“. Er verwies lediglich darauf, dass | |
| die Koalitionspartner in Sachsen-Anhalt Konkurrenten im Bundestagswahlkampf | |
| sind. Unbeirrt wolle er seine dritte Amtszeit angehen. „Wir werden diese | |
| fünf Jahre hervorragend zusammenarbeiten“, zeigte sich Haseloff bemüht | |
| optimistisch. | |
| „Hier werden alte Rechnungen beglichen“, versuchte ausgerechnet der | |
| AfD-Fraktionsvorsitzende Oliver Kirchner nach dem ersten Wahlgang eine | |
| Erklärung und lenkte den Blick auf die SPD. Die hatte in der Schlussphase | |
| der sonst relativ geräuschlos verlaufenen Koalitionsverhandlungen noch das | |
| Wirtschaftsministerium verloren. SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Pähle aber | |
| dementierte einen solchen Verstoß gegen die auf Seite 154 des | |
| Koalitionsvertrages vereinbarte Wahl von Reiner Haseloff. | |
| ## „Was ist los in diesem Land“ | |
| Beobachter vermuteten vielmehr CDU-Abgeordnete unter den Abweichlern. In | |
| der vorausgegangenen Kenia-Koalition galt etwa die Hälfte der Fraktion als | |
| Grünen-Hasser, AfD-nah und unzuverlässig und war dem Ministerpräsidenten | |
| schon mehrfach in den Rücken gefallen. | |
| CDU-Fraktionsvorsitzender Siegfried Borgwardt wäre nach eigenem Bekunden | |
| auch lieber nicht an die vergleichbare Verweigerung bei der | |
| Ministerpräsidentenwahl 2016 erinnert worden. Die Stimmung auf den | |
| Landtagsfluren während der von der Koalition beantragten Auszeit nach dem | |
| ersten Wahlgang ging in eine ähnliche Richtung. Äußerungen wie „Was ist los | |
| in diesem Land“ sollen gefallen sein. | |
| Sachsen-Anhalt galt schon vor der Landtagswahl vom 6. Juni einerseits als | |
| „Politiklabor“ aufgrund früherer Minderheitsregierungen oder neuer | |
| Koalitionsmodelle, andererseits als unberechenbar sowohl im Wählerverhalten | |
| als auch bei den Mandatsträgern. Politikwissenschaftler Hendrik Träger von | |
| der Uni Leipzig sieht denn im MDR-Fernsehen auch eine | |
| „Vertrauensbeschädigung“ für die künftige Zusammenarbeit der Koalition. | |
| Eine Ausstrahlung auf die anstehende Bundestagswahl, die sehr | |
| wahrscheinlich ebenfalls eine Dreierkoalition hervorbringen wird, verneinte | |
| er eher. | |
| Eva von Angern als Vorsitzende der oppositionellen Linksfraktion sprach | |
| hingegen trotz [2][des CDU-Wahlerfolgs in Sachsen-Anhalt] von einem | |
| „maroden Zustand“ der Union. Sie äußerte Sorge angesichts kommender | |
| Herausforderungen und schloss im Landtag eine Stimmenbeschaffung durch die | |
| Linke aus. Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann konstatierte | |
| gleichfalls ein „Hineinrumpeln“ in die neue Legislatur und kritisierte | |
| insbesondere die zu erwartende Vernachlässigung der Klimapolitik. | |
| Der Koalitionsvertrag war durch die drei Regierungsparteien erst Anfang | |
| dieser Woche unterzeichnet worden. Kritik an den Inhalten kam unter anderem | |
| von den Grünen, die sich an zu wenigen verbindlichen Zielen für den | |
| Klimaschutz stören. Das bisherige Ministerium für Umwelt, Energie und | |
| Landwirtschaft wird zerschlagen, Klimafragen sind künftig dem | |
| Wissenschaftsministerium zugeordnet. | |
| Korrekturhinweis (20.9.2021): In einer früheren Version des Textes stand, | |
| dass Klimafragen dem Wirtschaftsministerium zugeordnet werden. Das war | |
| falsch: Sie kommen ins Wissenschaftsministerium, während die Landwirtschaft | |
| ins Wirtschaftsministerium wandert. Für den Fehler bitten wir um | |
| Entschuldigung. | |
| 16 Sep 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Neue-Koalition-in-Sachsen-Anhalt/!5788274 | |
| [2] /Nach-der-Wahl-in-Sachsen-Anhalt/!5773140 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Bartsch | |
| ## TAGS | |
| Reiner Haseloff | |
| Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt | |
| CDU | |
| Deutschland-Koalition | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt | |
| Deutschland-Koalition | |
| Magdeburg | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Landtag Sachsen-Anhalt: AfD Vizepräsident abgewendet | |
| Der Magdeburger Landtag bleibt weiter ohne Vizepräsidenten. Trotz Stimmen | |
| wohl aus der CDU reicht es für den Rechten Hagen Kohl nicht. | |
| Regierungsbildung in Sachsen-Anhalt: Schwarz-Rot-Gelb in Magdeburg steht | |
| Mit dem Ja der Liberalen ist die Koalition aus CDU, SPD und FDP in | |
| Sachsen-Anhalt perfekt. Am Donnerstag soll Reiner Haseloff erneut zum | |
| Regierungschef gewählt werden. | |
| „Deutschland-Koalition“ in Sachsen-Anhalt: SPD stimmt für Koalition | |
| Zwei Drittel der Landes-SPD votieren am Samstag für den Koalitionsvertrag | |
| von CDU, SPD und FDP. Damit sind die Sozialdemokraten die Ersten. | |
| Neue Koalition in Sachsen-Anhalt: Konsens ohne Stacheln | |
| Die neue „Deutschland-Koalition“ in Sachsen-Anhalt klingt eher nach einer | |
| kleindeutschen Runde ohne Mut zu großen Zukunftsthemen. |