# taz.de -- Journalist*innen in Afghanistan: Bedroht, verfolgt und geprügelt | |
> Nach der Machtübernahme der Taliban schlagen afghanische Medienschaffende | |
> Alarm: Viele sitzen im Land fest und müssen um ihr Leben fürchten. | |
Bild: Zwei afghanische Journalisten: eingesperrt und geschlagen, weil sie beric… | |
BERLIN taz | Als in der afghanischen Stadt Kandahar am Dienstag Tausende | |
gegen die Taliban auf die Straße gingen oder zuvor in Kabul Frauen gegen | |
das Regime der Islamisten protestierten, waren noch vereinzelt | |
Journalist*innen dabei. Sie wollten berichten, schlicht ihrer Arbeit | |
nachgehen – und wurden von Angehörigen der Taliban brutal geprügelt. | |
Das zeigt, was sich gut zwei Wochen nach dem Abzug der internationalen | |
Truppen in Afghanistan vollzieht: Die Taliban sind im Begriff, die sich | |
seit gut zwanzig Jahren entwickelnde plurale Medienlandschaft des Landes zu | |
zerstören. | |
Wie massiv Journalist*innen bedroht und misshandelt werden, schilderten | |
zwei afghanische Medienschaffende am Mittwoch bei einer Pressekonferenz der | |
Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) in Berlin. | |
Ahmad Wahdid Payman arbeitete in Kabul und Herat auch für die preisgekrönte | |
Zeitung Acht Uhr morgens. Vor zehn Tagen habe er Afghanistan mithilfe von | |
RSF verlassen, seiner Arbeit kann er schon seit vier Wochen nicht mehr | |
nachgehen – so wie viele Kolleg*innen. „Sie haben sich zu Hause verschanzt | |
oder Afghanistan verlassen“, sagt Payman. Ein Kollege sitze seit einer | |
Woche in Herat in Haft. Nähere Infos habe er nicht, nur eine dunkle | |
Vorahnung, denn die Foltergefängnisse der Taliban seien berüchtigt. | |
## TV-Programm ohne Musik und Frauen | |
Von rund 700 Journalist*innen in Afghanistan würden nur noch 39 ihrer | |
Tätigkeit nachgehen – in Provinzen wie Herat, wo Payman selbst gearbeitet | |
hat, seien so gut wie alle Medien lahmgelegt. „Die Welt schaut nur auf | |
Kabul, wo die Situation noch vergleichsweise gut ist.“ Auf jene Medien, die | |
heute noch berichten, würden die Taliban massiven Druck ausüben. Etwa das | |
TV-Programm sehe entsprechend aus: ohne Kritik, ohne Musik, ohne Frauen. | |
Kurz nach der Machtübernahme im August ließen sich Taliban im Fernsehen | |
noch von Frauen interviewen. Diesem Bild solle die internationale | |
Gemeinschaft nicht trauen, sagt eine in Berlin ebenfalls anwesende | |
Journalistin, die ihren Namen und ihre Geschichte wegen der Bedrohungslage | |
nicht der Öffentlichkeit preisgeben will. | |
„Die Taliban bemühen sich um internationale Anerkennung und wollen ihr | |
liberales Bild wahren“, warnt sie. Sie berichtet von einer Moderatorin, die | |
einen Talibanvertreter zu Fragen des Hidschab interviewte. Später hätten | |
Taliban sie zu Hause aufgespürt und gedrängt, nicht mehr in der Redaktion | |
zu erscheinen. Auch ihre eigene Familie verschanze sich nun in ihrem Haus, | |
weil sie bedroht werde. Ihre Schwester arbeite ebenfalls als Journalistin. | |
Auf eine weitere Gefahr macht Payman aufmerksam: „Seit der Machtübernahme | |
wurden Tausende Häftlinge aus den Gefängnissen befreit.“ Die Presse hatte | |
einst über ihre Taten berichtet. Viele fürchten nun deren Rache. | |
## 2.600 bekommen Aufenthaltstitel | |
Umso drängender sei es, dass die Bundesregierung nach dem Ende der | |
Evakuierungsflüge weitere Schutzbedürftige nach Deutschland bringe, so | |
RSF-Referentin Lisa Kretschmer. Immerhin hat das Bundesinnenministerium am | |
Mittwoch bekanntgegeben, dass es [1][2.600 gefährdeten Afghan*innen] und | |
ihren Angehörigen – darunter auch Medienschaffenden – eine | |
Aufenthaltszusage erteilen will. Asyl müssen diese dann nicht mehr | |
beantragen. | |
Unklar sei, welche Personen konkret auf dieser Liste stehen, so Kretschmer. | |
Auch könnten keine weiteren aufgenommen werden, die Liste sei geschlossen. | |
„Täglich ereilen uns aber Hilferufe von Menschen, die Afghanistan noch | |
verlassen wollen.“ Das habe unterschiedliche Gründe: Einige erfahren erst | |
jetzt von solchen Listen oder hatten nicht die Möglichkeit, sich an | |
Behörden zu wenden; manche glaubten bis zuletzt an eine Zukunft im Land. | |
15 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Jana Lapper | |
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