# taz.de -- Neue Stadtregierung in der Mainmetropole: Frankfurt kann auch ohne … | |
> Bei den Frankfurter Kommunalwahlen wurden die Grünen stärkste Kraft. | |
> Jetzt steht die Stadtregierung – ohne CDU. Das gab es seit Jahrzehnten | |
> nicht. | |
Bild: Kann sich über klares Ergebnis freuen: Frankfurts neue Bürgermeisterin … | |
FRANKFURT AM MAIN taz | Bis Mitternacht hatte sich die Sondersitzung | |
hingezogen. Erst dann war die Wahl der neuen Frankfurter Stadtregierung | |
komplett, ein halbes Jahr nach der Kommunalwahl im März, aus der die | |
[1][Grünen als stärkste Partei] hervorgegangen waren. | |
Seit Donnerstagmorgen konnte der neue hauptamtliche Magistrat aus Grünen, | |
SPD, FDP sowie der neuen paneuropäischen Partei VOLT die | |
Regierungsgeschäfte in Deutschlands fünftgrößter Stadt übernehmen. Die Wahl | |
der sechs KandidatInnen der Koalition gelang jeweils im ersten Anlauf. | |
Erstmals seit über 25 Jahren ist die CDU im Frankfurter Römer damit in der | |
Opposition. | |
Das neue Bündnis, das sich Klimaschutz und Diversität auf die Fahnen | |
geschrieben hat, verfügt im Frankfurter Stadtparlament eigentlich nur über | |
eine knappe Mehrheit. Tagelang war über mögliche Abweichler bei den | |
DezernentInnenwahlen spekuliert worden. | |
Doch nach dem überraschend klaren Ergebnis für die Grüne Nargess | |
Eskandari-Grünberg bei der Wahl zur Bürgermeisterin und | |
Integrationsdezernentin (58 von 93 Stinmen) erzielte auch die Kandidatin | |
des kleinsten Partners VOLT, Eileen O'Sullivan, mit 52 Ja-Stimmen ein | |
komfortables Resultat. | |
## Angespannte Finanzlage trifft digitale Transformation | |
Die 25-jährige Studentin ohne Regierungserfahrung übernimmt das wichtige | |
Dezernat für Digitalisierung und BürgerInnenbeteiligung. Die jüngste | |
Dezernentin, die je einer Frankfurter Stadtregierung angehörte, trägt die | |
Verantwortung für rund 300 MitarbeiterInnen. Ihre Ämter sind auch für die | |
ordnungsgemäße Abwicklung der Bundestagswahl zuständig. Bei Wahlen hatte es | |
in Frankfurt in der Vergangenheit wiederholt Pannen gegeben. „Ich weiß, | |
worauf ich mich eingelassen habe“, sagte O'Sullivan gleichwohl | |
selbstbewusst der taz. | |
Grünen-Fraktionsvorsitzende Tina Zapf-Rodriguez hatte für das neue Bündnis | |
geworben. Sie kündigten eine durchdachte Verkehrswende an, | |
Gleichberechtigung und transkulturelle Vielfalt seien für sie Maßstab der | |
Politik. „Frankfurt lässt niemanden zurück“, sagte sie und räumte | |
gleichwohl die großen Herausforderungen der digitalen Transformation bei | |
angespannter Finanzlage ein. | |
In seiner neuen Rolle als Oppositionsführer kritisierte CDU-Fraktionschef | |
Nils Kößler die Koalition „vier ungleicher Parteien“ als Linksbündnis mit | |
liberalem Feigenblatt. Er erinnerte an die „chaotische Personalfindung“. | |
Tatsächlich hatten Grüne, FDP und VOLT ihr Führungspersonal erst im zweiten | |
Anlauf sortiert, nach parteiinternen Rangeleien und Rochaden. Die grüne | |
Basis hatte unter anderem auf Geschlechtergleichheit bei den | |
Magistratsposten bestanden und die Vorschlagsliste des Vorstands | |
korrigiert. | |
Linken-Politiker Michael Müller kritisierte das neue Bündnis als Koalition | |
der Widersprüche. Um ihre Wahlversprechen in Klimaschutz und Sozialpolitik | |
einhalten zu können, hätten die Koalitionäre mit der FDP den falschen | |
Partner gewählt, sagte Müller; schließlich wäre rechnerisch auch ein | |
Linksbündnis möglich gewesen. Manfred Zieran von ÖkoLinX sprach gar von | |
einem „grünen Märchen“ und von „Gelaber“ über eine „autoarme“ St… | |
## Standing Ovations für Ex-Bürgermeister | |
Einen starken letzten Auftritt hatte unmittelbar nach seiner Abwahl | |
Ex-Bürgermeister Uwe Becker (CDU). Er intervenierte nach einer Rede von | |
Mathias Mund von der rechtspopulistischen Wählervereinigung Bürger für | |
Frankfurt. Mund hatte der Grünen Eskandari-Grünberg die Eignung zur | |
Integrationsdezernentin abgesprochen und dabei mit ihrem entschiedenen | |
Eintreten für einen in Frankfurt umstrittenen Moscheebau argumentiert. | |
Eine „schändliche Rede“ attestierte ihm Becker; Mund leite damit Wasser auf | |
die Mühlen derer, „die Frankfurt nach rechts drehen wollen“. Die große | |
Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung dankte ihm für die klaren Worte | |
mit stehenden Ovationen. Aus seiner Enttäuschung über das Ende der | |
langjährigen Zusammenarbeit mit den Grünen machte der Ex-Bürgermeister | |
allerdings keinen Hehl. | |
Dagegen ging für den Vorsitzenden der Frankfurter [2][SPD] Mike Josef ein | |
gutes Signal von der Mainmetropole für den Bund aus. „Frankfurt war schon | |
immer Trendsetter“, sagte er der taz. „Die erste rot-grüne Koalition, die | |
erste schwarz-grüne und jetzt ein Reformbündnis ohne CDU“, das mache ihn | |
für die Bundespolitik optimistisch. | |
9 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Neues-Regierungsbuendnis-in-Frankfurt-am-Main/!5766887 | |
[2] /Comeback-der-SPD/!5795209 | |
## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
## TAGS | |
Frankfurt | |
Kommunalwahlen | |
Partei Volt | |
Frankfurt am Main | |
Kleine Parteien | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Abgeordnetenhauswahl 2021 | |
Rot-Grün-Rot | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nach mutmaßlichen Übergriffen: Frankfurter Grünen-Chef tritt zurück | |
Daniel Frank soll Personen auf einer Party unangemessen berührt haben. | |
Details sind unklar, die Partei will schnell für Transparenz sorgen. | |
Wie Volt Berlins Politik verändern will: Liberale Steckdose | |
Das Volt-Programm ist eine Mischung aus Ökologie und Liberalismus. | |
Mietendeckel und Enteignungen von Wohnungen lehnt die Partei ab. | |
taz-Autor:innen und die Wahl: Im Wechselbad linker Gefühle | |
In jungen Jahren immer grün gewählt, aber dann kamen eine rot-grüne | |
Regierung, der Niedergang der SPD und diverse Zweifel. Und jetzt? | |
taz-Talk Berlin-Wahl mit Kai Wegner: „Grün-schwarz wäre auch ok“ | |
CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner gibt sich im taz Talk umgänglich und | |
anschlussfähig. Bisweilen versucht er, noch etwas grüner als die Grünen zu | |
sein. | |
Vorbereitung auf mögliches Bündnis: Rot-rot-grüne Vorwahltreffen | |
Erstmals haben sich Abgeordnete von SPD, Linken und Grünen im Wahlkampf | |
getroffen. Signal: Mitte-Links ist nicht unmöglich. |