# taz.de -- Umgestaltung Unter den Linden: Langsam rollt die Wende an | |
> Bis 2032 könnte der Boulevard Unter den Linden ein Fuß- und | |
> Radverkehrsparadies werden. Die meisten Autos müssten weichen – wenn der | |
> Bund mitspielt. | |
Bild: Eine der „Gestaltungsideen“ der Senatsverwaltung: Hochbord-Radweg Unt… | |
Es klang wie ein Leuchtturmprojekt der Mobilitätswende: Der Boulevard Unter | |
den Linden, so steht es im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag von 2016, | |
sollte „fußgängerfreundlich umgestaltet“ werden. Zwischen Humboldt Forum | |
und Brandenburger Tor, so das Versprechen an die Stadtgesellschaft, „wird | |
der motorisierte Individualverkehr unterbunden zugunsten des | |
Umweltverbundes“ – also Bahn, Rad, Bus, Taxi und Fußverkehr. | |
Bis heute ist davon nichts zu sehen, aber genau genommen steht auch | |
nirgends, wie lange die Umgestaltung dauern soll. Seit Montag gibt es hier | |
konkretere Aussagen: Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) verkündete | |
nicht nur den Start einer Zwischenlösung („Phase 1“), sondern läutete auch | |
eine breite BürgerInnenbeteiligung ein, auf deren Grundlage die | |
Prachtstraße irgendwann tatsächlich halbwegs autofrei werden könnte („Phase | |
2“). | |
Höhere Aufenthaltsqualität, mehr Verkehrssicherheit, gesteigerte | |
Klimaresilienz – das sind die Ziele, die die Verkehrsverwaltung beim Umbau | |
der rund 770 Meter „Linden“ zwischen Wilhelm- und Universitätsstraße | |
verfolgt. In Phase 1, die am 8. Oktober beginnen soll und je nach Witterung | |
wohl irgendwann im Frühjahr 2022 abgeschlossen ist, wird der in die Jahre | |
gekommene Straßenbelag erneuert, und der private Autoverkehr muss mit einer | |
Spur statt derzeit zwei vorliebnehmen. RadlerInnen erhalten eine eigene | |
Spur und müssen nicht mehr mit Bussen und Taxis um die Wette fahren. | |
Dieser Schritt war bereits angekündigt worden – neu ist nun der [1][Start | |
des Beteiligungsprozesses zur „grundhaften Neugestaltung“]. Günther will | |
eine „Debatte innerhalb der Stadtgesellschaft“ anstoßen. Bis zum 4. Oktober | |
können deren Mitglieder auf [2][mein.berlin.de] Wünsche äußern oder | |
Stellung nehmen zu „Gestaltungsideen“, die die Senatsverwaltung schon mal | |
in die Debatte geworfen hat. | |
## Rad- statt Reitweg | |
Dazu gehören zwei Varianten, bei denen die Gehwege von derzeit je 7,70 | |
Metern auf rund 10 Meter und die Mittelpromenade von 17,50 auf über 20 | |
Meter verbreitert würden. Ein sehr breiter Radweg verliefe dann einmal | |
zwischen einer Fahrspur und einem „Multimodalstreifen“ mit Lieferzonen und | |
Abstellflächen für Fahrräder oder E-Scooter – oder aber als Hochbord-Radweg | |
direkt neben den FußgängerInnen (s. Bild). Eine dritte Variante orientiert | |
sich an der Gestaltung von 1900 und zieht zwei weitere Baumreihen ein. Die | |
einstigen Reitwege zwischen diesen und der Mittelpromenade wären jetzt die | |
Radwege. | |
Schon jetzt ist klar: Wirklich simpel ist das alles nicht. Die | |
Senatsverwaltung selbst zählt für jede Variante mehrere Nachteile auf, von | |
Konflikten mit dem Denkmalschutz (Sichtachsen!) über Fällung und | |
Neupflanzung vieler Bäume bis zu potenziellen Reibereien zwischen Fuß- und | |
Radverkehr. Würde die „Reitweg“-Version verwirklicht, ergäben sich ähnli… | |
Probleme wie beim Kreuzberger Projekt „Radbahn“: Ein Radweg in Mittellage | |
verkompliziert die Anbindung an die Seitenstraßen und sorgt für lange | |
Umwege oder aber unerwünschte Querungen, wenn RadlerInnen ein Ziel Unter | |
den Linden selbst ansteuern. | |
In jedem Fall würden auch nach der Umgestaltung, die bis 2032 dauern | |
könnte, nicht nur Busse, Taxis oder Einsatzfahrzeuge, sondern auch private | |
Autos über die Linden fahren: „Wir wollen den motorisierten | |
Individualverkehr zurückdrängen, aber Anlieger müssen weiterhin ihre | |
Wohnungen oder Geschäfte erreichen können“, sagte Lutz Adam, Leiter der | |
Abteilung Tiefbau in der Senatsverwaltung, bei der Vorstellung der Pläne am | |
Montag. | |
Ohnehin steht und fällt alles mit der Kooperationsbereitschaft des Bundes. | |
Denn auch wenn nun nach vielen Jahren U5-Bahn-Baustelle der Verkehrsstrom | |
eher überschaubar ist, sind die Linden Teil der Bundesstraße B2, eine | |
Neuordnung muss also her. „Im Extremfall wäre es denkbar, die Bundesstraßen | |
durch Berlin über den Autobahnring um die Innenstadt herumzuführen“, sagt | |
Hartmut Reupke, Abteilungsleiter Verkehr in der Senatsverwaltung. Woraufhin | |
Senatorin Günther gleich klarstellte: „Wir werden nicht zulassen, dass wir | |
dadurch zum Einverständnis mit dem 17. Bauabschnitt der A100 gezwungen | |
werden. Da kann ich Sie beruhigen.“ | |
6 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.berlin.de/sen/uvk/verkehr/verkehrsplanung/strassen-und-kfz-verk… | |
[2] https://mein.berlin.de/projekte/unter-den-linden-von-pariser-platz-bis-schl… | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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