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# taz.de -- Klimaprotest vor dem Reichstag: Hungern gegen die Katastrophe
> Eine Gruppe junger KlimaaktivistInnen ist in den Hungerstreik
> getreten. Sie fordern: ein Gespräch mit den drei
> KanzlerkandidatInnen.
Bild: Ehrlich aufgebracht: drei der AktivistInnen vor dem Reichstagsgebäude
Berlin taz | Sechs junge Menschen sitzen nebeneinander an einem Tisch auf
dem Platz der Republik. Sehr ernst und aufrecht sitzen sie da vor der
Kulisse des Reichstagsgebäudes, hinter ihnen hängt ein Transparent mit dem
Motto „Hungerstreik der letzten Generation“. Seit Anfang der Woche campen
sie hier und haben die Nahrungsaufnahme eingestellt. Sie sehen es als
letzte Möglichkeit, die Klimakatastrophe aufzuhalten, ja einen Massenmord
zu verhindern: den „Mord an der jungen Generation“.
Zwischen 18 und 27 Jahren sind sie alt, einige von ihnen erklären, sie
hätten ihre Ausbildung oder ein Studium „geschmissen“, um hier und jetzt zu
tun, was getan werden müsse. Überhaupt liegt viel Pathos in dem, was sie
auf ihrer Pressekonferenz am Mittwoch sagen: „Wir sind jung, aber wir sind
bereit, unser Leben zu riskieren“, zitiert Rumen (20) aus dem [1][Manifest
der Hungerstreikenden].
Dort heißt es über den bevorstehenden Klimakollaps: „Keine der Parteien im
Bundestag hat einen Plan, der diese Entwicklung ernst nimmt. Sie verarschen
uns seit Jahren! Sie geben uns grüne Lippenbekenntnisse für die nächsten
Jahrzehnte und setzen auf eine wachsende Wirtschaft, die unser Klima und
unsere Biodiversität zugrunde richtet.“ Was auf die Welt zukomme, sei seit
Jahrzehnten bekannt, aber „Konzernchefs und Regierungsvertreter*innen“
hätten „den ökonomischen Ausbeutungs- und Zerstörungskurs immer weiter
gesteigert“.
Mehrere der Hungerstreikenden berichten, sie seien lange genug auf die
Straße gegangen und hätten für eine radikale Klimawende demonstriert – es
habe nichts gebracht. „Ich habe alles versucht, von Mahnwachen über Demos
zu zivilem Ungehorsam und Blockaden“, sagt Mephisto (18), die sich nach
eigenen Angaben politisch engagiert, seit sie 15 ist. „Worauf ich danach
primär gestoßen bin, waren Polizeigewalt, Repressionen und Politiker:innen,
die uns weiter ignoriert haben.“ Sie habe sich lange den Kopf darüber
zerbrochen, „was noch alles passieren muss, bis endlich gehandelt wird,
bevor es zu spät ist“. Die Antwort sei der unbefristete Hungerstreik.
Was die AktivistInnen vom „Hungerstreik der letzten Generation“ unter
Einsatz ihres Lebens fordern, klingt fast ein bisschen zahm: ein „live
übertragenes 2-Stunden-Gespräch“ von vier der Hungernden mit den
Kanzlerkandidat:innen Laschet, Baerbock und Scholz „über den Mord an
der jungen Generation“. Und „das Versprechen, in der nächsten Regierung
einen verbindlichen und repräsentativen Bürger:innenrat einzuberufen“.
Dieser solle aus der Bevölkerung ausgelost werden und müsse „unter anderem
die Umstellung auf 100 Prozent aufbauende Landwirtschaft“ thematisieren.
## Vor Nachahmung wird gewarnt
Alle legen Wert darauf, dass sie es ernst meinen mit ihrem gefährlichen
Unterfangen. Rumen sagt, im Falle einer Einweisung ins Krankenhaus sei eine
Zwangsernährung nicht rechtskonform. Potenzielle NachahmerInnen warnen sie
aber ausdrücklich: „Auch wenn ihr so verzweifelt seid wie wir, versucht uns
auf anderem Wege zu unterstützen“, heißt es in den Veröffentlichungen der
Gruppe.
Dass die Hungerstreikenden ihre Rolle kleinreden, kann man nicht behaupten:
Nicht nur bezeichnen sie die Nichtverhinderung der Klimakatastrophe als das
„größte Verbrechen der Menschheit“ – einer der sechs schreibt auch auf
Instagram: „Wenn du Dich je gefragt hast: ‚Was hätte ich während des
Dritten Reichs gemacht oder während der Amerikanischen Schwarzen
Bürgerrechtsbewegung oder zu irgendeinem anderen historischen Zeitpunkt?‘
Es ist im Wesentlichen das, was Du jetzt gerade machst.“
Auf die Frage, ob sich die Gruppe in einer Linie mit dem Widerstand gegen
die Nazis sieht, antwortet ein Aktivist, die Erderhitzung könne einen
Rechtsruck hervorrufen, wenn sie nicht gestoppt werde. Protest gegen die
Klimakrise sei daher ein „antifaschistischer Kampf“.
1 Sep 2021
## LINKS
[1] http://hungerstreik2021.de/presse/
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt Klimawandel
Hungerstreik
Annalena Baerbock
Schwerpunkt Klimawandel
Klimaneutralität
Schwerpunkt Klimawandel
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