# taz.de -- Ausstellungsempfehlung für Berlin: Nahbare Knubbeligkeit | |
> Für „Spiritual Bypass #2“ bei Stations, verlässt Hella Gerlach die Nähe | |
> zum Industriellen. Ihre neuen Skulpturen aus Stoff sind weich und | |
> wesenhaft. | |
Bild: Hella Gerlach, „Spiritual Bypass #2“, Installationsansicht, Stations,… | |
Man konnte vor ein paar Jahren noch richtige Nutzobjekte in Hella Gerlachs | |
Installationen finden, Karabinerhaken oder Greifzangen. Perfektionierte | |
Gegenstände der Massenproduktion, die dann mit den unvollkommenen Formen | |
ihrer weichen Stoffobjekte korrelierten. Damals wirkten sie wie die | |
technischen Verlängerungen eines organischen Etwas, transkörperlich. | |
Aus Hella Gerlachs Ausstellung „Spiritual Bypass #2“ bei [1][Stations] sind | |
diese Industrieprodukte verschwunden. Jetzt hängen elf wellige, fransige, | |
verknäuelte, nierenförmige und wulstige Objekte aus Textil in dem | |
Projektraum in der Kreuzberger Adalbertstraße. | |
Fast verschwunden, denn an den nur stellenweise freigelegten Betondecken im | |
oberen Stockwerk des Zentrum Kreuzberg befinden sich sichtbar eine Reihe | |
rotierender Motoren. Und sie versetzen einige der bunten, menschhohen Dinge | |
in leichte Bewegung. Je nach ihrer Beschaffenheit, nach der Dicke ihres | |
Stoffes, Ausformung ihrer Konturen oder Verknotung ihrer Extremitäten | |
scheinen sie mal zu tänzeln, mal träge zu schwanken. Es ist eine ganz | |
sanfte Choreografie von Körpern, Gestalten, vielleicht sogar Wesen. | |
## Greifbare Nähe zum Material | |
Hella Gerlach, die zwar in Berlin lebt, aber in den letzten Jahren vielmehr | |
außerhalb Berlins ausstellte, gibt den Stoffgegenständen dieses Wesenhafte | |
durch das Material. Mal mit weichen, mal harten, mal natürlichen und mal | |
synthetischen Textilien macht sie das Psychische physisch. Nicht nur | |
äußerlich, denn die Objekte sind befüllt. Ihre nahbare Knubbeligkeit | |
entsteht etwa durch Kleidung von Personen aus Gerlachs sozialem Umfeld, | |
durch Pflanzen wie Geißblatt und synthetische Drogen wie Ketamin. | |
Manch ein schwer hängender Arm ist mit Asche gefüllt. Man sieht diese | |
Substanzen nicht, trotzdem wirken sie nach außen. Was fühlst du, während du | |
über diese Objekte streichst, während sie sich neben dir bewegen? Was | |
fühlen dann die Dinge? Und was wir zusammen? | |
Aus dem Inneren einer hängenden Niere kommt dann vielleicht die Antwort: | |
ein singendes Röhren, wie das von einem Buckelwal unter Wasser. Es ist die | |
Soundarbeit von Yosa Peit, die Hella Gerlach in ihr Textilobjekt einnähte. | |
Diese gemeinsame Installation heißt: „Articulate a collective dream“. | |
31 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.stations.zone/ | |
## AUTOREN | |
Sophie Jung | |
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