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# taz.de -- Razzia in Hamburger Kopierladen: Dieses Bild ist verboten
> Im linken Kopierladen „Schanzenblitz“ hat die Polizei nach PKK-Symbolen
> gesucht und das Bild eines verstorbenen Linken-Politikers beschlagnahmt.
Bild: Linkes Urgestein zwischen PKK-Symbolen: Robert Jarowoy
Hamburg taz | Im Kopierladen „Schanzenblitz“, der sich im Herzen der
Hamburger Sternschanze befindet, ist der tägliche Bedarf politisch. An
einer Leine im Schaufenster hängen bunte Plakate: Die Gesichter der
ermordeten Menschen des Terroranschlags von Hanau sind zu sehen und auch
ein Plakat mit der Aufschrift „Free Öcalan“. Am 28. Juli führte der
Staatsschutz hier eine Razzia durch.
Der Grund: Im Laden seien Symbole der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans
(PKK) und deren in der Türkei zu lebenslanger Haft verurteilten Anführers
Abdullah Öcalan gesichtet und verkauft worden. So steht es in einem Flyer
des Copyshops. Die Polizei habe vermutet, dass der Inhaber Kopiervorlagen
verstecke, um verbotene PKK-Sticker zu verbreiten.
Das Team des linken Copyshops gründete sich vor 29 Jahren als Kollektiv,
wie Alex* vom Schanzenblitz berichtet. Alex sagt der taz: „Die Durchsuchung
steht in keinem Verhältnis. Während in der gleichen Woche eine kurdische
Familie in der Türkei getötet wurde, suchen die bei uns nach Aufklebern.“
Besuche der Polizei seien selten, aber kämen vor. 2003, zu Beginn des
zweiten Irak-Krieges, sei es zuletzt zu einem ähnlichen Vorfall gekommen.
Ein Plakat von George W. Bush mit Hitlerbart und Swastika im Hintergrund
hätten sie entfernen müssen. Zuletzt habe die Polizei lediglich
Hygienevorschriften geprüft, die unbeanstandet geblieben seien.
Fünf Beamt:innen durchsuchten während der einstündigen Razzia den
Geschäftsraum sowie den Keller des Copyshops, wie im Flyer weiter zu lesen
ist. Anstatt einer pulsierenden PKK-Zelle fand die Polizei fast nichts. Sie
habe die Möglichkeit genutzt, zwei Texte aus dem Fundus des Ladens zu
beschlagnahmen, die in keinerlei Verbindung zur PKK standen.
Außerdem sei der Staatsschutz auf ein Foto des im letzten Jahr verstorbenen
Robert Jarowoy gestoßen und habe es mitgenommen. Es war Teil einer
Installation zu Ehren des Hamburger Linken-Politikers. Jarowoy posiert in
der Aufnahme vor einem Bild von Abdullah Öcalan und einer Flagge der
Kurdisch Demokratischen Gesellschaft in Europa – ebenfalls verboten.
Lächelnd hält er eine Tafel mit der Aufschrift „Weg mit dem PKK-Verbot“ v…
die Brust.
„Das ist verrückt“, sagt der Fotograf des Portraits, Hinrich Schulze, zur
Beschlagnahmung. „Andererseits ist es eine Ehre, wenn mein Foto eine solche
Kraft ausübt, dass gar die Öffentlichkeit davor geschützt werden muss.“ In
welchem Zusammenhang das Foto entstand, möchte er nicht erzählen. Schulze
betont jedoch, dass im Foto Jarowoy als aktivistische Person im Vordergrund
stünde und nicht bloß PKK-Symbole transportiert werden sollten.
In den 70er-Jahren war Jarowoy Mitglied der „Bewegung 2. Juni“, die nach
dem Todesdatum von Benno Ohnesorg benannt wurde. Von 1973 bis 1979 saß er
als „anarchistischer Gewalttäter“ im Gefängnis, weil die Gruppe
terroristische Bombenanschläge verübte. Er war die letzten zwölf Jahre vor
seinem Tod Abgeordneter der Linksfraktion in der Bezirksversammlung Altona.
Die Polizei könne sich nicht zu laufenden Ermittlungen äußern, erklärt ein
Pressesprecher der taz. PKK-Symbole entfernen zu lassen ist für die Polizei
ein gewöhnliches Prozedere. Seit 1993 ist die PKK und die Darstellung ihrer
Symbole in Deutschland verboten. Auf pro-kurdischen Demonstrationen kommt
es immer wieder zu Beschlagnahmungen von Objekten mit PKK-Emblemen. Auch
PKK-bezogene Razzien hat es zuvor bereits gegeben.
Im Jahr 2019 kam es laut einer Pressemitteilung des Innenministeriums zu
einer Inspektion zweier Verlage, die mutmaßlich die PKK mit ihren Erträgen
finanziert hätten. Der Verdacht habe sich nach Durchsuchungen der
Geschäftsräume erhärtet und beide Betriebe seien aufgelöst und verboten
worden. Die Folgen der Schanzenblitz-Razzia halten sich im Vergleich dazu
bislang in Grenzen: Nur Robert Jarowoy lächelt jetzt in einer Hamburger
Asservatenkammer.
Alex sagt, der Anwalt des Ladeninhabers habe Akteneinsicht gefordert. Alle
weiteren Schritte seien noch zu besprechen. Die Installation zu Ehren
Robert Jarowoys mitsamt seiner teils neuaufgelegten Bücher steht derweil
weiterhin im Laden.
*Name geändert
24 Aug 2021
## AUTOREN
Arne Matzanke
## TAGS
Hamburg
Razzia
PKK
Linke Szene
Polizei Hamburg
Horst Seehofer
Graue Wölfe
Hausdurchsuchung
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