# taz.de -- Reisen mit Kindern: Trara auf Reisen | |
> Wer mit Kindern verreisen will, muss viel schleppen und braucht starke | |
> Nerven. Vor allem wegen der Leute, die einem so begegnen. | |
Bild: Im Schlafwagen der ÖBB ist es nicht zwingend ruhig und entspannt | |
Früher bin ich das ein oder andere Mal verkatert verreist. Hab morgens noch | |
schnell fünf Sachen in den kleinen Koffer geschmissen, zuverlässig stets | |
was Wichtiges vergessen, aber egal – ich war ja so flexibel. | |
Kürzlich waren wir als Familie zu viert drei Wochen unterwegs mit zwei | |
großen Koffern, zwei kleinen Rucksäcken, einem ranzigen Stoffhund, einem | |
Reisekinderwagen, einer Babyschale und einem Beutel voller Essen, alles | |
gepackt wie von einer Tetris-Weltmeisterin. Ich hasse es noch heute, zu | |
viel Zeug dabei zu haben, deshalb hatten wir tatsächlich nur das Nötigste | |
mit. | |
Irgendwann lag ich dann eingepfercht zwischen den beiden Kindern [1][im | |
Schlafwagen der ÖBB] auf dem ausgeklappten Bett und dachte sehnsüchtig an | |
die frühere Sorglosigkeit, während die schlacksigen Beine des fast | |
Vierjährigen sich über meine legten und die kurze Ärmchen vom Baby schon | |
nach mir suchten, weil es wieder Zeit war zu stillen. | |
Im Bett darüber schnarchte der Vater. Sein Glück, dass in dieser Nacht | |
beide Kinder nicht so hoch oben schlafen konnten oder wollten. Ich hab kein | |
Auge zugetan. Die Klimaanlage kühlte die Kinder über der Bettdecke einen | |
Ticken zu stark, während sie mich unter der Bettdecke anschwitzten. Ich war | |
die halbe Nacht damit beschäftigt sie zu- und wieder abzudecken. Dazwischen | |
wärmte mich auch noch Hundi, das ranzige Stofftier. Ich versuchte | |
angestrengt zu vergessen, dass das Kind ihn am Hauptbahnhof über den | |
Bahnsteig schleifte, gänzlich unbeeindruckt von dem strengen Uringeruch der | |
in der Sommerluft hing wie ein Warnung. | |
## Das Chaos ruht im Nachtzug | |
Der große Trugschluss am Reisen mit Familie ist ja immer, dass man denkt | |
man würde dem Chaos so entkommen. Dabei trägt man in Wirklichkeit nur das | |
Chaos an einen anderen Ort. Mein Chaos ruhte jetzt aber und der Nachtzug | |
hielt irgendwo in der Nähe von Villach, vielleicht weil es gerade sehr | |
stark gewitterte. | |
Und wie ich dann so im Schlafwagen liege und das fast schon wieder | |
romantisch finde, muss ich an unsere erste lange Zugreise mit Kind denken. | |
Er muss damals eineinhalb Jahre gewesen sein. Wir teilten uns ein | |
Sitzabteil mit einem weißhaarigen Schweizer mit Lesebrille. Er war eher | |
wortkarg, sehr mit seinen Zeitungen beschäftigt und musterte uns nur, wenn | |
wir unser quengelndes Kind immer mal wieder aus dem Abteil beförderten, um | |
dann im schaukelnden Zug hin und herzuwanken bis Ruhe oder Schlaf | |
eingetreten war. Wir hatten über viele Stunden keine ruhige Minute. Das | |
Kind war noch eher grobmotorisch beim Laufen, der wankende Zug war da keine | |
Spielwiese. Ihn zu beschäftigen klappte nur mit ständiger Aufmerksamkeit | |
von einem von uns und wir wechselten uns ab. | |
Irgendwann, als der Vater das quengelnde Kind zum 38. Mal ins Bordbistro | |
trug, guckte der Schweizer über seine Lesebrille und sagte zu mir: “Also | |
wir haben früher, wenn wir verreist sind, nicht so ein Trara um unsere | |
Kinder gemacht.“ Er hatte sofort meine volle Aufmerksamkeit – weil was | |
lieber, als sich von einem augenscheinlich gut situierten alten weißen cis | |
Mann die Welt erklären lassen. In unserem Gespräch stellte sich dann | |
schnell heraus, dass “sie“ (er und seine Frau) tatsächlich nicht so eine | |
Trara um die (drei) Kinder gemacht hatten, weil es nur seine Frau war, die | |
auf Reisen Trara um die Kinder machte, während er Zeitung las. Ich stellte | |
mir vor, wie er in ebenso einem Abteil saß mit einer Lesebrille, aber | |
weniger weißen Haaren, und wie seine Frau alle Hände voll zu tun hatte, | |
während sie ihn verflucht haben muss. | |
Als das Kind dann etwas später wieder [2][anfing lauthals zu weinen], war | |
ich dran mit Beruhigung. Das Abteil hab ich dann aber natürlich nicht mehr | |
verlassen, weil ich dachte, ich kann ja jetzt auch echt mal aufhören so ein | |
Trara zu machen. | |
2 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Nachtzugverbindungen-in-Europa/!5784131 | |
[2] /Das-Gefuehlskarussell-von-Kindern/!5780079 | |
## AUTOREN | |
Saskia Hödl | |
## TAGS | |
Reisen | |
Kolumne Kinderspiel | |
Nachtzüge | |
Andorra | |
Kolumne Kinderspiel | |
Kolumne Kinderspiel | |
Kolumne Kinderspiel | |
Kolumne Kinderspiel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Reisen in Europa: Klein, aber … | |
… nichts aber! Sechs Reiseberichte aus den kleinsten Ländern Europas, gegen | |
das Fernweh in der vierten Welle. | |
Übermüdete Eltern: Genieß es! | |
Mamasein heißt oft, ein schlechtes Gewissen zu haben. Weil es sich nie nach | |
Vereinbarkeit anfühlt, sondern immer nach zu viel von allem. | |
Berufswahl der Kinder: Hoffnung auf ein langweiliges Leben | |
Wir Eltern können mit jeder Lebensentscheidung unserer Kinder leben, nur | |
zur Polizei oder zur Bank gehen sollten sie nicht – oder die FDP wählen. | |
Umgang mit Fehlgeburten: Sonnenhut für zwei kleine Köpfe | |
Nach einer Fehlgeburt bleibt einem nur die Trauer. Selbst wenn man sich | |
wieder über ein Baby freuen darf, geht sie nie ganz weg. | |
Das Gefühlskarussell von Kindern: Nimm mich jetzt in den Arm | |
Kleine Kinder sind zornig, sie brüllen und sie fragen einem Löcher in den | |
Bauch. Aber wer ist schon perfekt? |