# taz.de -- Berufswahl der Kinder: Hoffnung auf ein langweiliges Leben | |
> Wir Eltern können mit jeder Lebensentscheidung unserer Kinder leben, nur | |
> zur Polizei oder zur Bank gehen sollten sie nicht – oder die FDP wählen. | |
Bild: Die Fragen beim Heranwachsen werden sich veränderm | |
Wenn mich als Kind Erwachsene gefragt haben, was ich werden will, wenn ich | |
groß bin, wusste ich nie so recht, was ich sagen sollte. Ich war ja ein | |
Kind. Habe aber schnell gelernt, dass sie einen erst in Ruhe lassen, wenn | |
sie eine Antwort haben. Also habe ich gesagt: Bäckerin. Das hat ihnen aber | |
nicht gefallen, also hab ich irgendwann „Tierärztin“ gesagt. Das fanden | |
alle toll und ich hatte meine Ruhe. Natürlich wäre ich nie Tierärztin | |
geworden. Wenn ich Blut sehe oder Nadeln, muss ich kotzen. | |
Mit zwanzig wusste ich immer noch nicht, was ich werden wollte. Ich wusste | |
nur, dass ich keine Künstlerin werden durfte. Meine Mutter, ihre Mutter und | |
deren Mutter waren alle Künstlerinnen. Und sie hatten wenig Geld. Das hat | |
mich geprägt und ich wollte so nicht leben. | |
Heute denke ich, dass ich damals zu streng zu mir war. Immerhin habe ich | |
aber mit dem Journalismus jenen „seriösen“ Beruf ergriffen, den man von | |
außen noch am ehesten mit Kunst verwechseln könnte. Ironie des Schicksals, | |
dass ich nun dennoch vergleichsweise schlecht verdiene und auch mit Mitte | |
dreißig noch von der Hand in den Mund lebe. | |
Ich frage mich oft, wie meine Kinder sein werden als Erwachsene. Was sie | |
mit ihrem Leben anfangen werden. Wenn sie Künstler:innen werden wollten, | |
fände ich das toll. Sie sollen alles werden dürfen, was sie wollen. Also | |
fast. Womit wir Eltern nicht gut leben könnten, wäre, wenn sie zur Polizei | |
oder zur Bank gehen, religiös werden oder die FDP wählen. Doch auch dann | |
würde ich sie lieben wie zuvor, aber ich würde ihnen halt furchtbar auf die | |
Nerven gehen müssen. Deutlich mehr als eine Mutter das so schon tun muss. | |
## Politik statt Jute | |
Was mich nachts wachliegen lässt, ist die Angst, dass es irgendwann gar | |
nicht mehr darum geht, was sie werden wollen. Dass die Kinder Krieg, Not | |
und Gewalt erleben. Das Gefühl der Ohnmacht lässt mich nicht schlafen. Denn | |
wir sind an einem Punkt, wo es wahrscheinlich schon zu spät ist. [1][Die | |
Klimakatastrophe ist im Gange.] Wie können wir sie bloß überstehen? | |
Dass man die Welt retten könne, indem man in Europa keine Kinder mehr | |
kriegt, halte ich für populistisch. Dass man die Welt retten könne, indem | |
man Leuten auf anderen Kontinenten vorschreibt, sie dürften keine Kinder | |
mehr bekommen, halte ich für rassistisch. Dass man die Welt retten könne, | |
indem man immer das Licht ausmacht, bio kauft und Jutebeutel trägt, halte | |
ich für eine Art Beschäftigungstherapie zum Weltuntergang. Natürlich sollte | |
jedeR ressourcenschonend leben, aber die Struktur ist schon längst nicht | |
mehr durch individuelles Verhalten zu ändern. [2][Die Politik muss sich | |
drastisch ändern.] | |
Ich hoffe sehr, dass meine Kinder in zehn Jahren nicht freitags die Schule | |
schwänzen müssen, damit die Erwachsenen aufhören, den Planeten zu | |
zerstören. Ich hoffe, dass sie ein langweiliges Leben führen können, ohne | |
Abschottung und Katastrophen. Ein Leben, das aus ganz banalen Fragen | |
besteht wie: Was willst du mal werden, wenn du groß bist? | |
20 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Saskia Hödl | |
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