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# taz.de -- Unwetter in Ostfriesland: „Definitiv ein Tornado“
> Ein Wirbelsturm im Kreis Aurich hat ganze Dörfer verwüstet.
> Meteorolog:innen gehen davon aus, dass solche Wetterextreme künftig
> schlimmer werden.
Bild: Abgerissene Dächer, zerstörte Wohnmobile: typische Zeichen eines Tornad…
Bremen taz | Ein starker Sturm hat im Landkreis Aurich in Ostfriesland am
Montagabend zahlreiche Häuser teils erheblich beschädigt. Nach Angaben der
Feuerwehr waren mindestens 50 Gebäude betroffen, fünf sind wegen schwerer
Schäden nun unbewohnbar. Verletzt wurde niemand. Die Feuerwehr spricht von
„blankem Chaos“. Ein ähnliches Unwetter habe es im Kreis Aurich bislang
nicht gegeben.
„Das war definitiv ein Tornado“, sagt Sebastian Wache, Diplom-Meteorologe
von der Kieler Firma [1][Wetterwelt] der taz: „Da gibt es keine Zweifel.“
Das belegten die [2][Augenzeugenberichte], aber auch die [3][Videos], die
im Netz kursieren und die Schadensmeldungen aus den betroffenen Dörfern der
rund 8.500 Einwohner:innen zählenden Gemeinde Großheide. Der
Durchmesser des Tornados lag Schätzungen zufolge zwischen mehreren Dutzend
und etwa 100 Metern.
Der Meteorologe geht wie auch der [4][Deutsche Wetterdienstes (DWD)] von
Windgeschwindigkeiten von 180 bis 250 Stundenkilometern aus, also einem
mittelschweren Tornado der Stufe F2 auf der so genannten [5][Fujita-Skala].
Davon spricht man, wenn – so wie hier – ganze Dächer abgedeckt, Wohnmobile
zerstört und große Bäume entwurzelt werden. Leichte Gegenstände werden dann
plötzlich gefährliche Projektile. Zum Vergleich: Der schlimmste je
beobachtete Tornado hatte die Stufe fünf, mit Geschwindigkeiten um 500
Stundenkilometer.
Ein solcher Tornado, auch Windhose genannt, ist ein kleinräumiger
Luftwirbel mit annähernd senkrechter Drehachse, der starken Wind auslöst
und entsteht, sobald eine Wolke anfängt, zu rotieren. Die Voraussetzung
dafür sind Temperaturgegensätze, eine örtliche Gewitterzelle und Winde, die
mit der Höhe auch ihre Richtung ändern. Am vergangenen Wochenende gab es
schon einmal einen Tornado – auf der Ostsee vor Kiel, auf der Eckernförder
Bucht. „Der hatte eine ähnliche Stärke“, so Wache. Menschen oder Schiffe
kamen dabei aber nicht zu Schaden.
## 60 bis 70 Tornados im Jahr
Gemeinhin verbindet man Tornados eher mit den USA – „dort kommen sie sehr
häufig vor“, sagt Wache. [6][Durchschnittlich 1.200 Tornados] werden dort
jedes Jahr registriert. In Deutschland gehen Expert:innen aber auch von
etwa 60 bis 70 Tornados im Jahr aus. „Viele davon bleiben unbemerkt“, so
Wache.
2015 gab es einen Tornado mit Geschwindigkeiten bis 300 Stundenkilometern
in Mecklenburg-Vorpommern. Im Juni dieses Jahres forderte ein Tornado der
Stufe vier in Tschechien sogar sechs Todesopfer, 200 Menschen wurden
verletzt, 180 Häuser mussten abgerissen werden. „Das hat in diesem Ausmaß
in diesem Jahr Seltenheitswert“, sagt Wache.
Sind mit dem Klimawandel nun auch hierzulande mehr Tornados zu erwarten?
Durch die globale Erwärmung steigen nicht nur die Luft-, sondern auch die
Wassertemperaturen. Damit geht eine höhere Verdunstung einher, also sammelt
sich mehr Wasserdampf in der Atmosphäre. „Das ist unser Energieträger für
Wetterextreme“, sagt Wache. Dennoch geht er nicht unbedingt davon aus, dass
die Zahl der Tornados in Deutschland in den kommenden Jahren zunimmt – sie
seien schließlich stark wetterlagenabhängig.
Die bisherige Klimaerwärmung hat auch nicht dazu geführt, dass sich
Tornados nachweisbar gehäuft haben, zumindest nicht in den vergangenen 30
bis 40 Jahren. „Dafür werden sie schlimmer“, sagt Wache: „Die Tornados
gewinnen im Zuge des Klimawandels vor allem an Stärke, Wetterextreme werden
also noch extremer“. Wie viel, könne man aber bisher nicht sagen.
Ohnehin seien Tornados auch für Fachleute kaum vorherzusagen, so Wache.
Denkbar sei allenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass
überhaupt einer entsteht: „Nur: Wo genau sie auftreten, kann man vorher
definitiv nicht sagen“. Im Gegensatz zu Hurrikanen entstehen Tornados eher
zufällig, tauchen also vorher nicht auf der Wetterkarte auf. In China etwa
arbeiten Forscher:innen derzeit zwar an neuen Wettermodellen, mit denen
man solche Ereignisse zumindest ein bis zwei Stunden vorher erkennen kann.
„Seriöse Vorwarnungen für die Bevölkerung wird es so schnell aber nicht
geben“, so Wache.
„Es ist katastrophal“, sagte der Gemeindebürgermeister von Aurich, Fredy
Fischer, der Nachrichtenagentur dpa zur Lage vor Ort. Die Hilfsbereitschaft
sei aber groß: Es gebe viele Menschen, „die einfach mitanpacken“. Dass
nicht mehr passiert ist, nennt ein Sprecher der örtlichen Feuerwehr „ein
Wunder“. Der Sturm habe Mauerbrocken und Zäune durch die Luft gewirbelt,
Fahrzeuge stürzten um, ganze Hausgiebel wurden weggerissen. Weit mehr als
100 Feuerwehrleute seien die ganze Nacht über im Einsatz gewesen.
Rettungskräfte und Helfer:innen hatten es am Dienstag auch mit
Schaulustigen zu tun.
17 Aug 2021
## LINKS
[1] https://www.wetterwelt.de/
[2] https://www.youtube.com/watch?v=0VrjFvQOsnE
[3] https://www.youtube.com/watch?v=boWfI1JGjJ8
[4] https://www.dwd.de/DE/Home/home_node.html
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Fujita-Skala
[6] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/258853/umfrage/tornados-in-d…
## AUTOREN
Jan Zier
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
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DDR
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