# taz.de -- Schul-Kooperation mit der Bundeswehr: Antreten zum Unterricht | |
> Das Bildungsministerium in Schleswig-Holstein will die Bundeswehr | |
> einfacher in die Schulen lassen. Friedensforscher vermuten eine | |
> Werbeveranstaltung. | |
Bild: Uniform im Klassenzimmer: Ein Oberleutnant in einem baden-württembergisc… | |
Die Bundeswehr soll in Schleswig-Holstein einfacher an Schulen gehen | |
können. Das Image der Truppe ist angekratzt: Hunderte Verdachtsfälle auf | |
Rechtsextremismus. Ausrüstung, die nicht funktioniert. Erniedrigende | |
Aufnahmerituale. Massive Rekrutierungsprobleme. Der Fehlschlag in | |
Afghanistan, der Stillstand in Mali. | |
Da kommt der Bundeswehr die neue Kooperationsvereinbarung mit dem Land | |
Schleswig-Holstein gerade recht. Am 4. August setzten Oberst Axel | |
Schneider, Kommandeur des Landeskommandos Schleswig-Holstein, und | |
Bildungsministerin Karin Prien (CDU) ihre Namen unter den Vertrag. Ihr | |
Ziel: die „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ zwischen Bildungseinrichtungen, | |
insbesondere Schulen, und der Bundeswehr. | |
Neu ist der Einsatz von Jugendoffizieren an Schulen in Schleswig-Holstein | |
nicht. Die Vereinbarung, sagt Prien, stelle ihn jedoch „auf neue Beine“. Es | |
sei „gut, wenn junge Menschen verstehen, welche Rolle die Bundeswehr als | |
Parlamentsarmee hat“. | |
Jugendoffiziere sollen SchülerInnen zur „differenzierten Analyse von | |
sicherheitspolitischen Themen“ befähigen und sie sensibilisieren für „die | |
Entstehung und die Hintergründe internationaler Konflikte“, so steht es im | |
Kooperationsvertrag. Außerdem solle es bei den Schulbesuchen um die Themen | |
Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Krisenbewältigung gehen sowie um | |
die dazu „möglichen oder notwendigen Instrumente der Politik“. | |
Nachwuchswerbung finde dabei nicht statt. | |
## Bundeswehr als Berufsoption | |
Benno Stahn, Sprecher des Kieler Friedensforums, findet das abenteuerlich. | |
„Wir sind entsetzt“, sagt er der taz. „Das kann nicht ohne Proteste | |
bleiben!“ Für den 1. September, den Weltfriedenstag, organisiert er eine | |
Kundgebung in der Kieler Innenstadt, zusammen mit dem DGB. Die Bundeswehr | |
habe an Schulen nichts zu suchen, findet Stahn. „Da geht es doch nicht um | |
Konfliktvermeidung“, sagt er. „Das ist eine reine Werbeveranstaltung.“ | |
„Inhaltlich ist das Ganze natürlich ein bisschen Camouflage“, sagt auch | |
Martin Kahl, Leiter des Forschungsbereichs Gesellschaftlicher Frieden und | |
Innere Sicherheit am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik | |
der Universität Hamburg. „Im Kern geht es der Bundeswehr um die Stärkung | |
ihrer Akzeptanz in der Bevölkerung. Das Pädagogische könnten auch andere | |
leisten.“ | |
Bei der Bundeswehr brenne es an vielen Fronten. „Ihr Rückzug aus | |
Afghanistan bringt sie ja in eine Sinnkrise. Größere internationale | |
Interventionen im Auftrag demokratischer Nationenbildung funktionieren | |
offenbar nicht. Was soll sie also tun? Zurückkehren zur reinen | |
Landesverteidigung? Sich auf kleinere humanitäre Missionen konzentrieren?“ | |
Kahl ist sicher: Ihre Auftritte in Schulen sieht die Bundeswehr auch als | |
Werbeeffekt. „Klar, das läuft nicht mehr so platt ab wie früher“, sagt Ka… | |
der taz. „Man zeigt sich kritikfähig, aufgeklärt. Viele Schüler schreien ja | |
auch nicht gerade hurra dabei.“ Aber indem die Akzeptanz der Bundeswehr in | |
der Gesellschaft steige, überlegten sich vielleicht doch manche, sie als | |
Berufsoption zu sehen. Kahl sagt: „Da wird Politik gemacht.“ | |
Die Vereinbarung, die bis Ende 2025 gilt, mit der Option auf „möglichst | |
lückenlose Weiterführung“, macht auch Besuche bei der Truppe möglich, sowie | |
Fort- und Weiterbildungen von Lehrkräften durch Bundeswehrpersonal. | |
## Kooperationen mit acht Kultusministerien | |
Jeder Schule steht es zwar frei, ob sie die Bundeswehr bucht oder nicht. | |
Astrid Henke, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft | |
(GEW) findet eine Kooperation zwischen Schulen und Bundeswehr jedoch | |
grundsätzlich falsch. „Die politische Bildung in der Schule darf nicht | |
Aufgabe der Bundeswehr sein“, sagt sie. „Das führt geradezu zwangsläufig | |
zur Rechtfertigung von militärisch ausgerichteter Außen- und | |
Sicherheitspolitik im Unterricht.“ Henke setzt auf die zivilen Lehrkräfte. | |
„Die Bundeswehr brauchen wir dafür nicht.“ | |
Das Verteidigungsministerium kann diese Kritik nicht nachvollziehen. Auf | |
taz-Anfrage antwortet eine Sprecherin: Jugendoffiziere seien schon seit | |
über 60 Jahren „wichtige Träger der Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr, | |
vor allem im schulischen Bereich“. Dabei erläuterten sie den „Auftrag und | |
die Aufgaben der Bundeswehr und nehmen Stellung zu militärischen und | |
sicherheitspolitischen Grundsatzfragen im Sinne der Sicherheitspolitik | |
Deutschlands.“ Kooperationen gebe es mit acht Kultusministerien. Das sei | |
ein „gesellschaftspolitisches Signal“. | |
Ein Signal wäre auch, für Gleichbehandlung zu sorgen, findet Henke: Wenn | |
Bundeswehr-Konzepte Unterrichtsstoff seien, dann sollten das auch Konzepte | |
von Friedensorganisationen sein. Zu einer „ausgewogenen Debatte“ gehöre das | |
dazu, findet die Gewerkschafterin. | |
Bleibt die Frage, warum eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ von Schulen | |
und Bundeswehr überhaupt sinnvoll ist. Priens Ministerium, von der taz um | |
Kommentierung gebeten, schweigt. | |
19 Aug 2021 | |
## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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