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# taz.de -- Nach Vorwürfen gegen Münchner Intendanten: Eine Frage der Haltung
> Vom Vorwurf der Vergewaltigung wurde Thomas Pekny freigesprochen. Doch
> viele Theaterleute wollen nicht mehr unter ihm arbeiten.
Bild: Innenraum der Komödie im Bayerischen Hof, München
Nur wenige Stunden nach dem Freispruch des Münchner Intendanten Thomas
Pekny wird die erste Presseerklärung der Komödie im Bayerischen Hof
veröffentlicht. Darin heißt es: Pekny werde „selbstverständlich seine Ämt…
weiterführen. Das betrifft sowohl die Intendanz als auch die
Geschäftsführung.“ Schon vor Beginn des Prozesses, in dem Vorfälle von
Missbrauch verhandelt wurden, stellte sich das Theater „voll hinter ihn“.
Doch nachdem sich mittlerweile mehr als ein Dutzend Theaterschaffende
öffentlich von Pekny distanziert haben, bleibt die Frage: Wer ist dieses
Theater, das „voll hinter ihm“ steht?
[1][Ende Juli stand der 69-Jährige vor dem Landgericht München]. Er soll
2015 und 2016 drei betrunkene Frauen auf dem Oktoberfest angesprochen und
mit in die Proberäume des Theaters genommen haben. Dort soll er sie
missbraucht, fotografiert und gefilmt haben, während sie schliefen. Der
Fall wurde von einer ehemaligen Lebensgefährtin von Pekny ins Rollen
gebracht, als diese Fotos der nackten schlafenden Frauen auf seinem Handy
gefunden hatte. Die Polizei konnte nur eine der drei betroffenen Frauen
ausfindig machen: eine damals 20-jährige Schülerin, die in dieser Nacht
laut rechtsmedizinischem Gutachten eine Blutalkoholkonzentration zwischen
2,8 bis 3,5 Promille hatte. Die heute 25-Jährige sagte vor Gericht aus,
dass die Handlungen ohne ihr Einverständnis stattgefunden haben, Pekny
widersprach. Er habe die Frauen gefragt, ob er „weitermachen“ dürfe, wenn
sie eingeschlafen wären.
Staatsanwältin Laura Wittschurky hatte eine Verurteilung unter anderem
wegen Vergewaltigung zu vier Jahren und drei Monaten Haft gefordert, Peknys
Verteidiger:innen Freispruch. Und so kam es schließlich auch. Richter
Nikolaus Lantz sagte in seiner Urteilsbegründung, es sei eine knappe
Geschichte gewesen. Und weiter: Möglicherweise sei alles „so harmlos“
gewesen, wie Thomas Pekny die Vorfälle beschrieben habe. „Wenn nicht, dann
haben Sie großes Glück gehabt.“
Bis das Urteil der nächsten Instanz vorliegt, gilt Pekny im juristischen
Sinne als unschuldig. Weitermachen wie zuvor, scheint für viele
Theaterschaffende trotz allem nicht möglich. Forderungen nach Peknys
Rücktritt werden immer lauter. Trotz der Gefahr ausbleibenden Engagements
wenden sich nun immer mehr Theaterschaffende an die Öffentlichkeit, unter
ihnen die Schauspielerinnen Simone Rethel, Laura Rauch und Ulla Wagner.
Schauspieler Oliver Geilhardt schrieb bei Facebook: „So gerne ich in
München gespielt habe, auch für mich ist ein Haus unter seiner Leitung
keine Bühne mehr, auf der ich mit gutem Gewissen stehen kann.“
## Keiner kann Pekny kündigen
Einer, der schon kurz nach dem Freispruch klar Stellung bezogen hat, ist
Schauspieler und Regisseur Pascal Breuer („Traumschiff“, „Soko“). Schon
seit Jahrzehnten arbeitet er an der Komödie, lange unter der Leitung Margit
Bönischs und nach ihrem Tod unter Pekny. Im September soll Breuer bei acht
Aufführungen von „Schwiegermutter und andere Bosheiten“ Regie führen und
auch auf der Bühne stehen. Kurz nach dem Urteilsspruch verkündet er bei
Facebook, dass er seine aktuellen Verträge zwar noch ausführen werde, aber
keine weiteren Verträge, weder als Schauspieler noch als Regisseur mit dem
Theater eingehen werde, solange es unter der Leitung von Thomas Pekny
stehe.
Doch das Problem ist: Es gibt niemanden, der eine Kündigung gegenüber Pekny
aussprechen könnte. Laut Handelsregister ist er der alleinige
Gesellschafter der Komödie und hat damit niemanden, der über ihm steht. Da
die Komödie ein Privattheater ist und nicht durch öffentliche Gelder
subventioniert wird, hat niemand mitzureden. Lediglich die Direktorin des
Bayerischen Hofs, Innegrit Volkhardt, könnte ihm den Pachtvertrag kündigen.
Doch sie sagte: „Ich muss Herrn Pekny vertrauen, auch wenn ich die
persönliche Entwicklung sehr bedauere.“
Am Telefon wenige Tage nach dem Freispruch klingt Breuer noch immer wütend.
Er erzählt, dass er gerade auf der Autobahn unterwegs war, als er von dem
Freispruch hörte. „Ich musste erst einmal an den Straßenrand fahren, so
aufgebracht war ich.“ Sofort sei für ihn klar gewesen, öffentlich Stellung
zu beziehen. Denn durch die Presseerklärung, das Theater stehe hinter
Pekny, fühlte er sich instrumentalisiert. Ihm gehe es jedoch nicht darum,
das Urteil des Gerichts in Frage zu stellen, sondern Haltung zu zeigen.
„Angst vor Jobverlust darf meiner Meinung nach kein Beweggrund dafür sein,
Haltung zu zeigen oder nicht“, sagt Breuer. Und weiter: „Dass Pekny gesagt
hat, das, was er gemacht hat, sei „Kunst“, ist ein Schlag ins Gesicht für
alle Betroffenen.“
Breuer bekam für seinen Post bei Facebook viel Zuspruch aus der Branche.
Schauspieler:innen der Komödie gratulierten ihm. Der Intendant des
Theaters Trier, Manfred Langner, kündigte an, nicht mehr mit Pekny als
Theaterdirektor oder Bühnenbildner zusammenzuarbeiten und bot Breuer an,
dass man wegen zukünftigen Engagements ins Gespräch kommen könne. Und auch
Martin Wölfer, der Leiter der Komödie am Kurfürstendamm im Schiller
Theater, hat sich solidarisch mit Breuer gezeigt. Doch nicht alle
Kommentare sind so wohlwollend, in einem ist von einer „Hasskampagne“ gegen
Pekny die Rede. Darauf angesprochen widerspricht Breuer dem Vorwurf. Ihm
ginge es nicht darum, eine Person zerstören zu wollen. Er sagt: „Ich wollte
auch ein Statement setzen, für alle Frauen und Männer, die von so etwas
betroffen sind.“
## Ein neuer Anstoß für die #MeToo-Debatte
So sieht es auch die Schauspielerin Mia Geese, die ebenfalls ab September
im Stück „Schwiegermutter und andere Bosheiten“ zu sehen sein wird. Auch
sie hat sich öffentlich distanziert und sagt gegenüber der taz: „Das
Theater, das zum großen Teil von Frauen geführt wurde, ist eine tolle
Institution und ein wichtiger Arbeitgeber für so viele Theaterschaffende.
Aber ich kann keinen weiteren Vertrag unterschreiben, auf dem Peknys Name
steht.“ Breuer und Geese wollen beide ihre bestehenden Verträge ausführen,
und auch das Theater teilte der taz mit, dass die aktuellen Arbeitsverträge
nicht aufgekündigt werden.
Für Geese ist die Angelegenheit auch nicht nur eine, die sich um eine
einzelne Person dreht: „Dieser Fall ist vielleicht auch ein neuer Anstoß
für die #MeToo-Debatte, welche neben den staatlichen Theatern so langsam
auch die Privattheaterbranche erreicht. Es gibt einige Hierarchien, die
aufgebrochen, und Sexismen, die angesprochen und aus der Branche verbannt
werden müssten.“
Pekny selbst scheint von den öffentlichen Distanzierungen enttäuscht zu
sein. Gegenüber der taz sagt er: „Wer der Auffassung ist, er müsse ein
gerichtliches Urteil – ob Frei- oder Schuldspruch – nochmal sanktionieren,
soll tun, was er denkt. Da ich selber vieles hinterfrage, hätte ich ein
persönliches Gespräch, bei so langjährigen Weggefährten, einer öffentlichen
Diffamierung vorgezogen.“ Er bezieht sich dabei auf den Facebook Post von
Breuer.
Gegenüber der Münchner Abendzeitung hatte Pekny Maßnahmen für die Komödie
angekündigt. Die Firmenstruktur soll verändert und Hierarchien aufgebrochen
werden. Auf Nachfrage der taz, wie diese Maßnahmen aussehen sollen, sagt
Pekny: „Ich sondiere Partner- und Teilhaberschaften in erster Linie, um
Schaden vom Haus fernzuhalten, aber auch, weil man in meinem Alter
mittelfristig durchaus über Nachfolge und Arbeitsentlastung nachdenkt. Ich
kann mir gut vorstellen, mich zunächst mal aus dem operativen Geschäft
herauszuziehen, auch um darüber nachzudenken, was eigentlich passiert ist.“
## Ein wirklicher Rückzug?
Ganz so selbstverständlich scheint es also doch nicht zu sein, dass Pekny
weiterhin seine Ämter ausführen wird. Das mag auch daran liegen, dass auf
den Bühnenbildner und Intendanten noch einiges zukommen wird. Das Urteil
des Münchner Landgerichts ist noch nicht rechtskräftig, die
Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt. Zudem sind nach seinem Prozess
neue Anzeigen gegen ihn erhoben worden.
Bis der Fall juristisch abgeschlossen ist, kann es noch einige Zeit dauern.
Ob es dann noch eine Komödie am Bayerischen Hof gibt, der genügend
Schauspieler:innen, Regisseur:innen und Mitarbeiter:innen zur
Verfügung stehen, hängt wohl auch davon ab, ob Pekny sich nun wirklich aus
dem operativen Geschäft zurückzieht.
9 Aug 2021
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## AUTOREN
Carolina Schwarz
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René Pollesch
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