# taz.de -- Kinotipp der Woche: Die Kämpferische | |
> Seinerzeit auch in Deutschland bekannt, würdigt das Kino Arsenal die zu | |
> Unrecht in Vergessenheit geratene Marina Vlady mit einer Werkschau. | |
Bild: Marina Vlady in Jean-Luc Godards „2 ou 3 choses que je sais d’elle“… | |
Paar liebt sich, Paar will heiraten, doch es ist kompliziert. Gleich zwei | |
Mal drehte die französische Schauspielerin Marina Vlady Anfang der 1950er | |
Jahre in Italien zusammen mit Marcello Mastroianni Filme, die auf dieser | |
Grundstruktur aufbauen. Doch „Penne nere“ und „Giorni d’amore“ sind s… | |
unterschiedlich. | |
In „Penne nere“ ist die Grundstruktur Ausgangspunkt für einen halbherzigen | |
Kriegsfilm in Alpenkulisse, in „Giorni d’amore“ inszeniert Giuseppe De | |
Santis die beiden in bunten Bildern als Bauern in Süditalien. Weil das Geld | |
der Familien von Angela und Pasquale nicht für eine Hochzeit reicht, wird | |
den beiden nahegelegt, zum Schein durchzubrennen. Beide Filme zeugen davon, | |
dass allem Neorealismus zum Trotz der Heimatfilm auch im italienischen Kino | |
der Nachkriegszeit nicht weit entfernt war. | |
Auf die konventionellen Anfänge der Schauspielkarriere von Marina Vlady | |
folgten ab den 1960er Jahren außergewöhnlichere Filme. 1963 drehte Marco | |
Ferreri mit ihr in der Hauptrolle die Parabel über „bürgerlich-katholische | |
Bigotterie“ (Programmtext) “Una storia moderna – l’ape regina“. Die R… | |
der Regina, einer jungen Frau aus katholischer Familie, die ihren Mann | |
schon kurz nach der Hochzeit sexuell zu überfordern beginnt, brachte Vlady | |
den Preis als beste Darstellerin in Cannes ein. | |
1967 drehte Jean-Luc Godard mit Vlady „2 ou 3 choses que je sais d’elle“ | |
(„Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß“). Über 30 Jahre lang – bi… | |
die 1990er Jahre hinein – blieb Vlady eine vielbeschäftigte Schauspielerin, | |
wirkte in über 80 Filmen mit. Nun widmet das Arsenal Vlady eine sommerliche | |
Werkschau mit 22 Filmen. | |
Geboren wurde Vlady 1938 in Clichy in der Nähe von Paris als Kind | |
russischer Emigranten, die vor der Oktoberrevolution geflohen waren. Ihr | |
Filmdebüt gibt Vlady mit gerade einmal 11 Jahren in Jean Gehrets „Orage | |
d'été“, der parallel in französischer und italienischer Sprachfassung | |
entstand. Die 1950er und 1960er Jahre hindurch wirkte Vlady Jahr für Jahr | |
in gleich mehreren Filmen mit. | |
1965 wirkte sie an Orson Welles Falstaff-Verfilmung „Campanadas a | |
medianoche“ mit. 1969 drehte sie mit Miklós Jancsó einen Film über | |
kroatische Faschisten „Sirokkó“ (1969) und mit Sergej Jutkewitsch eine | |
Episode aus dem Leben von Anton Tschechow und dessen Liebesgeschichte zu | |
Lydia Misinowa („Sjuschet dlja nebolschogo rasskasa“). | |
Ab Ende der 1960er Jahre begann die Zahl der Produktionen, an denen die | |
Schauspielerin mitwirkte, etwas zu sinken. Grund war unter anderem eine | |
Beziehung, eine späte Ehe mit dem sowjetischen Sänger Wladimir Wyssozki. | |
Einer der bemerkenswertesten Filme, die in dieser Zeit mit Vlady entstehen | |
ist Márta Mészáros’ „Ők ketten“ („Zwei Frauen“). | |
Vlady spielt eine Frau mittleren Alters, seit 20 Jahren verheiratet, die | |
Leiterin eines Frauenwohnheims in der ungarischen Provinz wird. Über ihre | |
Arbeit lernt sie die junge Juli kennen und beginnt, ihre Ehe zu | |
hinterfragen. Mészáros zeigt in einfühlsamen Bildern die Verbundenheit der | |
beiden Frauen und den Reflexionsprozess der Protagonistin. | |
Nach Wyssozkis Tod 1980 steigt die Zahl der Filme wieder deutlich an und | |
die Mitte der 1980er Jahre ist ein zweiter Schwerpunkt ihrer | |
Schauspielkarriere. Wurde erneut zu einer wichtigen Schauspielerin des | |
internationalen Arthousekinos. | |
Sie spielte in Fernando Solanas Film über das Exilleben der Tangolegende | |
Carlos Gardel mit „Tango – El Exilio de Gardel“ (1985), im Regiedebüt von | |
Antonietta De Lillo und Giorgio Magliulo „Una casa in bilico“ (1986) über | |
eine Gruppe älterer Menschen, die eine Erbschaft in einer Wohnung | |
zusammenbringt und wirkt an [1][Maria Knillis Film] „Follow Me“ (1989) über | |
einen tschechischen Philosophieprofessor, der nach dem Prager Frühling | |
seinen Lehrstuhl und seinen Halt verliert und als Gepäckträger auf einem | |
Flughafen im westlichen Ausland arbeitet. | |
Das Arsenal widemet [2][Marina Vlady] nun eine Hommage. Die [3][Werkschau] | |
konnte der Pandemie wegen erst im dritten Anlauf realisiert werden. Nun | |
lädt sie ein zu einer ganzen Reihe von Wiederentdeckungen. | |
31 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Tietke | |
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