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# taz.de -- Humboldt Forum nimmt Betrieb auf: Ein Anlass zum Fremdschämen
> Das Humboldt Forum ist endlich offen fürs Publikum und lockt mit gleich
> sechs Ausstellungen. Kein Grund zum Feiern, meint unsere Kommentatorin.
Bild: Jetzt aber rein in den Kasten: das Humboldt Forum hat geöffnet und wird …
Einerseits stimmt es ja, dass schon alles gesagt ist, nur nicht von jedem
und noch nicht auf diesem Platz. Andererseits kann bei diesem Thema eine
gewisse Redundanz nicht schaden. Das Humboldt Forum ist Mist. Statt Grund
zum Feiern, jetzt wo es in dieser Woche endlich in Betrieb geht, ist es
Anlass zum Fremdschämen.
Seit Neuestem will es ja ein Forum zur kritischen Auseinandersetzung mit
dem deutschen Kolonialismus sein, mit dem das verantwortliche politische
Personal und die Museumsleute die längste Zeit keinerlei Problem hatten.
Lustigerweise ist just der Ort, für den das Humboldt Forum erfunden werden
musste, an den ganzen Schwierigkeiten schuld. Die restaurative
Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses ist selbst ein Akt des
Kolonialismus. Denn dem Wunsch, die preußische Zwingburg samt späterer
barocker Erweiterung wiederzuhaben, war ja der Wunsch vorausgegangen, den
Palast der Republik, die swingende Zwingburg des Staatssozialismus,
abzureißen.
Sinn und Zweck des rekonstruierten Schlosses lag darin, Symbol des Triumphs
im Systemwettbewerb zu sein. Nur füllt die Politik des
Wir-sind-die-Sieger-und-haben-jetzt-das-Sagen leider kein Haus. Und da
keine Parkgarage rein durfte, musste Kultur rein.
## Ein weiteres Mal ein Siegersymbol
Zum Beispiel die Ethnologischen Sammlungen, die im schönen Dahlem ein
beschauliches Leben führten. Als beim Umzug auffiel, dass mit dem
Prachtstücken der Sammlung nicht alles koscher ist, musste das niemanden
wundern. Es musste schon deshalb auffallen, weil über den Sammlungen
plötzlich [1][ein goldenes Kreuz prangt] – und damit man ja versteht, dass
es sich dabei ein weiteres Mal um ein Siegersymbol handelt – samt
umlaufenden, vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. verfassten
Spruchband, das die Unterwerfung aller Menschen (und auch aller Toten!)
unter das Christentum fordert.
Wachen Leuten fiel da notwendigerweise auf, dass auch das christliche
Preußen mit Sklaven gehandelt hatte, bevor es sich als Deutsches
Kaiserreich entschloss, Kolonialmacht zu werden, welchem Umstand die
Sammlungen einen großen Teil ihrer Schätze verdanken.
Tja, wer sich anmaßt, selbst über die Toten noch zu herrschen, muss sich
nicht wundern, wenn sie sich gegen ihn erheben. Er sieht auch keine
Gespenster, sondern ihre Nachfahren, die nicht nur ihre Schädel
zurückfordern, sondern auch [2][Prachtstücke wie die Benin-Bronzen].
## Braucht’s dafür ein Schloss?
Meine Güte, was hätte da Lebendiges entstehen können, an diesem Ort. Was
war da schon Lebendiges entstanden an diesem Ort, bevor die Abrissbagger
kamen.
Was am Humboldt Forum funktionieren wird, das lässt sich leicht
voraussagen, ist das Café. Weil es das in dieser toten Ecke von Berlin ganz
dringend braucht. Aber um ein Café zu haben, braucht’s dafür ein Schloss?
Insofern kann man nur die [3][Coalition of Cultural Workers Against the
Humboldt Forum] unterstützen, die den blöden Kasten einfach abreißen
wollen. Und wüsste man nicht, dass der Wiederaufbau des Palastes der
Republik dieselbe dumme Nostalgie evozieren und in derselben eitlen
Selbstfeier enden würde, an der das Humboldt Forum gerade scheitert, müsste
man unbedingt dem Förderverein Palast der Republik beitreten.
24 Jul 2021
## LINKS
[1] /Ausstellungen-im-Humboldt-Forum-oeffnen/!5782601
[2] /Benin-Kunstwerke-in-Berlin/!5769604
[3] /Eroeffnung-des-Humboldt-Forums/!5781744
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
Schwerpunkt Kunst und Kolonialismus
Humboldt Forum
Berliner Stadtschloss
Postkolonialismus
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Berlin-Mitte
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