| # taz.de -- Expertin über autonome Fähren: „Wasser ist komplexer als Straß… | |
| > Das Projekt Captn plant den Betrieb selbstfahrender, emissionsfreier | |
| > Fähren in Kiel. Koordinatorin Müller-Lupp erklärt, wann es losgehen | |
| > könnte. | |
| Bild: Floating Platform auf der Kieler Förde | |
| taz: Frau Müller-Lupp, wozu braucht Kiel autonome Fähren? | |
| Wiebke Müller-Lupp: Die Förde teilt die Stadt in Ost und West – einige | |
| sehen sie als Trennlinie, wir sehen sie als Weg. Die Initialzündung des | |
| Projekts kam, als die Stadt vor zwei Jahren den Klimanotstand ausgerufen | |
| hatte. Zudem sind die Rahmenbedingungen perfekt, weil wir Wissenschaft und | |
| maritime Industrie vor Ort haben. Die Wirtschaft steht vor einer | |
| Transformation, in Zukunft wird Wertschöpfung nur über Innovation | |
| funktionieren. So soll unser Projekt technische Neuerung und Vorteile für | |
| die Menschen verbinden: Statt mit dem Auto im Stau zu stehen, soll es | |
| möglich sein, mit einer autonomen, emissionsfreien Fähre ans Ziel zu | |
| gelangen. | |
| Sie haben für das Captn-Projekt rund sechs Millionen Euro vom | |
| Bundesverkehrsministerium erhalten. Wie weit reicht das? | |
| Wir können damit einen 18 Meter langen Versuchsträger bauen und die | |
| autonomen Bewegungen auf dem Wasser testen. Parallel werden wir die | |
| aktuellen Fähren der Fördeschifffahrt mit Sensoren ausstatten, um Daten zu | |
| sammeln. Die KI muss schließlich lernen, ob ihr ein Paddler oder ein | |
| Baumstamm entgegenkommt. | |
| Wie könnte das Projekt den städtischen Verkehr verändern? | |
| Ich stelle mir eine Fährenflotte in verschiedenen Größen vor. Die kleinen | |
| könnte jeder rufen, um zur Arbeit, zum Strand oder in die Schule zu fahren. | |
| Größere könnten die Pendlerströme zur Hochschule oder zu den großen Firmen | |
| aufnehmen, in Kombination mit Bus und Bahn. Diese Logistik ist für die | |
| Wissenschaft interessant, während die Unternehmen technisch auf die Sache | |
| schauen. | |
| Was ist schwerer: die Technik zu entwickeln oder die Leute davon zu | |
| überzeugen? | |
| Beides ist anspruchsvoll. Autonomes Fahren auf dem Wasser ist schwieriger | |
| als auf der Straße, denn ein Wagen kann anhalten, aber ein Schiff bleibt | |
| Wind und Wellen ausgeliefert. Kiel ist sozusagen das Premium-Segment an | |
| Herausforderung, weil hier auf einer Bundeswasserstraße offene See und | |
| Freizeitboote auf engem Raum zusammenkommen. Wenn es auf der Kieler Förde | |
| gelingt, klappt es überall. Aber bis es wirklich so weit ist, nutzen wir | |
| die Zeit, um die Menschen zu informieren und Vertrauen aufzubauen. Daher | |
| ist auch das Design der Fähren, das von Studierenden der | |
| Muthesius-Kunsthochschule entworfen wurde, so wichtig. In den Kabinen sind | |
| Monitore vorgesehen, auf denen die Fahrgäste sehen können, wie die | |
| Navigation funktioniert oder wie hoch der Akkustand ist. | |
| Stichwort Akku – Captn steht für Clean Autonomous Public Transport Network. | |
| Wie werden die Fähren clean, also emissionsfrei? | |
| Wir werden elektrisch anfangen, aber das Aufladen von Batterien wird nicht | |
| für den regulären Betrieb reichen, daher laufen parallel Forschungen zum | |
| Einsatz von grünem Wasserstoff. Dazu sind wir auch im Austausch mit der | |
| Wasserschutzpolizei und Marine, die ebenfalls überlegen, wie sie künftig | |
| ihre Boote antreiben. | |
| Und wann könnte die erste Fähre fahren? | |
| Die Frage habe ich befürchtet… Im Gespräch ist, in zwei Jahren autonome | |
| Fahrten auf Straßen zuzulassen, aber wie gesagt, Wasser ist komplexer. | |
| Vielleicht starten die ersten Fähren 2030. Wichtig bleibt auch die | |
| Finanzierung. Der Bau der Prototypen ist natürlich teuer, dazu brauchen wir | |
| öffentliche Förderung. | |
| Wenn es klappt, könnte die Technik anderswo eingesetzt werden? | |
| Auch wenn die Kieler Förde das Schaufenster ist, die Wissenschaftler und | |
| die Unternehmen agieren weltweit. Das Ziel ist, von Kiel in den Weltmarkt | |
| zu kommen, am besten mit einem System, von der Ladesäule über die | |
| Steuertechnik bis zur Fähre. Wir kriegen bereits internationale Anfragen, | |
| und ich würde gern zusagen, kann es aber nicht, allein weil es schwer ist, | |
| von einem geförderten Projekt zu einem wirtschaftlich nutzbaren zu kommen. | |
| Daran arbeiten wir gerade. | |
| 29 Jun 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Esther Geißlinger | |
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