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# taz.de -- Unkompliziertes Impfen in Berlin: Schlange stehen für die Spritze
> Nicht nur der Erfolg des „Pop-up-Impfens“ auf dem Neuköllner Hermannplatz
> zeigt: Kommt der Impfstoff zu den Menschen, sind diese auch dafür bereit.
Bild: Früher testen, jetzt impfen: Ein ehemaliger Testcontainer dient als Impf…
Berlin taz | Es ist eng und heiß auf dem Hermannplatz am Freitagvormittag
um kurz vor zehn. Die Menschen stehen geduldig in einer Schlange, die sich
einmal quer über den Platz windet. Sie stehen dicht, 1,5 Meter Abstand sind
kaum einzuhalten. Über 200 Menschen sind da, um sich impfen zu lassen – das
Angebot des Neuköllner Bezirksamts ist offen für alle, ohne Termin, dafür
mit Warten verbunden.
Einige sind umsonst gekommen: Ein Ordner schickt um kurz vor 11 Uhr die
letzten der Schlange weg und hängt einen handgeschriebenen Zettel an einen
Gitterwagen des Wochenmarkts: „Ab hier nicht mehr anstellen!“ 120 Menschen
kommen jetzt erst einmal dran, für den Nachmittag wird Impfstoff
aufgehoben.
Seit 8.30 Uhr warten die Ersten hier. 250 Impfdosen hat das mobile Impfteam
dabei, 200 mal Moderna, 50 mal Johnson & Johnson. Es ist eine der ersten
Aktionen in Berlin, bei der man sich so einfach impfen lassen kann. Damit
will der Bezirk vor allem Menschen aus „prekären Verhältnissen“ erreichen,
so Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU). Mit den
[1][Schwerpunktimpfungen] wie zum Beispiel in der Köllnischen Heide habe
man das noch nicht geschafft.
Am Hermannplatz, über den Tag und Nacht Menschen wuseln, soll das gelingen.
Tatsächlich ergibt sich hier das gegenteilige Problem: „Wir haben nicht mit
diesem Andrang gerechnet“, sagt Liecke. Er habe 100 bis 150 Menschen
erwartet – angesichts der Schlange eine eindeutige Fehleinschätzung.
## Flexibilität der entscheidende Anreiz
Der Andrang zeigt: Das Interesse ist da, die Bürokratie hemmt. Einige haben
im Impfzentrum keine Termine bekommen. Auch wenn es am Freitag online viele
kurzfristige Slots gibt, sind sie offenbar nachhaltig abgeschreckt. Andere
sind nicht krankenversichert oder nicht in Deutschland gemeldet. Wie Rita,
die erst vor kurzem aus Portugal nach Berlin gezogen ist: „Ich habe keine
Wohnung, in der ich mich anmelden kann.“
Für andere ist die Flexibilität der entscheidende Anreiz. Ein Mann, der
seinen Namen nicht nennen möchte, hatte nur an diesem Morgen frei: „Ich hab
einen Job, wo ich meinen Tag nicht planen kann. Ich werde angerufen und
muss los.“ Eigentlich ist es auch schon wieder soweit, aber gleich ist er
dran, er war der zehnte in der Schlange.
Daniel ist gekommen, weil er mit Johnson&Johnson geimpft werden möchte. Da
ist man nach einer Dosis durch, und er will schnell in den [2][Urlaub]. „Es
war klar, dass viele Leute kommen. Ich hätte sogar mit mehr gerechnet.“
Klappt es heute nicht, hat er einen Termin im Impfzentrum – wobei es da
kein Johnson&Johnson gibt.
Das Prozedere zieht sich ein wenig. In einem kleinen Container impft immer
nur ein Arzt, davor findet unter einem Sonnenschirm das Aufklärungsgespräch
statt. Rein aus Zeitgründen könnten bis 17 Uhr nur 150 Menschen geimpft
werden, schätzt ein Mitarbeiter.
Das „Pop-up-Impfen“ (Liecke) oder auch „Impfen to go“ (Gesundheitssenat…
Dilek Kalayci, SPD) ist ein Testlauf, eines von [3][vielen Mitteln], mit
denen der Senat und die Bezirke die Menschen zum Impfen bewegen wollen (s.
Kasten). Doch inzwischen mischen auch private Akteure bei den Impfungen
mit.
## Impfpraxis statt Kaufhof
Wie in den Neuköllner Gropiuspassagen, wo sich hinter Primark eine lange
Menschenschlange gebildet hat. „Gemeinsam gegen Corona. Diagnostikum
Berlin“ heißt es auf einem weißen Banner. Das Diagnostikum ist eigentlich
eine radiologische Praxisgemeinschaft, seit April aber auch Impfpraxis. Der
Impfsitz befindet sich jetzt in den leer stehenden Räumen von Galeria
Kaufhof, seit dieser Woche werden täglich Biontec, AstraZeneca, Moderna
sowie Johnson & Johnson verabreicht. Termine gibt es über das Portal
„doctolib“.
Lange muss man hier auf einen Termin nicht warten. Gabriella und ihre
14-jährige Tochter sitzen nebeneinander im Wartebereich, wo die Geimpften
noch 15 Minuten sitzen, um akute Nebenwirkungen auszuschließen. Auf
Englisch erzählen die beiden, dass es leichter war, hier einen Termin
auszumachen. Nicht einmal einen Tag hätten sie auf die erste Dosis
gewartet.
Einen Sommer voller Freiheiten wollen sich Jamel und Amelia mit der zweiten
Impfung erfüllen: „Wir wollen verreisen, aber auch wieder Freunde sehen und
feiern gehen.“ Vorher hätten sie über fünf Wochen auf den Zweittermin bei
ihrem Hausarzt gewartet. Hier kamen sie schneller dran.
Impfstoff gibt es nach Angaben der Praxis genügend, und die Menge soll
sogar noch aufgestockt werden: „Zur Zeit impfen wir eintausend Dosen pro
Tag. In anderthalb Wochen wollen wir auf 1.500 erhöhen, sodass 10.000
Menschen pro Woche geimpft werden“, sagt Dr. Ehssan Ghadamgahi, einer der
Gründer der Impfpraxis. Etwas Sorgen bereite ihm aber, dass aktuell 10 bis
20 Prozent der Patient:innen ihre Termine wieder absagten. In der
Eröffnungswoche verlief die Schlange zwischen den rot-weißen Sperrpfosten
im Einbahnstraßensystem bis weit vor den Eingang.
Die lange Schlange auf dem Hermannplatz können Land und Bezirk derweil als
Erfolg verbuchen: Die Impfaktion soll es nun jeden Freitag geben, aber auf
dem Platz vor dem Rathaus Neukölln – der ist etwas geräumiger.
16 Jul 2021
## LINKS
[1] /Impfen-in-Berlin/!5778405
[2] /Alarmstimmung-wegen-Coronamutante/!5779021
[3] /Impfmuedigkeit-in-Deutschland/!5784377
## AUTOREN
Svenja Jäger
Cristina Plett
## TAGS
Dilek Kalayci
Schwerpunkt Coronavirus
Neukölln
Berlin-Neukölln
Impfung
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Bundesministerium für Gesundheit
Friedrichshain-Kreuzberg
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