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# taz.de -- Impfen in Berlin: „Ein Piks to go“
> Um weitere Menschen zum Impfen zu bewegen, sollte man es ihnen so leicht
> wie möglich machen, sagt Kinder- und Jugendarzt Steffen Lüder.
Bild: Mai 2021: Impfen in der Revolte Bar durch Steffen Lüder und sein Team
taz: Herr Lüder, wie viele Impfungen gegen Sars-CoV-2 haben Sie schon
durchgeführt?
Steffen Lüder: Rund 1.200. In meiner Praxis in Hohenschönhausen wird jeden
Tag geimpft, wir beteiligen uns auch an mobilen Einsätzen. Wir kommen aus
dieser Scheiß Coronasache nur raus, wenn wir impfen. Das ist sozusagen mein
Beitrag.
Die Bereitschaft, sich Impfen zu lassen, lässt nach. Welche
Bevölkerungsgruppen sind besonders schwer zu erreichen?
Je schlechter man die deutsche Sprache spricht, desto schwieriger ist es.
Oder wenn man in einem Alter ist, wo man mit modernen Kommunikationsgeräten
nicht so umgehen kann. Mit einem normalen Tastentelefon ist das
Terminbuchungsportal der Berliner Impfzentren nicht erreichbar. Ich kenne
viele über 60-Jährige, die noch keinen Impftermin hatten.
Wie könnte man dem Trend entgegenwirken?
Jeder Humanmediziner darf impfen, vom Kinderarzt bis zum Pathologen. 3.000
Berliner Ärzte führen zurzeit Impfungen in ihren Praxen durch. In der Stadt
gibt es aber 10.000 Vertragsärzte und Psychotherapeuten. Wenn mehr Praxen
Impfungen anbieten würden, wäre einiges gewonnen.
Was müsste noch geschehen?
Die Zugänge zur Impfung müssen erleichtert werden. So, wie es jetzt auch
geplant ist: Impfen in Lichtenberg auf dem Parkplatz vor Ikea. Oder so, wie
ich es zusammen mit dem Chef des Roten Kreuzes, Mario Czaja für den 31.
Juli vorhabe. Eine Impfaktion von russischstämmigen religiösen Menschen in
einer russisch-orthodoxen Freikirche in Marzahn. Meine Devise ist, das
Gesundheitssystem muss zu den Menschen kommen, wenn die Menschen nicht zu
ihm kommen.
Was halten Sie davon, Geld oder Gutscheine für Impfungen auszuloben?
Nein! Für die Gesundheit auch noch Geld ausgeben, wer soll denn das
bezahlen? Wir sollten Belobigungen genauso wenig machen wie Bestrafungen.
Denn auch von einem Impfzwang halte ich nichts. Ich bin für den Mittelweg:
Mach es so leicht, wie es geht, sich impfen zu lassen.
Was gäbe es da noch an Möglichkeiten?
Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin Burkhard Ruppert
hat mich gefragt, ob wir nicht eine Impfaktion in der Simon-Dach-Straße
oder am Rosenthaler Platz machen sollten. Klar doch.
In den Kiezen, wo das Partyvolk unterwegs ist?
Genau. Nun nicht gerade gegen Mitternacht, wenn die meisten schon ein paar
Bier intus haben, aber vielleicht von 17 Uhr bis 21 Uhr. Da erreichen wir
die jungen Leute. Sozusagen „Piks to go“. Die wollen nicht in eine
Arztpraxis gehen oder lange auf einen Impftermin warten. Die Erfahrung ist
ja, je jünger, desto geringer ist die Durchimpfungsrate, weil wir noch
nicht so viel Zeit hatten für diese Gruppe.
Wie wäre es mit dem Tempelhofer Feld und den Parks?
Ja, überall da, wo junge Leute sind. Wenn sie sich in der Hasenheide
treffen, dann eben dort. Auch im Strandbad Wannsee könnte man impfen.
Welchen Impfstoff würden Sie für solche Situationen empfehlen?
Logistisch am einfachsten wäre Johnson & Johnson, aber das ist ein
Vektor-Impfstoff wie Astra, da gibt es das gewisse Thromboserisiko. Ob man
einer 20-, 25-jährigen Frau, die raucht und die Pille nimmt, zu Johnson
raten sollte, nur weil es schnell geht, da habe ich meine Zweifel. Fachlich
bin ich der Meinung, diese jungen Frauen sind mit Biontech besser versorgt.
Sie haben eine mobile [1][Impfaktion bereits in der Revolte Bar] im
Samariterkiez in Friedrichshain durchgeführt.
Da haben wir 195 Dosen verimpft. Wir waren da mit drei Ärzten, die die
Leute aufgeklärt haben. Eine Krankenschwester und Mitarbeiterinnen aus
meiner Praxis haben geimpft.
Warum machen Beispiele wie dieses bisher so wenig Schule?
Diese mobilen Impfungen sind schwierig zu organisieren. Man braucht eine
Kühlung für den Impfstoff. Die Frage ist, wo stellt man am Rosenthaler
Platz einen Kühlschrank und das Zelt auf. Und es ist viel Arbeit für
kleines Geld. In den Impfzentren werden 150 bis 200 Euro für eine einzige
Impfung verballert, in den Praxen bekommt man 20 Euro. Die Bereitschaft,
sich ehrenamtlich zu engagieren, hat irgendwann eine Grenze.
Worauf wollen Sie hinaus?
Das ganze Praxisteam muss bei so einer Aktion mitziehen, und das mitten in
den Sommerferien. Wenn man schon seine Freizeit dafür aufbringt, sollte es
entlohnt sein. Der Parkplatz von Ikea ist nicht der schönste Ort für die
Urlaubszeit. Da ist das Tempelhofer Feld noch besser.
15 Jul 2021
## LINKS
[1] /Impfaktion-im-Berliner-Samariterkiez/!5776771
## AUTOREN
Plutonia Plarre
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Parks
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