| # taz.de -- Neues Album von Pan Daijing: Irgendwie ganz schön verstörend | |
| > David-Lynch-artige Noisemusik für schönste Beklemmungen: Das neue Album | |
| > „Jade“ von Pan Daijing entwickelt klaustrophobische Wirkung. | |
| Bild: Wie Bilder aus einem Psychohorrorfilm: Pan Daijing auf dem „Jade“-Cov… | |
| Synthieschwaden, die klingen wie ein Hornissenschwarm. Ein geisterhafter | |
| Gesang hebt an, dazwischen ein Fiepen, das fast physisch weh tut. Man | |
| stellt sich dazu fast zwangsläufig Bilder aus einem Psychohorrorfilm vor, | |
| den man sich abends lieber nicht alleine anschauen möchte. | |
| So ungefähr ist die Stimmungslage in der Nummer “Metal“ aus dem neuen Album | |
| der in Berlin lebenden Künstlerin und Musikerin Pan Daijing mit dem Titel | |
| “Jade“. Man kann natürlich einfach nur das Album von vorne bis hinten | |
| durchhören, um dann festzustellen: klingt in der Gesamtheit irgendwie ganz | |
| schön verstörend. Aber da Pan Daijing für jeden der Tracks auf der Platte | |
| ganz unterschiedliche Stilmittel ausgeheckt hat, um ihre insgesamt extrem | |
| klaustrophobische Wirkung zu erzeugen, muss man diese schon auch einzeln | |
| sezieren, um die Wirkmechanismen so im Detail besser verstehen zu können. | |
| Da ist etwa dieser schnarrende Ton eines Kontrabasses in “Dictee“, | |
| begleitet von einer Art Klagegesang. Das ist effektvoller Minimalismus | |
| total. Am Ende kommen in dem Stück noch diese schabenden Geräusche, und | |
| dann verweht das Ganze im Nichts. Oder aber “Let“ mit seinem pianoartigen | |
| Geklimper, hier begleitet von einem Sprechgesang: irgendwann pulst das | |
| Stück vor sich hin. Man muss die Nummer gleich noch einmal hören, um | |
| genauer nachvollziehen zu können, wie und ab wann denn nun aus einem | |
| Klimpern ein Pulsieren wurde. | |
| Bereits Pan Daijings erste Platte für das in Berlin ansässige | |
| Experimental-Label Pan vor vier Jahren war ein echter Hit der postmodernen | |
| Noise-Musik. Die junge Musikerin aus Guiyang, einer Stadt im Südwesten | |
| Chinas, in der fast fünf Millionen Menschen leben und von der man hier | |
| vorher wahrscheinlich trotzdem noch nie gehört hatte, legte mit “Lack“ ein | |
| [1][düster dräuendes Meisterwerk vor]. Beeindruckend überführte sie hier | |
| den klassischen ultrarohen Industrialsound der frühen Achtziger in eine Art | |
| Kunstmusik der Gegenwart. Trotz der Rückgriffe war hier nichts retro, | |
| sondern alles absolut zeitgemäß. Akustischer Soundterror, der eine | |
| Schönheit wie ein bunter Schmetterling entfaltete. Schillernd und nicht nur | |
| grau wie im Proto-Industrial. | |
| Es folgten Auftragsarbeiten für Kunstinstitutionen und Pan Daijing machte | |
| sich einen Namen als Performance-Artist. Weil nach der Platte so viel | |
| passierte in ihrer Karriere, brauchte es nun wahrscheinlich auch die langen | |
| vier Jahre, um mit einem neuen Album nachzulegen. | |
| Ihren Ansatz, elektronisch generierte Klangirritationen mit Elektro-Akustik | |
| und gerne stark verfremdetem Gesang zu amalgamisieren, hat sie fort- und | |
| weiterentwickelt. Ihre Musik ist nun vielleicht sogar noch ein Stück weit | |
| David-Lynch-artiger als vorher. Man verliert beim Hören erst recht den | |
| Boden unter den Füßen. Nirgendwo findet man Halt, es gibt keine Beats oder | |
| sonst etwas Repetitives. Höchstens mal einen Moment lang dieses bereits | |
| erwähnte Pulsieren. Aber das verschwindet ja so unvermittelt wieder, wie es | |
| gekommen ist. | |
| “Jade“ generiert einen Strudel aus ständig anders verwirrenden Klängen, m… | |
| gerät in ein Labyrinth, aus dem man keinen Ausweg findet. Die Musik ist | |
| extrem, sie ist cinematographisch und für allerlei Assoziationen, die eher | |
| in die dunklen Seiten der menschlichen Psyche führen, offen. Wenn man so | |
| will, ist “Jade“ ein Lockdown-Album par excellence. Man hört es, jetzt, wo | |
| die Pandemie und ihre Schrecken gerade kaum noch fassbar sind. Und erinnert | |
| sich daran, wie es war, als man eingeschlossen in der eigenen Bude saß und | |
| eine diffuse Angst vor dem hatte, was da vielleicht noch kommen wird. | |
| Es sei gewarnt: diese Platte kann einen in einen Zustand der Beklemmung | |
| (rück-)versetzen. Aber wer glaubt, damit umgehen zu können, macht eine | |
| Hörerfahrung, wie sie einem nur ganz selten vergönnt ist. | |
| 11 Jul 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
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