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# taz.de -- Elektrizitätskrise in Irak: 50 Grad im Schatten und kein Strom
> In Irak leiden die Menschen unter einer Elektrizitätskrise. Dabei wurden
> die Kapazitäten der E-Werke in den vergangenen Jahren ausgebaut.
Bild: Menschen suchen Abkühlung vor Ventilatoren auf einem Markt in Bagdad
Kairo taz | Mal stelle sich vor, es sind über 50 Grad Celsius im Schatten.
Es gibt keinen Strom und kein Ventilator, kein Kühlschrank, keine
Wasserpumpe und keine Klimaanlage funktioniert. Das ist die Hölle des
gegenwärtigen Hochsommers in Irak. Das Land erlebt in diesen Wochen zum
wiederholten Male eine Elektrizitätskrise. „Wir wollen einfach nur Strom“,
rufen wutentbrannte Menschen, die Anfang des Monats ein Elektrizitätswerk
in der südirakischen Stadt Basra stürmten. Sie machen [1][Korruption und
Misswirtschaft der Regierung] und der Verwaltung für die Stromkrise
verantwortlich.
In Basra ist die Lage besonders dramatisch. „Heute gibt es schon den ganzen
Tag keinen Strom und es sind um die 50 Grad. Unter diesen Umständen kann
man nicht einmal zur Arbeit gehen“, beschwert sich einer der Einwohner der
Stadt im irakischen Fernsehsender Marbad TV. „Es gibt weder Strom noch
Gerechtigkeit“, moniert ein anderer alter Mann. „Gestern habe ich den
Generator siebenmal angeschmissen. An, aus, an, aus. Jede Stunde. Der Strom
flackert wie eine Weihnachtsbeleuchtung“, beschreibt ein Weiterer die Lage.
Andere erzählen, sie würden ihre Kinder sogar im klimatisierten Auto
herumfahren, um die Familie wenigstens für eine begrenzte Zeit abzukühlen.
Nicht nur in Basra, überall im Land knattern die Stromgeneratoren, die
meist allerdings nur Strom für Licht sowie für die nötigsten
Haushaltsgeräte produzieren. Die Kosten müssen die Iraker extra begleichen.
Außerdem überhitzen die Generatoren schnell; oft geht auch einfach der
Treibstoff aus. Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung schätzt, dass die
Iraker jährlich rund vier Milliarden US-Dollar für private Generatoren
ausgeben.
Nach dem Sturm des Elektrizitätswerks in Basra, das kurz darauf von
irakischen Sicherheitskräften geräumt wurde und seitdem von Spezialtruppen
bewacht wird, meldete sich Iraks Regierungschef Mustafa al-Kadhemi zu Wort.
Er forderte die Menschen auf, geduldig zu sein: „Wir leben seit 17 Jahren
im Chaos. Seit 17 Jahren gibt es diesen korrupten Stromsektor. 17 Jahre
lang wurde das Geld dort verschwendet. Diese Regierung ist gerade einmal
ein Jahr im Amt und kann das Problem nicht über Nacht lösen“, erklärte er.
## Wo landete das Geld?
Tatsächlich hat die irakische Elektrizitätskrise viele Väter. Das wohl
größte Problem: Die Technik ist hoffnungslos veraltet und überlastet. 68
Milliarden Euro soll der irakische Staat seit 2005 für den Unterhalt und
die Verbesserung des Stromsektors ausgegeben haben, hat ein
parlamentarischer Untersuchungsausschuss Ende letzten Jahres herausgefunden
– was die Frage aufwirft, wofür dieses Geld genau ausgegeben wurde
beziehungsweise in welchen Taschen es verschwunden ist.
Sicher ist indes, dass in Irak die Nachfrage nach Strom das Angebot bei
Weitem übersteigt. Das Problem liegt aber weniger bei den
Elektrizitätswerken, deren Kapazitäten in den letzten Jahren tatsächlich
ausgebaut wurden. Das eigentliche Problem ist das Stromnetz. Fast die
Hälfte des produzierten Stroms geht zwischen Elektrizitätswerk und den
Haushalten im Stromnetz verloren. Zum Vergleich: In Deutschland gehen rund
vier Prozent des Stroms im Netz verloren; weltweit sind es im Schnitt acht
Prozent, wie aus einer Vergleichsstudie der Weltbank hervorgeht.
Dazu kommen Sabotageakte. Einige versprengte Zellen der Terrororganisation
„Islamischer Staat“ (IS) wollen den irakischen Staat an seiner
Achillesferse treffen. Über 70 Starkstrommasten wurden in die Luft gejagt.
Eine der Hauptlinien nach Kirkuk war dadurch zeitweise unterbrochen.
## US-Sanktionen erschweren Geschäfte mit Iran
Und schließlich ist da noch das wohl größte akute Problem: Der Nachbarstaat
Iran exportiert einen Teil seines Stromes nach Irak und es ist iranisches
Gas, das einen Teil der irakischen Stromturbinen am Laufen hält. Insgesamt
sind der iranische Treibstoff und die direkten iranischen Stromlieferungen
für ein Drittel des irakischen Strom-Outputs verantwortlich. Doch Iran hat
nun seine Lieferungen gedrosselt, da sich die irakischen Zahlungen immer
wieder verzögert haben.
Einer der Gründe hierfür sind die [2][US-amerikanischen
Wirtschaftssanktionen gegen Iran]. Bagdad darf Teheran aufgrund der
Strafmaßnahmen nicht direkt für den Treibstoff bezahlen. Stattdessen werden
Tauschgeschäfte betrieben, wobei es Irak auch hier aufgrund der Sanktionen
nur erlaubt ist, bestimmte Waren nach Iran zu verkaufen, zum Beispiel
medizinische Güter. In einem Fall hat Irak für Iran Covid-19-Impfstoffe
gekauft, um sie dann gegen iranischen Treibstoff für seine
Elektrizitätswerke einzutauschen.
15 Jul 2021
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## AUTOREN
Karim El-Gawhary
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