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# taz.de -- Invasiver Kugelfisch im Mittelmeer: Kopfgeld per Präsidialdekret
> Tayyip Erdoğan hat es auf einen Fisch abgesehen, der sich vor den Küsten
> der Türkei bequem gemacht hat. Dabei ist das Tier eigentlich ganz schön.
Bild: Ein Feind des türkischen Präsidenten: Der Hasenkopf-Kugelfisch
Eigentlich ist der Hasenkopf-Kugelfisch (Lagocephalus scleratus) eine recht
hübsche Erscheinung. Das stachelige, silbern glänzende Tier weist eine
Menge Punkte im oberen Bereich des Körpers auf und kann bis zu zehn Jahre
alt und einem Meter lang werden. Aber wehe, das Tier fühlt sich bedroht:
Dann schluckt der Fisch große Mengen Wasser und pumpt sich zur Kugel auf,
erscheint damit viel größer als er ist, und verleidet Fressfeinden den
Appetit.
Wird er dennoch verschluckt, erwartet den Esser eine böse Nachspeise: Das
starkes Nervengift Tetrodotoxin, das der Kugelfisch enthält, lähmt die
Nervensysteme und kann im schlimmsten Fall auch beim Menschen zum Tod
führen. Fang und Verzehr von Kugelfischen sind in der Türkei, Griechenland
und auf Zypern deshalb verboten. Nur in Japan beherrschen besonders
ausgebildete Fugu-Köche die Kunst der Zubereitung von Kugelfischen, zudem
enthalten die dort in Aquakulturen gezüchteten Tiere weniger Giftstoffe.
Der Fisch gilt als sehr schmackhaft und nahezu grätenfrei.
Selbst frisst der Fisch so ziemlich alles, was sich bewegt und dem Menschen
teuer ist: andere Fische, Tintenfische, Krabben, Shrimps, Oktopus. Und
deshalb ist im östlichen Mittelmeer jetzt die Jagd auf den
Hasenkopf-Kugelfisch eröffnet. Fünf türkische Lira – umgerechnet 50 Cent �…
hoch ist die per Präsidialdekret angeordnete Kopfpauschale, die die
türkische Regierung ab Juli Fischern für jeden abgelieferten Kugelfisch
ausgelobt hat. Eine halbe Million der Tiere will man so bis Ende 2023 aus
dem Meer ziehen.
## Der Fisch ist für die Misere nicht verantwortlich
Tatsächlich ist der Kugelfisch im östlichen Mittelmeer zum Problem
geworden, denn er dezimiert, ähnlich wie der ebenfalls [1][invasive
Rotfeuerfisch], andere Arten und hat selbst kaum natürliche Gegner. Und
eigentlich gehört er dort auch gar nicht hin: Die Art ist unter anderem im
Roten Meer heimisch, das Mittelmeer erreichte sie über den Suez-Kanal. Den
gibt es schon seit 1869, der Kugelfisch trat im Mittelmeer aber erst im
Jahr 2003 erstmals in Erscheinung. Inzwischen ist er schon in Spanien
gesichtet worden. Seine Wanderung nach Norden ist daher auch eine Folge des
Klimawandels und der Erwärmung dieses Gewässers um etwa 0,75 Grad Celsius.
Im östlichen Mittelmeer macht das sich ausbreitende Tier nicht nur den
Fischern die Arbeit schwer. Für die war er bisher wertlos, und zerbeißt mit
seinen vier scharfen Zähnen – daher sein Name Hasenkopf-Kugelfisch – die
Netze. Außerdem bedient er sich am Fang, noch ehe dieser gelandet werden
kann. [2][Vor allem aber zerstört er das Meereshabitat, das ohnehin schon
an chronischer Überfischung leidet.]
Weniger Sorgen müssen sich dagegen badende Touristen im Mittelmeer machen,
trotz mancher Horrorberichte. Der Kugelfisch mag keine Badegäste, ist
äußerst scheu und lebt bevorzugt in tieferen Gewässern. Dafür, dass er so
verhasst ist, kann das Tier nichts. Es schwimmt einfach im falschen Meer –
und dafür ist schließlich der Mensch verantwortlich.
11 Jul 2021
## LINKS
[1] /Kolumne-Nebensachen-aus-Santo-Domingo/!5079192
[2] /Corona-und-die-Fischbestaende/!5683774
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
## TAGS
Mittelmeer
Recep Tayyip Erdoğan
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Fischerei
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