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# taz.de -- Illegaler Müllberg bei Hamburg: Er wächst und wächst
> In Norderstedt sorgt ein illegaler Müllberg für Streit. Der Verursacher
> ist abgetaucht, während Stadt und Land weiter um die Zuständigkeit
> streiten.
Bild: Hässlich und möglichweise auch giftig. So ganz genau weiß nämlich kei…
Hamburg taz | Schon seit zwei Jahren beschäftigt ein unnatürlicher Berg
Norderstedts Politik und Verwaltung. Auf dem Gelände eines
Containerdienst-Unternehmens türmt sich ein Haufen aus teils giftigem Müll,
der dringend abgetragen werden soll. „Dass der Berg weg muss, darüber sind
wir uns einig“, sagt Norderstedts Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder
(SPD). Doch weil sich die Stadt und die zuständige Landesbehörde uneins
sind, wer die Arbeit machen soll – und darf –, passiert seither: nichts.
Stattdessen wächst der Berg sogar noch weiter.
Rund 15 Meter breit und 40 Meter lang ist der Berg mittlerweile; an manchen
Stellen ragen Bauschutt, Plastikabfälle, Gipsplatten und Fässer mit
Warnungen vor ätzenden Stoffen sechs Meter in die Höhe. Insgesamt handelt
es sich wohl um ein Volumen von mittlerweile bis zu 30.000 Kubikmetern.
Ein Containerdienst hatte die Genehmigung, auf einem Grundstück im
Gewerbegebiet Friedrichsgabe bestimmte Abfälle zwischenzulagern und zu
sortieren. „Verwertet werden die Abfälle nach den Regeln und Vorschriften
des Kreislaufwirtschaftsgesetzes“, warb das Unternehmen in den 1990ern mal
im Hamburger Abendblatt. Höchstens zwölf Monate durfte der Müll auf dem
Grundstück zwischengelagert werden.
Die erlaubte Lagermenge liegt laut dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt
und ländliche Räume (LLUR) bei höchstens 2.900 Tonnen – der Großteil davon
ist für Bauschutt vorgesehen, ein Teil für mineralische Abfälle. Aber das
tatsächliche Volumen des Bergs überschreitet die erlaubten 2.900 Tonnen um
ein Vielfaches. Unbemerkt wuchs der Berg über Jahre hinweg immer weiter.
## Gelände in Privatbesitz
2019 fiel der örtlichen CDU der Berg auf, der zwischen einem
Autorecyclinghof und einer Fleischfabrik liegt. Seither fordern die
Stadtratsfraktionen von CDU bis Linken die Bürgermeisterin auf, endlich
etwas gegen den Müll zu unternehmen. Doch dem stünden rechtliche Vorgaben
entgegen. „Wir sind nicht diejenigen, die das Recht haben zu handeln“, sagt
Roeder. Das Gelände ist seit Jahrzehnten im Privatbesitz des
Containerdienst-Unternehmens.
Doch von dessen Chef fehlt jede Spur, der Betrieb ist längst eingestellt.
Selbst die Staatsanwaltschaft weiß nicht, wo sich der Unternehmer aufhält.
Und laut dem Hamburger Abendblatt hätten auch die Nachbarn seines
Privatwohnsitzes ihn seit langer Zeit nicht mehr gesehen. Die Stadt könne
also nicht einfach die Abräumarbeiten selbst durchführen. Stattdessen sei
das die Aufgabe des LLUR.
Doch dort versteht man sich als höchstens teilweise zuständig. Das LLUR
müsste als überwachende Behörde erst handeln, wenn eine unmittelbare Gefahr
von den gelagerten Stoffen ausginge. Das ist offenbar nicht der Fall. Eine
über Monate hinweg durchgeführte Grundwasseruntersuchung im vergangenen
Jahr habe Entwarnung gegeben, teilt das Landesamt mit. Das Grundwasser sei
durch den Müll nicht in Gefahr.
Die Linksfraktion hält die Untersuchung allerdings für kaum aussagekräftig,
da es nur eine oberflächliche Analyse gewesen sei. „Was unter den oberen
Schichten des Dreckhaufens noch so alles schlummert, kann gar nicht sicher
benannt werden“, sagt Christine Bilger, Stadtvertreterin der Linken.
Offenbar ist der Berg sogar in den vergangenen Monaten noch weiter
gewachsen. Die Linksfraktion hat aktuelle Drohnenbilder mit älteren Fotos
verglichen. „Das sind eindeutige Hinweise, dass der unkontrollierte
Müllberg zur weiteren illegalen Müllentsorgung durch,Trittbrettfahrer’
genutzt wird“, analysiert die Linke anhand der Luftbilder.
## Teilräumung reicht nicht
Das dem LLUR übergeordnete Schleswig-Holsteinische Umweltministerium hatte
zwischenzeitlich erklärt, es wolle die krebserregenden Fasern entfernen
lassen. „Die Vorwürfe der Untätigkeit sind insofern unzutreffend“, teilt
der Kieler Umweltstaatssekretär Tobias Goldschmidt mit. Das sieht
allerdings der Naturschutzverband BUND anders: Wenn nur Teile des Mülls
herausgeholt werden, würden weitere giftige Substanzen freigelegt und damit
eine zusätzliche Umweltbelastung in Gang gesetzt.
Dabei ist die Entsorgung auch eine Kostenfrage: Mehr als eine Millionen
Euro müssten wohl aufgewendet werden. Die Grünen fordern, dass die Stadt
nun zügig selbst in Aktion tritt. Hinterher könne sie sich die Kosten vom
Land, genauer gesagt vom grünen Umweltminister Jan Philipp Albrecht,
zurückerstatten lassen. Das sieht auch die Linke so: „Es ist schlicht nicht
hinnehmbar, dass eine weitere Gefährdung in Kauf genommen wird, nur um
einen Machtkampf mit dem Land fortzusetzen, der bisher zu absolut nichts
geführt hat“, sagt der ebenfalls für die Linksfraktion in Norderstedt
tätige Miro Berbig.
Doch ein Eingriff scheint rechtlich kaum durchsetzbar. Eine
Zwangsenteignung des Geländes durch die Stadt ist erst legal, wenn der
bisherige Besitzer wieder auftaucht – was kaum jemand in Norderstedt
erwartet.
9 Jul 2021
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Müll
Schleswig-Holstein
Hamburg
Umwelt
IG
Kreislaufwirtschaft
Müll
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