# taz.de -- Bericht von Interpol zu Plastikabfällen: Die Müllmafia boomt | |
> Seit China seine Grenzen für Plastikmüll dicht gemacht hat, wird er auf | |
> illegalen Kanälen entsorgt. Der meiste Abfall kommt aus Europa. | |
Bild: Das ist Deutschland: Jägerzäune und sehr viel Plastikmüll | |
BERLIN taz | Der illegale Handel mit Plastikmüll ist weltweit alarmierend | |
angestiegen. Das zeigt ein Bericht, den Interpol am Donnerstag | |
veröffentlicht hat. Demnach haben illegale Mülltransporte beträchtlich | |
zugenommen, seit China Anfang 2018 seine Grenzen für minderwertige Abfälle | |
geschlossen hat. [1][Seitdem würden die Abfallströme nach Südostasien] | |
umgeleitet, dort illegal verbrannt oder in verbotene Deponien gekippt. | |
Dabei gibt es einen „Zusammenhang zwischen kriminellen Netzwerken und der | |
legalen Abfallwirtschaft“, schreiben die Ermittler in ihrem Bericht. Die | |
Müllmafia nutzt demnach legale Unternehmen, um Dokumente zu fälschen oder | |
bei der Registrierung von Abfallmengen zu betrügen. | |
Für die Länder, in die illegal Plastikmüll importiert wird, sind die Folgen | |
dramatisch. In Vietnam werden demnach 88 Prozent des Mülls nicht | |
fachgerecht entsorgt. [2][In Indien und Indonesien liegt der Anteil ähnlich | |
hoch]. Der Import-Müll verschmutzt dort die Umwelt. | |
Interpol hat öffentlich zugängliche Quellen und kriminalpolizeiliche | |
Ermittlungen in 40 Ländern ausgewertet, unter anderem auch in Deutschland. | |
Explizit erwähnt wird die Bundesrepublik nicht; allerdings sei sie | |
„weltweit der drittgrößte Exporteur von Plastikmüll“, sagt Bernhard Baus… | |
Projektkoordinator Plastikmüll beim WWF Deutschland, „das macht auch uns zu | |
einem Treiber der kriminellen Machenschaften in Südostasien“. Europa | |
scheint „der wichtigste regionale Exporteur auf dem globalen | |
Kunststoffabfallmarkt zu sein“, heißt es in dem Interpol-Bericht, „die | |
Mehrheit von 65 Prozent aller gemeldeten Exporte stammen aus Europa und | |
sind sowohl für seine eigenen, als auch für die Märkte insbesondere in | |
Asien bestimmt.“ | |
## Für Recycling-Rohstoffe gibt es keinen Markt | |
Peter Kurth, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen | |
Entsorgungswirtschaft, vertritt die Interessen der Branche, die nun im | |
Verdacht steht, zumindest in Teilen mit der Müllmafia zusammen zu arbeiten. | |
Über den Bericht wundert sich der Lobbyist indes nicht, sondern weist die | |
Verantwortung für die Verhältnisse der schwarz-roten Bundesregierung zu. | |
Von den zwei Millionen Tonnen Kunststoffmüll, die als Verpackungen in der | |
gelben Tonne oder im gelben Sack landeten, würden derzeit weniger als 20 | |
Prozent recycelt, sagt Kurth. Für Recycling-Rohstoffe gebe es keinen Markt. | |
Die Entsorgung, etwa durch legale Exporte oder die Mitverbrennung in | |
Zement-Fabriken, sei teuer und mengenmäßig begrenzt. Das mache es | |
kriminellen Machenschaften leicht. | |
Die Lösung des Problems sieht er nicht nur in der besseren Ausstattung von | |
Zoll und Polizei, um die bestehende Gesetze durchzusetzen, sondern auch in | |
einer größeren Unterstützung für die Recycling-Wirtschaft. | |
„Recycling-Rohstoffe aus Kunststoff stehen in direktem Wettbewerb zu | |
Kunststoffen aus Rohöl“, sagt Kurth. Derzeit könnten sie mit dem Öl nicht | |
mithalten, das sei billiger, unbegrenzt verfügbar und leichter zu | |
verarbeiten. | |
Ohne politische Hilfestellung werde also nicht mehr Kunststoffmüll im | |
Recycling landen. „Die EU hat die Tür [3][für eine bessere Gesetzgebung mit | |
ihrem Kreislauf-Paket] weit aufgestoßen“, sagt Kurth, „nur geht die | |
Bundesregierung leider nicht hindurch“. Weder habe sie Einsatzquoten für | |
Recycling-Kunststoff beschlossen, noch das Thema Öko-Design vorangetrieben | |
oder das Recycling in ihr Klimapaket aufgenommen. | |
## Neuer Müll durch Elektroautos | |
Während Europa versucht, seines Plastikmülls Herr zu werden, sieht Interpol | |
schon neue illegale und gefährliche Abfallströme auf die Importländer | |
zukommen: „Ab 2020 wird die erste Generation von Solar-Panelen entsorgt | |
werden“, schreibt die Organisation. Weil das Recycling der Panele absehbar | |
teuer werde, zeichne sich ihre illegale Entsorgung ab. | |
Eine ähnliche Problemlage gibt es demnach auch für Blei- und | |
Lithium-Ionen-Batterien aus Autos. Hier sieht Interpol erhebliche Mengen an | |
Batteriematerialien sowie Kunststoffen, die durch den Wandel der | |
Antriebstechnik von Verbrennungs-zu Elektrofahrzeugen in Europa im Müll | |
landen werden. | |
Das Bundesumweltministerium sei „daran interessiert, dass möglichst viele | |
Batterien sowie die Geräte und Fahrzeuge, in denen diese verbaut sind, in | |
Deutschland entsprechend den rechtlichen Vorgaben gesammelt und einem | |
hochwertigen Recycling insbesondere in Deutschland oder der EU zugeführt | |
werden“, sagt ein Sprecher des Ministeriums. Abgesehen davon seien für den | |
Vollzug zur Bekämpfung illegaler Verbringungen von Abfällen und damit auch | |
von Solarpaneelen, Bleibatterien und Lithiumbatterien die Länder zuständig. | |
27 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Malaysia-schickt-Plastikabfall-zurueck/!5658061&s=M%C3%BCll+China/ | |
[2] /Plastikrecycling-in-Indien/!5701902&s=M%C3%BCll+China/ | |
[3] /Aktionsplan-der-EU-fuer-Recycling/!5667486&s=Kreislaufwirtschaft/ | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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