# taz.de -- Prozess gegen Querdenker: Das Gesetz schlägt zurück | |
> Viktor K. steht vor Gericht, weil er auf einer Querdenker-Demo in Hamburg | |
> eine Polizistin mit einem Grundgesetz geschlagen haben soll. | |
Bild: Irgendwo zwischen Fetisch und Nahkampfwaffe: das Grundgesetz im Handgemen… | |
HAMBURG taz | Im Sommer 2020 war es in verqueren Telegram-Chat-Gruppen noch | |
relativ ruhig. Der windschiefe Widerstand befand sich in Hamburg noch im | |
Aufbau und auch am 9. Mai 2020 ging es zunächst ganz entspannt auf dem | |
Rathausmarkt zu. Maskengegner:innen versammelten sich einem | |
Polizeibericht zufolge auf dem Kopfsteinpflaster vor dem Rathaus, um gegen | |
„staatlichen Zwang“ und die Coronamaßnahmen zu demonstrieren. | |
Unter dem Motto „Wir gemeinsam für das Grundgesetz“ seien „hauptsächlich | |
ältere Damen“ gekommen, wie eine Polizeizeugin aussagt. Sie hätten sich auf | |
den Boden gesetzt und meditiert. Ein Mann allerdings, der 34-jährige Viktor | |
K., war ganz und gar nicht in friedvoller Stimmung. Nun muss er sich vor | |
Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, eine Polizistin | |
mit dem Grundgesetz auf den Arm geschlagen und einem Polizisten einen Hieb | |
ins Gesicht versetzt zu haben. | |
„Ich wünschte, ich wäre nie an der Station ausgestiegen“, fasst K. am | |
ersten Verhandlungstag vor dem Strafgericht zusammen. K., der eine | |
ärztliche Bescheinigung besitzt, die ihn von der Maskenpflicht entbindet, | |
blickt während seiner Zeugenaussage mit starrem Blick auf den Staatsanwalt, | |
selten in die Augen der Richterin. | |
K. sagt aus, seine Frau und er hätten sich ein schönes Wochenende in | |
Hamburg machen wollen. Sie seien aus Südniedersachsen angereist, um ein | |
bisschen mit E-Scootern zu fahren. Dafür hätten sie die Kinder bei den | |
Großeltern abgegeben. Seine Frau wird später beteuern, dass K. und sie sich | |
nicht als Querdenker:innen verstünden. | |
Zufällig seien sie am Rathausmarkt ausgestiegen, wo ihnen direkt ein paar | |
Menschen ein Grundgesetz in die Hand gedrückt hätten. K. seien zwei | |
Polizist:innen aufgefallen, die aggressiv gewirkt und Personen | |
kontrolliert hätten. Er habe wissen wollen, was los sei und warum die | |
Einsatzkräfte gegen die „Hippies“, wie er sie nennt, vorgingen. Er habe | |
sich den Beamt:innen genähert und ihnen etwas Beleidigendes zugerufen – an | |
den genauen Wortlaut könne er sich nicht mehr erinnern, aber es sei | |
irgendetwas mit „Haaren“ gewesen. Eine Beamtin hätte versucht ihn | |
wegzuschubsen und Pfefferspray gegen ihn eingesetzt. Dabei habe er mit dem | |
DIN-A5-Exemplar des Grundgesetzes den Arm der Polizistin gestreift. | |
## Das Gesetz war scharf und frisch gedruckt | |
„Die Kanten waren sehr scharf, es war frisch gedruckt“, sagt der | |
Angeklagte. Nach dem Einsatz des Pfeffersprays habe er versucht zu | |
flüchten, wobei er einen Polizisten in einer Drehbewegung am Gesicht | |
touchiert haben will. „Instinktiv“ sei er davongelaufen, habe sich auf | |
einer Müllpresse am Parkhaus der Europapassage versteckt. Dort fanden ihn | |
die Beamt:innen. | |
„Mein Kollege hat Blut ausgespuckt und meinte, dass er das Gefühl habe, | |
seine Zähne seien locker“, sagt hingegen die Polizeibeamtin aus, die das | |
scharfkantige Gesetzbuch abbekam. Den Schlag, den K. gegen den Polizisten | |
gerichtet haben soll, habe sie selbst allerdings nicht gesehen. | |
Die Demonstration sei „ganz anders als die üblichen Hamburger Demos“ | |
gewesen. Nach Ende der Veranstaltung hätten die Einsatzkräfte die | |
Teilnehmer:innen darauf hingewiesen, dass sie den Kundgebungsort nun zu | |
verlassen hätten. Doch die Personen hätten abgestritten, überhaupt an einer | |
Demonstration teilzunehmen – sie hätten lediglich meditieren wollen und | |
würden deshalb auch nicht gehen. | |
## Mit geballten Fäusten | |
Bei einem solchen Gespräch sei Viktor K. hinzugekommen, dessen Auftreten | |
„nicht meditativ“ auf die Polizistin gewirkt habe. Vielmehr habe er zu | |
ihrem Kollegen gesagt, dass dieser sich „Haare am Sack“ wachsen lassen | |
solle. Mit geballten Fäusten sei er sehr dicht an den Beamten | |
herangetreten. „Da habe ich mir gedacht, dass gleich ein Schlag kommt“, | |
sagt die Polizistin aus. | |
Daraufhin habe sie Pfefferspray eingesetzt, der Angeklagte habe jedoch kaum | |
reagiert. Er sei kurz zurückgewichen und über eine am Boden sitzende Person | |
gestolpert. Danach habe er sich vor dem Kollegen aufgebaut und müsse ihm | |
dann ins Gesicht geschlagen haben. | |
Ein Urteil wird Anfang August erwartet, wenn die Verhandlung fortgesetzt | |
wird und weitere Zeug:innen gehört werden sollen. Der erste Termin hatte | |
sich um eine Stunde verzögert: Der Angeklagte war zu spät gekommen, weil er | |
die Zeugenvorladung seiner Frau mit seiner eigenen verwechselt hatte. | |
9 Jul 2021 | |
## AUTOREN | |
Arne Matzanke | |
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