| # taz.de -- Jubel um Italiens EM-Finaleinzug: Jede Menge Energie | |
| > Schon vor dem Sieg gegen Spanien war die Freude über eine neue | |
| > Spielergeneration in Rom zu spüren. Nach dem finalen Elfer gab es kein | |
| > Halten mehr. | |
| Bild: Malerischer Fahnenschwenk: Italienische Fans vor dem Kolosseum in Rom | |
| Rom taz | Der Finaleinzug der Italiener beginnt und endet mit zwei | |
| parallelen Bildern, so filmisch, als seien sie von einem überehrgeizigen | |
| Regisseur montiert. Zum Spielauftakt stehen die Fans beim Public Viewing | |
| auf der Piazza del Popolo in langen Reihen Arm in Arm wie Spieler zu einem | |
| Elfmeterschießen, so zeigt es das italienische Fernsehen. | |
| Und zum Ende der Partie stehen die Spieler Arm in Arm wie ihre Fans auf der | |
| Piazza del Popolo, beim Elfmeterschießen. Dann trifft Jorginho, und die Bar | |
| in der Nähe des Kolosseums, in der ich das Spiel verfolge, explodiert. | |
| Niemand sitzt hier, zwei kleine Jungs tanzen, es wird auf Stühle, Tische, | |
| Tresen gehämmert und aus den Lautsprechern ertönt das ewige „Un' estate | |
| italiana“ von Gianna Nannini. Draußen auf der Straße bricht die Ekstase | |
| los. Italien ist im Finale. | |
| Diese letzte Etappe war eine spielerisch herausragende, rasend schnelle | |
| Partie, eine der besten des Turniers, die ebenso gut mit einem Sieg der | |
| Spanier hätte enden können. Ja, vielleicht hätte Spanien es sogar ein klein | |
| wenig mehr verdient gehabt. Aber im Fußball hat recht, wer gewinnt, und | |
| dieses italienische Team hat nicht unverdient gesiegt. | |
| [1][Zwei völlig unterschiedliche Spielanlagen begegneten einander] in | |
| Wembley: die Spanier um den groß aufspielenden Leipziger Dani Olmo und den | |
| bald womöglich ganz großen 18-jährigen Pedri zogen Ballbesitzfußball wie zu | |
| Iniestas besten Zeiten auf, sezierten in überraschend veränderter | |
| Offensivbesetzung immer wieder geduldig die italienische Abwehr, um dann | |
| vors Tor zu stoßen. Zu Beginn der zweiten Halbzeit zogen sie dieses Netz so | |
| eng, dass ein Treffer überfällig schien. Der fiel dann auch (60.), aber für | |
| Italien: Federico Chiesa schlenzte den Ball sehenswert halbhoch rein. | |
| ## Das Crescendo des Spiels | |
| Die Italiener spielten so überfallartig, wie die Spanier sich Zeit ließen; | |
| mit präzisen, schnellen Kontern suchten sie immer wieder Immobile, und wie | |
| das atemlose Spiel es wollte, kreierte Italien mit seinen Gegenstößen oft | |
| gefährlichere Torchancen als die Spanier. Die dann durch Morata kurz vor | |
| Schluss verdientermaßen ausgleichen konnten. Das Crescendo des römischen | |
| Publikums war in dieser Kneipe nicht unbedingt absehbar: eine | |
| hyperklimatisierte Bar einer irischen Pub-Kette, in der es bis kurz vor dem | |
| Spiel still und lückenhaft besetzt blieb. | |
| Ein Kellner meines Stammlokals, der immer großzügig Limoncello aufs Haus | |
| schenkt, hatte mich hierher geschickt, und kurz befürchtete ich, dass der | |
| Limoncello-Kellner ein Stimmungsgrab empfahl. Aber mitnichten, die Leute | |
| tauchen bloß erst fünf Minuten vor Anpfiff auf. | |
| „Die Leute sind in Italien enthusiastischer als früher“, berichten drei | |
| Mädchen, kaum über 18, die hinter mir gucken und den letzten Teil des | |
| Spiels schreiend und stehend verbringen. „Man kann die Begeisterung überall | |
| auf der Straße spüren. Es spielt eine neue Generation.“ Um die Begeisterung | |
| zu spüren, muss man hier hinhören. | |
| Es hängen fast keine Nationalflaggen in den Fenstern, auch kein sonstiger | |
| Tand; man muss darauf achten, wie die Kellner in den Restaurants schon Tage | |
| vorher vom Spiel sprechen, oder wie auf der Straße eine Frau völlig | |
| unvermittelt „Un' estate italiana“ auf dem Handy anspielt und mit ihrem | |
| Begleiter lauthals singt, mitten am Tag. Überhaupt, Frauen. Dass drei | |
| Mädels sich ohne Jungs in der Kneipe zum Fußballschauen verabreden, gibt es | |
| auch noch nicht so lange. Die Frage, ob sie öfter Fußball schauen, bejaht | |
| eine entschieden. | |
| Dass dieses Spiel, dessen Tempo nach zwei spektakulären und kräftezehrenden | |
| Halbzeiten in der Verlängerung etwas abnimmt, im Elfmeterschießen enden | |
| würde, ist nur logisch für den großen Showdown. Moratas verschossener Elfer | |
| ebnet Italien den Weg ins Finale, aber mit den Spaniern wird in den | |
| nächsten Titelrennen gewiss zu rechnen sein. In der Bar sind alle | |
| zufrieden, auch der amerikanische Tourist, der einräumt, von Fußball nicht | |
| allzu viel zu verstehen, aber trotzdem sicher ist, dass Italien verdient | |
| gewonnen habe. „Vor dem Turnier haben wir das absolut nicht erwartet“, sagt | |
| die Kellnerin, die sich mitfreut, obwohl sie nicht viel vom Spiel sah. „Die | |
| letzten Jahre waren so schlecht. Jetzt sind wir sehr hoffnungsvoll.“ | |
| Draußen geht der Autokorso los, Gruppen strömen durch die Innenstadt, | |
| gewandet in Flaggen, bewaffnet mit Tröten. Wohin mit all ihrer Energie? | |
| Noch Stunden werden sie feiern, sehr hoffnungsvoll. Und von einer | |
| Dachterrasse singt eine Gruppe a cappella „Un' estate italiana“, von | |
| [2][den magischen Nächten eines italienischen Sommers]. | |
| 7 Jul 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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