# taz.de -- Evangelikale in Bremer Schulen: Die wollen nur beten | |
> Die Bremer Linken hatten nach Radikalität und Einfluss evangelikaler | |
> Strömungen insbesondere auf Kinder gefragt. Der Senat hält sie für | |
> harmlos. | |
Bild: Evangelikale Gruppen demonstrieren 2018 in Berlin auf dem „Marsch für … | |
BREMEN taz | Zwei Träger von Bremer Privatschulen lassen sich dem | |
[1][evangelikalen Spektrum] zuordnen. Die Privatschule Mentor (5. bis 13. | |
Klasse) in Gröpelingen sowie die Freie Evangelische Bekenntnisschule mit | |
Grundschulen in Habenhausen und der Vahr, sowie Oberschule und Gymnasium in | |
Habenhausen. Das ist in Bremen kein Geheimnis, steht aber jetzt schwarz auf | |
weiß [2][in einer Antwort des Senats] auf eine Anfrage der Fraktion der | |
Linken. | |
Diese hatte nach der Radikalität und dem Einfluss evangelikaler Strömungen | |
insbesondere auf Kinder und Jugendliche in Bremen gefragt. | |
Kindertagesstätten, nach denen die Linke ebenfalls gefragt hatte, lassen | |
sich nach Auffassung des Senats nicht einer bestimmten Glaubensauslegung | |
zuordnen. | |
Ob Kinder und Jugendliche in den von Evangelikalen betriebenen | |
Institutionen einen offenen Umgang mit Geschlechterrollen und Sexualität | |
lernen, vermag der Senat nicht zu sagen. Die Hauptaussage seines Schreibens | |
lässt sich so zusammenfassen: Wird schon passen. Denken wir. Und wenn | |
nicht, bekommen wir das eventuell mit. Dann aber würden wir ganz sicher | |
handeln! | |
„Unbefriedigend und mutlos“ nennt Maja Tegeler, queerpolitische Sprecherin | |
der Linken, diese Einschätzung. Denn schließlich gebe es zahlreiche | |
Anhaltspunkte dafür, dass die Schulen nicht so weltanschaulich neutral | |
unterrichten würden, wie sie es jetzt gegenüber dem Senat in Stellungnahmen | |
behaupten. Diese sind in seiner Antwort mit veröffentlicht. | |
So hatte die taz darüber berichtet, [3][wie erklärte | |
Abtreibungsgegner*innen Schulprojekte] über | |
„Schwangerschaftskonflikte“ durchführen – auch an zwei öffentlichen | |
Schulen. Unter anderem mithilfe eines szenischen Spiels, in dem ein junges | |
Paar ungeplant ein Kind gezeugt hat und jetzt eine Lösung ihres „Konflikts“ | |
sucht, wie es die Projektleiterinnen in einer Selbstdarstellung | |
beschreiben. Diese Art der Vermittlung eines Sachverhalts setzt bei den | |
Gefühlen der Neunt- und Zehntklässler*innen an. Ob das geeignet ist, | |
eine offene Diskussion anzuregen? Man weiß es nicht. Jedenfalls nicht der | |
Senat oder die Schulaufsicht. | |
## Evangelikale Schulen: „Alles wertfrei“ | |
Denn schon im Februar hatte Bildungssenatorin Claudia Bogedan in einer | |
Landtagssitzung gesagt, [4][sie halte das Unterrichtsprojekt für | |
unproblematisch], solange die Lehrkraft die Projektinhalte mit den | |
Schüler*innen vor- und nachbereite. Nur hat die Schulaufsicht wie bei so | |
vielem, was in geschlossenen Klassenräumen geschieht, keine Ahnung, ob und | |
wie das passiert. | |
Dem Senat schreibt die Bekenntnisschule jetzt, das Projekt diene dazu, den | |
„multiperspektivischen Blick der Schüler:innen“ zu schärfen. Und die | |
Privatschule Mentor behauptet, im Sexualkundeunterricht werde „das Thema | |
Abtreibung wertfrei vermittelt und gesellschaftlich beleuchtet, sodass sich | |
die (älteren) Schüler*innen ihre eigene Meinung bilden können.“ | |
Die Bekenntnisschule schreibt weiter, dass auch „Fragen unterschiedlicher | |
Formen der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität wertfrei | |
aufgegriffen und den Schüler:innen vermittelt“ würden. Das steht im | |
Widerspruch zu [5][Berichten eines jungen trans Mannes], der der taz im | |
vergangenen Jahr erzählt hatte, wie er aufgrund seiner trans Identität an | |
der Schule von Lehrkräften und dem Schulleiter gemobbt wurde. | |
Vage sind die Senatsangaben dazu, inwiefern an den Schulen kreationistische | |
Inhalte vermitteln werden. „‚Intelligent Design‘ als Auffassung, dass sich | |
bestimmte Eigenschaften des Universums und des Lebens auf der Erde nur | |
durch einen intelligenten Urheber erklären lassen, ist der Gedankenwelt des | |
Kreationismus zuzuordnen“, schreibt der Senat. „Die Wissenschaft ordnet | |
derartige Vorstellungen mal als nicht-wissenschaftlich, | |
pseudowissenschaftlich oder als ‚Junk Science‘ ein.“ | |
## Keine Beweise für Kreationismus | |
Aber ob das an der Schule unterrichtet wird, weiß er nicht, es bleibt | |
konjunktivisch: „Würden solche Vorstellungen im Unterricht thematisiert, so | |
kann das nur in kritischer Auseinandersetzung geschehen, was durch die | |
Privatschulaufsicht entsprechend nachgehalten wird.“ | |
Immer wieder gibt es Berichte über Eltern, die sich darüber wundern, wie | |
ihren Kindern Evolution an der Bekenntnisschule vermittelt wird. Aber | |
interviewen lassen will sich niemand dazu. Auch die Linksfraktion hat keine | |
Beweise dafür, dass entsprechendes Lehrmaterial, beispielsweise das Buch | |
„Creatio“, genutzt wird, wie deren Mitglied Maja Tegeler einräumt. Der | |
Senat schreibt, ihm lägen „keine Hinweise vor“, dass das Buch im Unterricht | |
verwendet würde. | |
Dass die Senatsantwort zu Schulen so vage ausfällt, kann Maja Tegeler noch | |
halbwegs akzeptieren. Ein Rätsel ist ihr aber, wie die Landesregierung die | |
eindeutige Ausrichtung des Vereins [6][„Menschenskinners! Christen | |
engagiert für Kinder] und Eltern e. V.“ übersehen kann. Dieser führt nicht | |
nur das Unterrichtsprojekt zu Schwangerschaftsabbrüchen durch, sondern | |
betreibt auch fünf Kindertagesstätten. | |
Und er bietet Frauen vor und nach einem Schwangerschaftsabbruch eine | |
Beratung an. Dabei suggeriert ein Text auf der Homepage, dass es | |
spezifische Symptome nach einem Abbruch gibt, die von | |
Fundamentalist*innen als „Post Abortion Syndrome“ klassifiziert | |
werden. Keine medizinische Fachgesellschaft kennt diesen Begriff, | |
wissenschaftliche Nachweise gibt es nicht. | |
Ärgerlich findet Maja Tegeler auch, dass der Senat das | |
Missionierungsprojekt Lighthouse als „gesamtkirchliche Einrichtung der | |
Bremischen Evangelischen Kirche“ bezeichnet, das keine „Zurechnung zu | |
bestimmten Strömungen innerhalb des Protestantismus“ erlaube. Das | |
Lighthouse ist räumlich angedockt an die Martinigemeinde, deren [7][Pastor | |
Olaf Latzel vom Amtsgericht Bremen] wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. | |
Nach Überzeugung des Gerichts habe er zum Hass gegen Homosexuelle | |
aufgestachelt. | |
## Unklare Definition von „Evangelikalismus“ | |
Der Leiter des Lighthouse ist Johannes Müller, der lange die Jugendarbeit | |
der Matthäusgemeinde geleitet hat. Diese gehört ebenso wie die | |
Martinigemeinde und weitere evangelische sowie freikirchliche Gemeinden der | |
Evangelischen Allianz Deutschland an. | |
In seiner Antwort an die Linke weist der Senat darauf hin, dass es zwar | |
„keine allgemein verbindliche Definition des Begriffs ‚Evangelikalismus‘ | |
oder 'evangelikale Strömung/Bewegung“ gebe. Wohl aber nennt er die | |
Evangelische Allianz als Sammelbecken. Kennzeichnend für Evangelikale sei, | |
dass sie die Bibel wörtlich nehmen, den Missionsgedanken betonen sowie eine | |
„Bekehrung zu Jesus Christus als persönlichem Erlöser“ verlangen. | |
Der Senat schreibt nicht darüber, dass Evangelikale Homosexualität und | |
Schwangerschaftsabbruch ablehnen, an strikten Geschlechterrollen und | |
-identitäten festhalten. Nachzulesen ist dies auf der Homepage der | |
Nachrichtenagentur Idea. Diese ist laut Selbstbeschreibung „theologisch | |
konservativ und arbeitet auf der Grundlage der Glaubensbasis der Deutschen | |
Evangelischen Allianz“. | |
5 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Evangelikale-in-Bremen/!5701592 | |
[2] https://www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/2021-06-30_Drs-20-1030_a67f0… | |
[3] /Evangelikale-Aufklaerung-an-Schulen/!5727583 | |
[4] /Evangelikale-als-Aufklaerer-an-Schulen/!5749136 | |
[5] /Evangelikale-Schule-mobbt-Transsexuellen/!5710942 | |
[6] https://menschens-kinners.de/schwangerenberatung/ | |
[7] /Hetze-ist-verboten--auch-von-der-Kanzel/!5727447 | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
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