# taz.de -- Berliner SPD im Bundestagswahlkampf: Kümmern um Bohnsdorf | |
> In Treptow-Köpenick gelingt der SPD entgegen dem Bundestrend ein | |
> Mitgliederzuwachs. Das ist auch der Verdienst einer jungen | |
> Bezirksverodneten. | |
Bild: Auf dem richtigen Dampfer: Ana-Maria Trǎsnea, SPD-Spitzenkandidatin für… | |
BERLIN taz | Sonntagmittag. Die Sonne prallt auf das Motorboot, das von | |
Grünau zum Treptower Park über Dahme und Spree schippert. „Kann man da oben | |
mal zuziehen?“, fragt Oliver Igel (SPD), der Bezirksbürgermeister von | |
Treptow-Köpenick, der den Stadtführer zu Wasser macht. „Mir glaubt doch | |
keiner, dass ich heute gearbeitet habe, wenn ich morgen mit einem | |
Sonnenbrand ins Büro komme.“ | |
„Dann wäre deine Haut doch passend zur Parteifarbe“, flachst ein SPDler, | |
der mit Igel an diesem Sonntag auf Wahlkampftour auf dem Wasser unterwegs | |
ist. Es ist coronabedingt nur eine kleine Gruppe, die verschiedene Projekte | |
im Bezirk aufsucht, die Bundesmittel erhalten sollen. | |
So wie den Seesportclub Berlin-Grünau, der aus Mitteln des Programms | |
„Wasserstoff in Freizeiteinrichtungen“ energetisch ins 21. Jahrhundert | |
katapultiert werden soll. Auf dem Dach des in den 1960er Jahren gebauten | |
Vereinshauses sollen Solarzellen Energie erzeugen. Die Boote, auf denen | |
nicht nur Vereinsmitglieder trainieren, sondern auch Schüler dreier Schulen | |
und Studierende, sollen mit Brennstoffzellen ausgestattet werden. Die | |
bezirkliche SPD hat den aus Bayern stammenden SPD-Bundestagsabgeordneten | |
Andreas Schwarz geladen, der als Haushälter über ökologische Projekte des | |
Bundes mitentscheidet. Schwarz könnte sich vorstellen, das Projekt zu | |
unterstützen. | |
## Pfuhl ohne Wasser | |
Bereist abstimmungsreif ist der Antrag auf Sanierung des Dorfangers im | |
wenige Kilometer entfernten Ortsteil Bohnsdorf am äußersten Berliner | |
Stadtrand. 3,3 Millionen Euro Bundesmittel sollen fließen. Der eiszeitliche | |
Pfuhl, der keinen natürlichen Zufluss hat, führt zu wenig Wasser. Wo man | |
vor zwanzig Jahren im Winter Schlittschuhlaufen konnte, wachsen heute | |
Schilf und Büsche. | |
Im Gegenzug zum trockenen Dorfteich sind die Straßen rund um den Anger bei | |
Regen überflutet. Versiegelung verhindert, dass das Wasser in den Dorfteich | |
abfließt. Auch nicht das Regenwasser des benachbarten Kirchengebäudes. Die | |
Kirche würde es gern in den Teich leiten, aber bislang fehlt dazu das Geld. | |
Für Ana-Maria Trǎsnea, die Bundestagskandidatin der SPD im Bezirk, ist das | |
Aufsuchen von Projekten der coronakonforme Wahlkampf: Die Wahlkämpfer | |
treffen sich jeweils nur mit einer kleinen Gruppe von Menschen, vernetzen | |
sich mit ihnen, nehmen ihren Output mit in die politische Arbeit, posten | |
die Ergebnisse dann in den sozialen Netzwerken. | |
Am Dorfteich beispielsweise treffen sie den örtlichen Bürgerverein und die | |
Feuerwehr. „Und es kommt etwas dabei heraus, wenn wir uns als SPD | |
kontinuierlich um die Projekte kümmern. Das ist sinnvoller, als irgendwo | |
für ein Foto Tiere zu streicheln“, sagt Trǎsnea. „Wir laden auch immer | |
Bundes- und Landespolitiker zu uns ein und wollen deren Augenmerk auf | |
unseren Außenbezirk lenken, dessen Menschen oft vergessen werden.“ | |
Die 26-jährige in Rumänien geborene Politikerin bewirbt sich in | |
Treptow-Köpenick gegen Gregor Gysi (Linke) und Claudia Pechstein (CDU) für | |
das Direktmandat. Eigentlich hat sie keine Chance. Aber die nutzt sie eben | |
gerade. | |
„Gregor Gysi hat seine besten Jahre hinter sich. Ich habe noch viel vor“, | |
sagt die Bezirksverordnete selbstbewusst. „Ich habe der SPD versprochen, | |
langfristig zur Verfügung zu stehen. Ich will die erste Frau sein, die | |
Treptow-Köpenick im Bundestag vertritt.“ | |
Man merkt der bezirklichen SPD an, dass es den überwiegend jungen Leuten | |
Spaß macht, gemeinsam Politik zu machen. [1][Entgegen dem Bundestrend] ist | |
der Partei hier ein Mitgliederzuwachs gelungen. Die Mitgliedszahl stieg in | |
den letzten zehn Jahren von 550 auf 700. | |
Vor allem in urbaneren Ortsteilen wie Alt-Treptow, wo auch die Grünen stark | |
sind, freut sich die SPD über neue Mitglieder. „Wenn wir etwas bewegen, | |
gewinnen Leute Interesse, bei uns mitzumachen“, sagt Alexander | |
Freier-Winterwerb, Fraktionsvorsitzender in der | |
Bezirksverordnetenversammlung (BVV). | |
Konzept der Projektbesuche ist es, dass SPDler aller Ebenen gemeinsam vor | |
Ort nach Lösungen suchen. Denn die Bundesmittel müssen oft durch Bezirk | |
oder Land kofinanziert werden. Bürgermeister, Abgeordnete aus der BVV, dem | |
Abgeordnetenhaus und dem Bundestag können vor Ort Ideen austauschen. Am | |
Dorfteich entwickelt sich die Idee, ob der Bezirk das Hotel am Dorfanger, | |
das gerade einen Besitzer sucht, nicht selbst kaufen könnte, um an diesem | |
eher verlassenen Ort Begegnungen zu ermöglichen. | |
## Dampferfahrt als Belohnung | |
Ohne Corona wären mehr SPDler und zivilgesellschaftliche Akteure im Bezirk | |
gemeinsam unterwegs. Man hätte nicht nur ein kleines Motorboot gemietet, | |
sondern einen großen Dampfer. Zu Dampferfahrten lädt die SPD seit 2006 | |
Akteure aus Frauen-, Flüchtlings- oder Umweltprojekten regelmäßig ein. Als | |
Auszeichnung für ihr Engagement. Die Gäste haben während der Fahrt über die | |
Köpenicker Gewässer die Wahl, entweder die schöne Aussicht zu genießen oder | |
aber sich mit SPD-Politikern zu vorher organisierten Gesprächsrunden zu | |
treffen. | |
Die SPD profitiert auf diese Weise vom Input der Zivilgesellschaft. „Wir | |
nehmen da jedes Mal Hausaufgaben mit“, konstatiert Ana-Maria Trǎsnea. | |
Und, selbst wenn das nie beabsichtigt war, die Dampferfahrten und | |
Projekttreffen sind auch die Orte, wo die SPD neue Mitglieder gewinnt. | |
Ana-Maria Trǎsnea selbst hatte nach einer Dampferfahrt zur SPD gefunden. | |
Nachdem sie im Alter von 13 Jahren nach Deutschland kam, erzählt sie, hätte | |
sie sich bei [2][„Schule ohne Rassismus“] engagiert und sei dort vielen | |
Jusos begegnet. „Jusos und SPD sind für mich die Organisationen, wo ich | |
aufgrund meiner eigenen Leistungen und meiner eigenen Talente wahrgenommen | |
werde und nicht aufgrund familiärer Seilschaften.“ | |
Und wo sie etwas bewegen kann. „Nachdem ich bei ‚Schule ohne Rassismus‘ | |
jahrelang Fördergelder beantragt habe, wollte ich die Seiten wechseln: | |
Nicht mehr nur Fördergelder bekommen, sondern über deren Verwendung | |
entscheiden.“ Das sei ihr als Bezirksverordnete gelungen und soll im | |
Bundestag auf größerer Bühne gelingen. Wenn nicht über das Direktmandat, | |
dann vielleicht über den sechsten Platz der Landesliste. Oder auch vier | |
Jahre später. | |
15 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Kevin-Kuehnert-ueber-SPD-Parteitag/!5766097 | |
[2] /Diskriminierung-an-Berliner-Schulen/!5778119 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
SPD Berlin | |
Treptow-Köpenick | |
Abgeordnetenhauswahl 2021 | |
SPD-Basis | |
Kevin Kühnert | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
FU entzieht Giffey den Doktortitel: Arroganz oder schon Kalkül? | |
Doktor weg. Deckel drauf. Weiter im Wahlkampf. So lauten die Reaktionen der | |
Berliner SPD nach dem Urteil der FU. Ob die Kandidatin damit durchkommt? | |
Die These: Nie mehr SPD | |
Unsere Autorin hat über Jahrzehnte sozialdemokratisch gewählt. Schon um | |
ihrem Vater eins auszuwischen. Aber nun reicht es ihr endgültig. | |
Kevin Kühnert über SPD-Parteitag: „Dieses Blatt wird sich wenden“ | |
SPD-Vize Kevin Kühnert erklärt im taz-Interview, warum er die Hoffnung auf | |
einen Stimmungsumschwung für die SPD noch nicht aufgegeben hat. |