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# taz.de -- Neues Fotobuch bei Spector Books: Eine Scheibe Butterbrot
> Laura Bielaus Fotobuch „Arbeit“ ist frei von fotografischen Konventionen.
> Und ihre Bildern sind frei von oberflächlicher Attraktivität.
Bild: Ausschnitt aus: Laura Bielau, o.T. Ameise. Aus der Serie „Arbeit“, 20…
Eine Scheibe Brot mit Butter, die eigene Hand, Gewebeband und die
Verpackung von Kopfschmerztabletten. All diese Dinge befinden sich im
Atelier der Fotografin Laura Bielau. Was sie damit macht, ist Arbeit. Ihre
gleichnamige Publikation erscheint nun bei dem Leipziger Verlag Spector
Books.
Mit ihrer Serie von 32 Schwarz-Weiß-Fotografien legt Laura Bielau ein Werk
vor, das Fürsorge und Austausch ebenso als Arbeit anerkennt wie die
künstlerische (Erwerbs-)Tätigkeit. Im Inneren des Buches entfaltet sich ein
Raum, der zunächst von den Gegenständen in Bielaus Atelier erzählt. Sie
selbst ist als Fotografin Teil dieses Gefüges und durch ihre Gliedmaßen und
Sinnesorgane repräsentiert.
Die abgebildeten Objekte stehen für Bielaus alltägliche künstlerische
Auseinandersetzung, die körperliche und geistige Dimension ihrer Arbeit,
die dafür unabdingbare Sorge sowie die Pflege von Kontakten zu sich selbst
und anderen. In dieser Lesart ist das Bild einer Scheibe Butterbrot ein
Ausdruck existenzieller Bedürfnisse.
## Die Bilder wirken sachlich
Die eigene Hand wird zur Voraussetzung, um tätig zu sein. Sie kann sich
aber auch, wie in der Abbildung zweier verschlungener Fäuste, in eine
Kraftanstrengung gegen sich selbst wenden. Die Bilder wirken sachlich und
in ihrer Zusammenstellung unendlich erweiterbar, doch Bielau erkennt gerade
in der scheinbaren Einfachheit der Fotografie die Herausforderung für ihre
Arbeit.
In der formalen Gestaltung und Anordnung der Fotografien thematisiert
Bielau die Arbeit am Bild als einen Prozess konzeptueller und
künstlerischer Entscheidungen. Dabei agiert sie frei von fotografischen
Konventionen und Erwartungen. Ihre Bilder entsagen sich oberflächlicher
Attraktivität und technischer Perfektion.
Sie zeigt Flecken auf der Linse und bemüht sich nicht um eine saubere
Retusche. Ihre in Grautönen gehaltene Fotografie ist losgelöst von den
Größenverhältnissen der eigentlichen Objekte und setzt diese fast ohne
Tiefenwirkung ins Bild. Bielau findet so eine formale Ebene, die die
Objekte der Arbeit in abstrakte Formen übersetzt und ihnen eine Präsenz
fernab ihrer Funktion zugesteht.
## Zahlreiche Verbindungen
In dieser Abstraktion lassen sich zahlreiche Verbindungen zu anderen
Künstler*innen ausmachen. Die fragilen, aber bestimmten Linien in einem
aufgeschlagenen Heft lassen an die minimalistischen Zeichnungen von Agnes
Martin denken. Die von Hand gemalte Sprechblase, die über den Rand des
Bildes hinausragt, erinnert an die gespielte Banalität der einst Grenzen
überschreitenden Pop-Art, und die Brotschreibe ist auch ein Sujet von
Hans-Peter Feldmann.
Bielau beschreibt die Beziehungen zwischen den Werken als Komplexität und
Vernetzung innerhalb der Kunst. Die Rezeption und der Austausch mit
Positionen, Konzepten und Erfahrungen gehen in ihr Werk ein und zeigen
Arbeit als eine beständige Beschäftigung und Teilhabe.
Was Bielau in ihrem Werk nicht zeigt, ist vermeintliche Produktivität.
Vielmehr ist die Serie eine Suche nach den elementaren und grundlegenden
Dingen der Arbeit am Bild. Bielau ist nicht streng, mahnend oder belehrend,
sondern immer wieder subtil humorvoll.
## Ameisen laufen durch das Atelier
Etwa wenn Ameisen – ein wiederkehrendes Motiv in ihrem Schaffen – durch das
Atelier laufen, Bahnen gestreifter Zahnpasta monumental das Bild besetzen
oder die Umrisse von Turnschuhen so unprätentiös und ohne Rücksicht auf
Verluste am ursprünglichen Foto freigestellt wurden.
Bielau, Jahrgang 1981 und geboren in Halle an der Saale, hat nach ihrer
[1][Ausbildung zur Fotografin bei Timm Rautert] und Peter Piller an der
Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig studiert. Bereits 2015 zeigte
sie Auszüge aus „Arbeit“ als Ausstellung. Nun, nach einem Jahr
Coronapolitik, Homeoffice und Quarantäne, scheint dieses Werk umso
dringlicher. Was ist Arbeit? Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Oder mit
Hannah Arendt gefragt: Was tun wir, wenn wir tätig sind?
Bielaus Auseinandersetzung mit diesen Fragen begann in Industriebetrieben
und Fabriken, wo sie die Angestellten im Wechsel von Tag- und Nachtschicht
fotografierte. Schließlich richtete sie ihren Blick auf sich selbst, um
sich diesem großen, allumfassenden Thema zu widmen. Arbeit ist für sie eine
Konstante lebendigen Daseins, die sich in ihrer physischen, psychischen und
sozialen Dimension nicht in ökonomischen Debatten auflösen lässt.
In diesem Sinne ist Bielaus Serie „Arbeit“ eine konsequente und
gleichermaßen behutsame Annäherung, die nichts als banal oder
selbstverständlich abtut. Am Ende steht das künstlerische Werk. Es ist mehr
als das Ergebnis von Arbeitsabläufen und dennoch nicht das einzige Resultat
dieser Arbeit.
22 Jun 2021
## LINKS
[1] /Fotograf-Timm-Rautert-im-Museum-Folkwang/!5761128
## AUTOREN
Maxie Fischer
## TAGS
zeitgenössische Fotografie
Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
Fotobuch
Arbeit
Bildende Kunst
zeitgenössische Fotografie
Kommunikation
zeitgenössische Fotografie
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