# taz.de -- Mindestlohn für Osteuropäer:innen: Praktikable Modelle gefragt | |
> Pfleger:innen steht der Mindestlohn auch für Bereitschaftszeiten zu – | |
> das könnte zu noch mehr Schwarzarbeit führen. Legale Arbeit wird teurer. | |
Bild: Sozialverbände müssen nun schnell praktikable und rechtssichere Vertrag… | |
Schon die Werbung sagt, worum es geht: „24 h-Pflege“. Wer sich eine:n | |
osteuropäische:n Pfleger:in vermitteln lässt, geht davon aus, dass | |
diese:r den Großteil des Tages und auch der Nacht für die Betreuung der | |
alten Eltern zur Verfügung steht. Dass im Arbeitsvertrag nur „30 Stunden | |
pro Woche“ vorgesehen sind, ist eine offensichtliche Lüge. | |
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat nun entschieden, [1][dass die | |
tatsächlich erwartete und geleistete Arbeitszeit zu honorieren ist] – | |
inklusive Bereitschaftszeiten. Vor allem Letzteres war umstritten. Für | |
diese Zeiten ist nun auch der gesetzliche Mindestlohn von derzeit 9,50 Euro | |
zu bezahlen. Ein:e osteuropäische:r Pfleger:in schlägt dann nicht | |
mehr mit brutto rund 2.000 Euro zu Buche, sondern mit mehr als dem | |
Dreifachen. | |
Das macht eine legale Beschäftigung von osteuropäischen Pfleger:innen | |
natürlich weder einfacher noch attraktiver. Schon heute, so wird geschätzt, | |
wird nur ein Fünftel der Helfer:innen mit offiziellen Verträgen | |
beschäftigt. Weithin überwiegt die Schwarzarbeit – mit allen Folgen einer | |
fehlenden sozialen Absicherung und fehlenden Unfallschutzes. | |
[2][Der mithilfe des DGB erreichte Erfolg einer bulgarischen Klägerin beim | |
Bundesarbeitsgericht] könnte also nach hinten losgehen und zu noch mehr | |
Schwarzarbeit führen. Der Weg aus der Grauzone der Verträge mit | |
Pseudoarbeitszeiten, die nicht ernst gemeint sind, führt also nicht | |
zwingend zu soliden und angemessen bezahlten Arbeitsverhältnissen. | |
In dem Urteil des höchsten deutschen Arbeitsgerichts ging es nur um die | |
Bezahlung. Das Arbeitszeitrecht hat aber auch eine Schutzfunktion. Auch gut | |
bezahlte Beschäftigte brauchen Pausen und dürfen in der Regel nicht mehr | |
als 48 Stunden in der Woche arbeiten. Mit der Praxis der Pflege im Haushalt | |
hat auch das wenig zu tun. Pfleger:innen steht der Mindestlohn auch für | |
Bereitschaftszeiten zu – das könnte zu noch mehr Schwarzarbeit führen. | |
Legale Arbeit wird teurer. | |
Politik und Sozialverbände müssen nun schnell praktikable und rechtssichere | |
Modelle für die Verträge mit osteuropäischen Pfleger:innen entwickeln. | |
Für die alternde Gesellschaft in Deutschland wird das auf jeden Fall teurer | |
werden. | |
24 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Bundesarbeitsgericht-zu-Mindestlohn/!5777773 | |
[2] https://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Ge… | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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