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# taz.de -- Bilanz der Frauenfußball-Bundesliga: Spannung mit dem FC Bayern
> Die Saison 2020/21 bot nicht nur einen steilen Aufstieg. Auch bleibt es
> bis zum letzten Spieltag spannend.
Bild: Freude pur: der FC Bayern München kann Meister werden
Noch lässt sich nicht absehen, wer am letzten Spieltag die deutsche
Meisterschaft holen wird. Denn ja, tatsächlich, das gibt es noch: Im
deutschen Fußball ist am letzten Spieltag das Titelrennen offen. Zu
verdanken ist das, welch Ironie, [1][dem FC Bayern], der mit seinen Frauen
die Monarchie der Wolfsburgerinnen umzustoßen gedenkt. Und gerade knapp
vorne liegt.
Vor der Saison hatten die Münchnerinnen großzügig eingekauft, die Offensive
um Lineth Beerensteyn und Neuzugang Lea Schüller spielt traumschön. Die
Liga profitiert erst mal von diesem engen Zweikampf. Jedenfalls so lange,
bis die Münchnerinnen vorbeiziehen, was auch hier irgendwann unausweichlich
sein dürfte. Bis dahin will Wolfsburg noch ein paar Jahre Paroli bieten.
Und holte zum Beleg den Pokal.
## Identitätsverlust
Beinahe hätte der Eintracht Frankfurt die Vereinnahmung des 1. FFC
Frankfurt gleich einen Titel beschert. Nur knapp scheiterten die
eingegliederten Fußballerinnen vergangenes Wochenende im DFB-Pokalfinale in
der Verlängerung am VfL Wolfsburg. Offiziell heißt es ja, der siebenfache
deutsche Meister im Frauenfußball sei mit den Männerfußballverein der
Eintracht fusioniert. Bei der Verschmelzung der Klubs ist den Frauen ihre
Identität abhandengekommen, dafür haben sie jetzt eine bessere
Infrastruktur, einen höheren Etat und mit dem Adler ein neues Wappentier.
Bodenständig, versicherte Siegfried Dietrich, der Lenker der Frankfurter
Frauenfußballerinnen, der auch gerne von Businessplänen und Investments
spricht, wolle man trotz alledem bleiben. Den planmäßig angestrebten
lukrativen dritten Platz hat man in dieser Saison mit 11 Punkten Rückstand
deutlich verfehlt. Nun ist die spannende Frage, wie sehr wird die Eintracht
ihre neue Abteilung unterstützen, um in der nächsten Saison näher an die
alten Ziele zu kommen.
## Österreicherinnen
Die deutsche Liga erfreut sich bei den Österreicherinnen seit geraumer Zeit
großer Beliebtheit. Der Anteil der Spielerinnen aus dem Nachbarland wächst
von Saison zu Saison. In dieser Spielzeit hätten die 18 Legionärinnen
bereits ein eigenes Team stellen können. Und der Bedeutungszuwachs der
Österreicherinnen zeigt sich nun auch in der Wertung, auf welche die großen
Individualistinnen am meisten schielen. Nicole Billa, die in einem Bergdorf
in Tirol erstmals Fußball spielte, führt mit ihren 21 Treffern für die TSG
Hoffenheim die Torschützinnenliste der Liga an.
Nebenbei arbeitet die 25-Jährige als Erzieherin in einem Kindergarten. Ihre
fußballerische Ausbildung erhielt sie in der ersten österreichischen
Akademie für Mädchen- und Frauenfußball in St. Pölten. In der ersten
österreichischen Liga hat im übrigen die erst 19-jährige Lisa Kolb die
meisten Tore (19) erzielt. Ihr Wechsel nach Deutschland ist bereits
beschlossene Sache. Sie wird in der nächsten Saison für den SC Freiburg
stürmen.
## Wahrnehmungsverlust
Schon vor der Pandemie hätte man in der Frauenfußball-Bundesliga bei den
dürftigen Zuschauerzahlen strengste Abstandsregeln etablieren können.
Finanziell hat der Ausfall der Eintrittsgelder in dieser Saison durch
Corona deshalb die Vereine nicht stark geschwächt, zumal sie Zuwendungen
aus dem Solidaritätsfonds der männlichen Champions-League-Klubs bekamen.
Das größere Problem ist die TV-Präsenz. Während die Verbindung im
Männerfußball zum Publikum über die TV-Präsenz gehalten wird, sieht es beim
Frauenfußball mau aus. Freitags eine Partie bei Eurosport, ganz
gelegentlich mal ein Livespiel in den Dritten Programmen der ARD, dazu
einige Top-Spiele im kostenpflichtigen Stream bei MagentaTV. Der
Wahrnehmungsverlust der Liga in dieser Saison ist eklatant.
## Spaltung
Die TSG Hoffenheim steht bereits vor dem letzten Spieltag als
Tabellendritte fest, und das kommt einem großen Jackpot-Gewinn gleich. Denn
erstmals wird auch das drittbeste Team mit der Teilnahme an der Champions
League und garantierten Einnahmen von 400.000 Euro belohnt. Mit dem Betrag
allein konnten bis vor Kurzem noch einige Vereine in Deutschland ein ganzes
Jahr Bundesliga stemmen. Nach dem VfL Wolfsburg und dem FC Bayern
[2][könnten sich nun auch die Hoffenheimerinnen] vom Rest der Liga
absetzen.
## Männermonopol
Wenn Frauen selbst im Frauenfußball etwas Besonderes sind, dann liegt die
Idee nahe, dass sich etwas verändern muss. Das Erstaunliche ist: Diese Idee
liegt nun schon seit etlichen Jahren nahe, nur verändert hat sich in der
Zwischenzeit nicht das Geringste. Vor dieser Saison wurde die Schweizerin
Nora Häuptle als große Exotin beäugt, weil ihr die Verantwortung für die
Fußballerinnen vom SC Sand übertragen wurde.
Als es allerdings im Abstiegskampf eng wurde, entließ man die 37-Jährige.
„Das kam sehr überraschend für mich“, erklärte Häuptle. Dass es eng wü…
habe man angesichts der knappen Mittel bereits bei ihrer Einstellung im
Somer gewusst. Beim SC Sand vertraute man dann das Team doch lieber dem
Kollegen Alexander Fischinger an.
## Shootingstar
Die Entwicklung von Sydney Lohmann beim FC Bayern München kann man durchaus
als spektakulär bezeichnen. Die Prognose, die 20-Jährige werde „definitiv
mal eine Spielerin von Weltklasse, sie ist jetzt schon auf einem sehr guten
Weg“, wäre dem FC-Bayern-Trainer Jens Scheuer vor Saisonbeginn gewiss nicht
so locker über die Lippen gekommen. Als Lohmann dann aber eine überragenden
Auftritt an den nächsten reihte, wurde Scheuer zu einem ihrer größten Fans.
Ihr Talent hat sich zwar schon früh angedeutet, mit 16 Jahren debütierte
sie für den FC Bayern, doch danach hatte Lohmann mit Verletzungen und
insbesondere mit der harten Teamkonkurrenz zu kämpfen. Umso beeindruckender
ist ihre bisherige Saisonbilanz: Zehn Tore und vier Vorlagen in 19
Bundesligaspielen. Dazu traf sie auch in der Champions League viermal. Sie
weiß Dynamik, Körperlichkeit, Spielübersicht und eine gute Technik
miteinander zu verbinden.
## Aktivistin
Beliebt ist die Klage, deutsche Fußballerinnen seien zu brav. Jedenfalls im
Hinblick auf politische Forderungen. Eine Megan Rapinoe sei hierzulande
nicht vorstellbar. Lange stimmte das. Nach dieser Saison dürfte es
zumindest nicht mehr so kollektiv über die Lippen gehen. Schon 2019 hatte
Torhüterin Almuth Schult in einem Interview mit der FAZ das fehlende
Interesse des DFB am Frauenfußball beklagt. In dieser Saison wandelte sie
viel konsequenter auf aktivistischen Pfaden.
Erst prangerte Schult die fehlende Unterstützung für Mütter im Fußball an,
[3][dann forderte sie bei „Fußball kann mehr“ unter anderem eine
Frauenquote für Führungspositionen.] Und gerade erst sagte sie der SZ auf
die Frage, ob sie sich vorstellen könne, DFB-Präsidentin zu werden:
„Grundsätzlich kann ich mir alles vorstellen, was den Fußball voranbringt.�…
Popkultur-Ikone wird sie sicher nie, aber Präsidentin wäre ja eine
Alternative. Das hat auch Megan noch nicht geschafft.
## Unsicherheit
Der Namenssponsor der Liga, eine Großdruckerei namens Flyeralarm, ist ein
Fan von Frauenfußball und von Niedriglöhnen. Und weil das so gut
zusammenpasst, scheint bei der Verbindung zwischen dem Unternehmen und dem
DFB alles im harmonischen Einklang zu stehen. Seitdem aber der Firmenchef
Thorsten Fischer sich in dieser Saison mächtig ärgerte, weil die von ihm
gleichfalls unterstützten Männer von den Würzburger Kickers seiner Ansicht
nach vom DFB und seinen Schiedsrichtern benachteiligt wurden, ist das
Verhältnis angespannt. Fischer will Verträge mit dem DFB-Männerteam
kündigen und nur noch den Frauenfußball unterstüzen – zumindest solange der
DFB etwas mehr nach seiner Pfeife tanzt. Die Finanzierung der Liga steht
also auf recht wackligen Beinen.
6 Jun 2021
## LINKS
[1] /FC-Bayern-Frauen-in-der-Champions-League/!5763347
[2] /Hoffenheim-Kapitaenin-ueber-die-Ligaspitze/!5660080
[3] /Frauen-fordern-Quote-in-Fussballgremien/!5767946
## AUTOREN
Alina Schwermer
Johannes Kopp
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