| # taz.de -- taz Talk zur Wahl in Sachsen-Anhalt: Kenia-Kumpels wider Willen | |
| > Allen Reibereien zum Trotz signalisieren Politiker von SPD, Grünen und | |
| > CDU im taz Talk Koalitionsbereitschaft. Nur die Linke kritisiert das | |
| > Vorhaben. | |
| Bild: Kenia 1.0: Unterzeichnung des Koalitionsvertrages im Landtag von Sachsen-… | |
| Berlin taz | In der Kenia-Männerrunde liegt fast schon eine etwas | |
| kumpelhafte Laune in der Luft. Mal abgesehen von dem ungeliebten | |
| Fraktionsvorsitzenden der Linken, Thomas Lippmann, scheint man sich in dem | |
| schwarz-rot-grünen Zweckbündnis schätzen gelernt zu haben – trotz aller | |
| Differenzen. Am Donnerstagabend im taz Talk, moderiert von | |
| taz-Landeskorrespondentin Ost Sarah Ulrich, signalisieren die Vertreter von | |
| SPD, CDU und Grünen jedenfalls Koalitionsbereitschaft. | |
| Es könnte ein Kopf-an-Kopf-Rennen werden bei der Landtagswahl in | |
| Sachsen-Anhalt am kommenden Sonntag: [1][Sollte die AfD vor der CDU | |
| liegen], wie es zumindest eine INSA-Umfrage von Ende Mai nahelegt, reicht | |
| es wohl nicht für eine Kenia-Koalition. Dann müsste eine andere | |
| Konstellation herhalten. Wird die CDU jedoch stärkste Kraft, wie von | |
| anderen Umfrageinstituten prognostiziert, ist eine Neuauflage des | |
| schwarz-rot-grünen Zweckbündnisses wahrscheinlich. | |
| Die Kenia-Koalition stand in der vergangenen Legislaturperiode immer wieder | |
| vor dem Bruch. Marco Tullner (CDU), Bildungsminister im Kabinett Haselhoff, | |
| will dennoch an einem Zweckbündnis zur Verhinderung einer | |
| AfD-Regierungsbeteiligung festhalten. Dafür schlägt der CDU-Mann sogar | |
| einen ziemlich versöhnlichen Tonfall an: „Bei allen Raufereien und | |
| Konfliktlinien hat das gut funktioniert“, meint er. | |
| Mit dieser Einschätzung ist Tullner an diesem Abend jedoch allein. Als | |
| Oppositionspolitiker kritisiert Lippmann die Koalition unter CDU-Führung | |
| scharf. „Man weiß nicht, was die CDU eigentlich in den nächsten Jahren vor | |
| hat – außer regieren zu wollen.“ Außerdem habe sie fast alle Projekte der | |
| Koalition blockiert. Und insgesamt sei der Umgang im Regierungsbündnis | |
| schlimm gewesen. Lippmann blickt deshalb mit Sorge auf die kommenden fünf | |
| Jahre. | |
| ## Wie weit rechts steht die CDU? | |
| Etwas zurückhaltender klingt es hingegen bei Grünen und SPD. Sie würden mit | |
| der CDU weiterregieren, stellen aber auch Bedingungen. Andreas Schmidt, | |
| Co-Vorsitzender der SPD, verbucht einige Erfolge für seine Partei in der | |
| Kenia-Koalition, darunter das Azubi-Ticket und die Abschaffung der | |
| Straßenausbaubeiträge. Für die Zukunft will er aber ein klares | |
| [2][Bekenntnis der CDU] zur aktiven Gestaltung des Landes: „Wir müssen raus | |
| aus dem guten Verwalten und dem Korrigieren vergangener Fehler.“ Es müsse | |
| um eine deutliche Entwicklung des Landes gehen. | |
| Sebastian Striegel sieht das ähnlich. Der Landesvorsitzende der Grünen gibt | |
| sich angriffslustiger als Schmidt: Die CDU habe sich in den letzten fünf | |
| Jahren als nicht besonders verlässliche Partnerin erwiesen. Sie sei immer | |
| wieder nach rechts ausgeschert. So zum Beispiel mit der Einladung | |
| Hans-Georg Maaßens in Tullners Kreisverband: „Sie muss sich an dieser | |
| Stelle klar aufstellen, und das muss bedeuten, eine klare Grenze zur AfD zu | |
| ziehen“. | |
| Das ist wohl das wichtigste Thema an diesem Abend. Wie weit rechts stehen | |
| die Christdemokraten in Sachsen-Anhalt? Zumindest ein Teil der CDU biedert | |
| sich der AfD an, darin sind sich alle einig. Nur CDU-Bildungsminister | |
| Tullner verteidigt einen „Kurs der Mitte“. | |
| „Auf der einen Seite muss eine Partei wie die CDU auf ein AfD-Wahlergebnis | |
| besonders reagieren. Wir müssen gucken, dass wir die Wähler zurückholen“, | |
| sagt Tuller. Insofern verstehe er, dass einige Kollegen etwas konservativer | |
| auftreten würden. Trotzdem koaliere man mit Rot-Grün. | |
| ## In die Zukunft blicken, weg von der „Mangelwirtschaft“ | |
| Ähnlich dissonant präsentiert sich die Lage in Bezug auf Marco Wanderwitz' | |
| Aussage zur Verwurzelung undemokratischer und rechtsextremer Tendenzen in | |
| Ostdeutschland. Grünen-Landesvorsitzender Striegel stimmt Wanderwitz zu: | |
| „Wir haben im Osten Deutschlands – und nicht nur da – ein manifestes | |
| Rechtsextremismus-Problem.“ | |
| Das sei sowohl auf die Diktaturerfahrung in der DDR zurückzuführen als auch | |
| auf die gescheiterte Transformation der 90er-Jahre. Für Lippmann ist der | |
| Nährboden für rechtes Gedankengut dagegen [3][eher nach der Wende als vor | |
| der Wende entstanden]. | |
| Zumindest Schmidt und Tullner sind sich einig: Wanderwitz habe | |
| pauschalisiert, und das sei wenig hilfreich. „Gerade als Volkspartei der | |
| Mitte besteht unsere Aufgabe darin, Leute einzuladen“, betont der | |
| CDU-Bildungsminister. | |
| Fast wäre bei dem ganzen Gerede über die CDU ein wichtiges Thema unter den | |
| Tisch gefallen: Wie genau wollen die Parteien eigentlich Sachsen-Anhalts | |
| Zukunft gestalten? Während Tullner für die CDU wenig Eindeutiges | |
| beizutragen hat, wird Linken-Fraktionschef Lippmann konkreter: Die Defizite | |
| in Gesundheit, Bildung und der Finanzierung von Kommunen müssten angegangen | |
| werden. „Es dürfen keine fünf Jahre der Mangelwirtschaft werden.“ | |
| Stattdessen müsste Geld in die Hand genommen werden. | |
| Obwohl an diesem Abend vieles unklar bleibt, ist zumindest eine Sache | |
| deutlich geworden: Was auch immer in Sachsen-Anhalt in den kommenden fünf | |
| Jahren auf die Agenda kommt, einfach wird es nicht. Kenia-Koalition hin | |
| oder her, ein Zweckbündnis gegen die AfD wird es allemal. Reibereien sind | |
| da vorprogrammiert, vor allem unter Kumpels. Die Alternative wäre nicht | |
| auszudenken. | |
| 4 Jun 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Julian Jestadt | |
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