| # taz.de -- Die Wahrheit: Mitleid mit Politikern | |
| > Die Seuche hat etwas Neues hervorgebracht: Die Verantwortlichen wirken | |
| > wie kleine Kätzchen, die sich im Baum der Nichterkenntnis verstiegen | |
| > haben. | |
| Jetzt, da die Pandemie abflaut oder Pause macht oder nicht mehr beachtet | |
| wird oder Luft holt für die vierte Welle, bevor sie dann im Herbst erst so | |
| richtig wieder loslegt, fällt mir auf, dass ich im Verlauf der Seuche so | |
| etwas wie Mitleid für unsere Politiker entwickelt habe. | |
| Sie wirken oft so rührend ungeschickt, so ahnungslos und ängstlich. Kleine | |
| Kätzchen, die sich im Baum der Nichterkenntnis verstiegen haben, und nun | |
| kläglich maunzend auf die Feuerwehr warten. Vielleicht hat Maxim Biller | |
| recht mit dem „kritiklosen Wissenschaftskult“, und es ist wirklich nichts | |
| ungeeigneter als die Wissenschaft, um wissenschaftsbasierte Probleme zu | |
| lösen. | |
| Früher haben noch starke Männer auf den Tisch gehauen – Roosevelt, | |
| Churchill oder Helmut Schmidt –, und zack! war die Inflation oder | |
| Flugzeugentführung oder eben Pandemie vorbei. Das Virus hätte winselnd den | |
| Schwanz eingezogen. Mao hätte ihm einfach in seine komischen | |
| Antennenknubbel gebissen und mit vollem Mund gelacht: Seht her, sollte das | |
| heißen, das Ding ist nicht gefährlich. Habt keine Angst. Glaubt nicht den | |
| falschen Sehern. Die Virologen haben keine Ahnung. Ich habe in der Wüste | |
| Gobi ein feines Lager für sie vorbereitet. Dort können sie ihre Zahlen dann | |
| in den eisigen Wind heulen. | |
| Die Politiker sind jetzt jedenfalls schlimm durcheinander. Sie tun mir | |
| leid. Ich schäme mich derart für sie, dass es schmerzt. Sie sind so | |
| peinlich. Wenn ich nur daran denke, was Laschet oder Spahn wieder Dummes | |
| gesagt haben, merke ich, wie mein Gesicht heiß wird. Bestimmt werde ich | |
| gerade knallrot. | |
| Inzwischen glaube ich sogar manchmal, dass sie zum Teil fast so was | |
| Ähnliches wie unser Bestes wollen, also nicht nur, aber auch. Das ist ja | |
| das Schlimme. Denn alles, was sie versuchen, geht schief. Voll der | |
| Slapstick. Sie verstehen nichts, müssen aber handeln. Ich wünsche ihnen so | |
| sehr wenigstens mal einen klitzekleinen Erfolg, dass sie vielleicht ein | |
| einziges Mal irgendetwas richtig machen, im Radio „Das Geräusch der Woche“ | |
| erraten oder so – sie wollen doch auch nur, dass man sie lieb hat. | |
| Vor Corona war ich echt anders, da war ich in puncto Politiker eher | |
| gehässig eingestellt. Ich hätte in meiner flapsigen Manier pauschal alles | |
| niedergemacht, was nach Politik klang. Einfach aus einer postpubertären, | |
| pseudocoolen Verweigerungshaltung heraus, ziemlich präpotent im Grunde, | |
| obwohl ich doch schon wahnsinnig alt bin. | |
| Aber Politiker findet „man“ nun mal Scheiße. Wie Bullen. Und Eltern. Das | |
| ist einfach Punk. „Ha, Politiker“, hätte ich geknurrt, „alles Verbrecher, | |
| die machen doch nix als Scheiße, die da oben, alle korrupt, ist doch wahr, | |
| ey“, doch jetzt ist irgendwas kaputtgegangen: In ihrer Erbärmlichkeit | |
| dauern sie mich unendlich. Das Scheißefinden war ja damals auch eine Form | |
| von Respekt, den man sich – viel Feind, viel Ehr – erst einmal verdienen | |
| muss. Mitleid bekommt man hingegen geschenkt. | |
| 16 Jun 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Uli Hannemann | |
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