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# taz.de -- Nach Zwangslandung in Minsk: „Wir leben in einem Terrorstaat“
> Belarus diskutiert in den sozialen Medien über die Festnahme von Roman
> Protassewitsch. Die Sorge um den Oppositionellen ist groß.
Bild: Roman Protassewitsch im Jahr 2017 vor einer Anhörung an einem Minsker Ge…
Minsk taz | Schon bevor Roman Protassewitsch am Sonntag ein Flugzeug von
Athen nach Vilnius bestieg, hatte er geäußert, dass er von einem
„seltsamen“ Russen mit Lederkoffer beschattet werde. Der Mann wollte wohl
Protassewitschs Ausweis fotografieren, dann war er verschwunden.
Seit November 2020 werden Protassewitsch und Stepan Putilo von der
belarussischen Regierung gesucht. Protassewitsch hatte den
Telegram-Nachrichtenkanal Nexta mitbegründet, war Chefredakteur und
berichtete über Demonstrationen, Verhaftungen und Gewalt gegen
Regimekritiker. Putilo, ebenfalls Gründer des oppositionellen Kanals, lebt
seit 2018 in Polen und betreibt Nexta von dort aus. Über Nexta wurden im
vergangenen August Hunderttausende Demonstranten mobilisiert.
Das belarussische Komitee für Staatssicherheit beschuldigt die beiden
Blogger seit Längerem, an terroristischen Aktivitäten beteiligt zu sein.
Das Untersuchungskomitee wirft ihnen die Organisation von Massenunruhen in
Minsk und die Anstiftung zur Volksverhetzung gegen politische Machthaber
und Angehörige der Miliz vor. Der Kanal Nexta und sein Logo gelten in
Belarus offiziell als extremistisch. Die Verwendung von Logo und Kanal ist
in den Medien verboten.
„Wie es ihm jetzt wohl geht?!“, schreibt der Belarusse Dmitri auf seiner
Facebook-Seite (aus Sicherheitsgründen sind im Text nur Vornamen angegeben,
Anm. d. Red.) „Das ist einfach schrecklich – für alle, die Belarus
verlassen haben, ist es nicht einmal mehr sicher, über unser Land
hinwegzufliegen. Jetzt werden sie vor jedem Flug erst einmal die genaue
Route checken.“
## „Ich dachte, solche Szenen gibt es nur in Hollywood-Filmen!“
„Regelmäßig denke ich, dass jetzt endlich alles an Bedeutung verliert und
Belarus nicht länger Topthema internationaler Berichterstattung ist“,
kommentiert die Journalistin Anna die Lage. „Zuerst kam heute die
Nachricht, dass das Flug auf dem Weg von Athen nach Vilnius aus irgendeinem
Grund [1][in Minsk landen musste]. Und kurz darauf hieß es, dass extra ein
Kampfjet gestartet sei, um die Maschine mit dem oppositionellen
Nexta-Gründer Protassewitsch herunterzuholen.“
Eine Kollegin von Anna schreibt: „Ich dachte eigentlich, solche Szenarien
gäbe es nur in Hollywood-Filmen – aber nein!“ „Heute wurde Lukaschenko
einmal mehr zum internationalen Verbrecher“, kommentiert der bekannte
Publizist Sascha. „Für die Verhaftung dieses jungen Mannes, der einen
Telegram-Blog hat, befahl der Opa, der jeglichen Realitätskontakt verloren
hat, die irische Maschine mit ausländischen Bürgern an Bord per Kampfjet
zur Landung zu zwingen. Wir leben [2][schon lange in einer Diktatur] –
jetzt leben wir in einem Terrorstaat.“
Und Veronika resümiert: „Man hat noch genau einen Gedanken: Wir sind im
Ghetto. Ein Flugzeug mit einem Kampfjet herunterzuholen? Ernsthaft? Rechnet
damit, dass bald überhaupt niemand mehr zu uns fliegt. Und nicht mal über
uns hinweg.“
„Der eilige Aufstieg eines Kampfjets, um zu verhindern, dass der Flug am
nächstgelegenen Flughafen landet, und dann wird er nach Minsk umgelenkt –
das ist ein Akt von Luftpiraterie“, schreibt Alexei. „Lukaschenko hat alle
zulässigen Grenzen überschritten.“
Darüber hinaus fahnden die belarussischen Machthaber nach zwei weiteren
Personen: Waleri Zepkalo, dem oppositionellen Präsidentschaftskandidaten,
und Swetlana Tichanowskaja, die die Opposition als legitime
Staatspräsidentin sieht.
Wir sind an einem Punkt, an dem es gefährlich ist, über unser Land
hinwegzufliegen.
Aus dem Russischen [3][Gaby Coldewey]
24 May 2021
## LINKS
[1] /Belarussischer-Oppositioneller/!5774025
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[3] /Gaby-Coldewey/!a23976/
## AUTOREN
Olga Deksnis
## TAGS
Belarus
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