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# taz.de -- Fußballturniere in Coronazeiten: Doppelte Standards
> Die Copa Ameríca soll trotz kritischer Coronalage in Brasilien gespielt
> werden. Ein Skandal! Eine EM in Europa soll wiederum kein Problem sein.
> Warum?
Bild: Corona-Turnier: die Maske ist für Bundestrainer Löw bei der EM eine Sel…
Im Fußball ist es offensichtlich, in der Politik wird bei so was immer
rumgedruckst. Dass es auf den Standpunkt ankommt, ob ein Gesetz
funktioniert oder ob einer im Abseits steht. Oder auch, ob in diesen Tagen
die Fußballer Kontinentalmeisterschaften austragen dürfen.
Die in Europa beginnt bald, die in Südamerika auch. Wegen Corona wurden
für die Euro die Spielorte Bilbao (Spanien) und Dublin (Irland) gestrichen.
Und daher trat für die Copa America Argentinien als Ausrichterland zurück,
nachdem zuvor schon aus anderen Gründen Kolumbien hingeschmissen hatte.
Also werden bei der Euro die Spiele, die in Bilbao und Dublin stattfinden
sollten, zwischen Sevilla (auch Spanien), St. Petersburg (Russland) und
London (Großbritannien) aufgeteilt. Und bei der Copa America ist auch ein
Ersatzausrichter eingesprungen: Brasilien. Das Land, in dem täglich etwa
2.000 Menschen an Covid-19 sterben.
Der Standpunkt, den man in Europa mehrheitlich zur Verlegung der Copa
America hat, lautet: Bolsonaro, der rechtsextreme Präsident Brasiliens,
will ohne Rücksicht auf Verluste Brot und Spiele durchsetzen. Aber welchen
Standpunkt nimmt man in Europa zur Euro ein, die in elf europäischen und
nicht ganz so europäischen Städten ausgetragen wird?
Irre Staatspräsidenten machen Brot-und-Spiele-Politik? Eine solche
Einschätzung ist nicht verbreitet. Vermutlich wäre sie auch falsch,
schließlich ist die Euro kein nationalstaatliches Projekt. Ganz egal ob
eine parlamentarische europäische Demokratie wie Frankreich oder
Deutschland agiert oder ein autoritäres Regime in Vorderasien wie
Aserbaidschan, immer hält der Fußballverband Uefa die Hand drauf. [1][Die
Macht der Uefa geht so weit], dass sie unabhängig von der jeweiligen
Coronalage den Ausrichterstädten die Garantie eines doch bemerkenswert
großen Quantums Zuschauern pro Stadion abnötigen konnte.
## Brasiliens Präsident ist nicht der Täter
In Südamerika heißt das Äquivalent zur Uefa Conmebol. „Die Copa America
2021 wird in Brasilien gespielt!“, hat der mächtige Fußballverband Ende Mai
verkündet. Der brasilianische Fußballverband CBF hatte seinem
Kontinentalverband den Vorschlag unterbreitet, und Brasiliens
Staatspräsident Bolsonaro wurde noch während der laufenden Sitzung
angerufen, ob das in Ordnung für ihn sei.
War es, denn es passt in seine Politik: sowohl in seine Coronapolitik, die
im Wesentlichen aus Leugnen und Kleinreden besteht. Aber auch sonst passt
ein internationales Sportgroßereignis gut ins Programm einer neoliberalen
Regierung. Mit solchen Events wird die Aufrüstung des Sicherheitsapparats
legitimiert, hier können Mittel aus der öffentlichen Hand in private
Taschen verteilt werden, und am Schluss kann sich der Präsident sogar noch
als derjenige feiern lassen, der das alles möglich gemacht hat – vielleicht
sogar einen Titelgewinn.
Aber eine Wirkung ist noch nicht mal im Fußball die Ursache. Treibende
Kraft des Brasilien-Deals war nicht Bolsonaro, sondern der Fußball. [2][Die
Conmebol] hätte im Fall eine Turnierabsage Verluste von über 100 Millionen
Dollar beklagt, die sie aus Fernsehverträgen erhält. Also hat sich der
Verband nicht etwa für das in Sachen Coronabekämpfung schon wesentlich
weitere Chile entschieden und schon gar nicht für eine Absage des Turniers,
sondern für ein politisches Gebilde, das ihm mit so wenig Auflagen wie
möglich droht.
Bolsonaro ist nicht der Täter in dieser Geschichte, sondern der ausführende
Helfer. Ob es solche Leute auch in Europa gibt, das ist eine Frage des
Standpunkts. Aber da es ja eher eine politische denn eine fußballerische
Frage zu sein scheint, darf rumgedruckst werden.
10 Jun 2021
## LINKS
[1] /Die-Fussball-EM-Plaene-der-Uefa/!5756703
[2] /Schweiz-liefert-Fifa-Funktionaer-aus/!5234004
## AUTOREN
Martin Krauss
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