# taz.de -- Putin-Konkurrent verlässt Russland: Dmitri Gudkow fürchtet Sippen… | |
> Der russische Oppositionspolitiker ist überraschend nach Kiew ausgereist. | |
> Er fürchtet, dass seine Tante für dessen Aktivismus büßen muss. | |
Bild: Dmitri Gudkow mit seiner Frau Valeria nach seiner zweitägigen Inhaftieru… | |
KIEW taz | Eigentlich hätte der 41-jährige [1][Dmitri Gudkow] gute Chancen | |
gehabt, ein zweites Mal ein Abgeordnetenmandat in der russischen Staatsduma | |
zu erringen. Nur 3 Prozentpunkte hatte er bei den letzten Wahlen 2016 | |
hinter dem siegreichen Kandidaten der Putin-Partei „Einiges Russland“ | |
zurückgelegen. Und so würde man jetzt von dem Kandidaten Gudkow erwarten, | |
bis zu den Septemberwahlen um jede Stimme in seiner Heimatstadt Moskau zu | |
kämpfen. Doch für viele seiner Anhänger völlig unerwartet, ist er soeben in | |
Kiew eingetroffen. | |
Warum zieht sich der russische Berufspolitiker, der soeben zwei Tage in | |
Untersuchungshaft verbracht hatte, so kurz vor den Wahlen ins Ausland | |
zurück? Es ist nicht die Angst vor einer Verfolgung gegen ihn, die den Sohn | |
des KGB-Majors und Ex-Abgeordneten Gennadi Gudkow einen Rückzug nach Kiew | |
antreten lässt. Es ist seine Tante, derentwegen der begeisterte | |
Basketballspieler das Land verlässt. | |
Über hundert vermummte Sonderpolizisten waren kürzlich wie bei einer | |
Terroristenjagd im Einsatz gewesen, um seine Tante und ihn wegen einer | |
geringfügiger Summe ihrer Mietschulden festzunehmen. Und so sei es die | |
Sorge vor einer anhaltenden Sippenhaft gegen seine Tante gewesen, die ihn | |
zur Reise nach Kiew bewegt habe. Der Tante hätten die zwei Tage U-Haft nach | |
ihrer Coronaviruserkrankung sehr zugesetzt. | |
Hineingewachsen ist Gudkow junior in die Politik über seinen Vater, Gennadi | |
Gudkow, einen früheren Funktionär der kommunistischen Jugendorganisation | |
Komsomol. Während seines Journalistik-Studiums an der Moskauer Staatsuni | |
hatte er bereits für den Vater gearbeitet, in dessen Sicherheitsfirma und | |
in dessen Wahlkampfteam. | |
Nach 2001 wurde er Mitarbeiter des Duma-Abgeordneten Gennadi Gudkow und | |
Pressesprecher von dessen „Volkspartei der Russischen Föderation“. Nach der | |
Vereinigung mit der Partei „Gerechtes Russland“ leitete Gennadi Gudkow die | |
Presseabteilung. Zeitweise war er auch Chef der „Jungsozialisten | |
Russlands“. 2010 wurde er Berater von Parteichef Sergei Mironow, 2011 kam | |
er auf der Liste von „Gerechtes Russland“ in das Parlament. | |
## Protestaktionen für gerechte Wahlen | |
Doch dann trennten sich die Wege. Während sich „Gerechtes Russland“ immer | |
mehr zur putinfreundlichen Oppositionspartei wandelte, fühlte sich Gudkow | |
junior mehr und mehr von der außerparlamentarischen Opposition | |
angesprochen. Ende 2011 und Anfang 2012 beteiligte er sich an den | |
Protestaktionen für gerechte Wahlen, im Oktober 2012 wurde er in den | |
Koordinierungsrat der Opposition gewählt. Dies brachte ihm im März 2013 den | |
Ausschluss aus der Partei „Gerechtes Russland“ ein. | |
Als sich das russische Parlament im März 2014 mit überwältigender Mehrheit | |
für die [2][Annexion der Krim] aussprach, war Gudkow einer von vier | |
Abgeordneten, die die Annexion nicht billigten. Er sei immer ein gemäßigter | |
Politiker gewesen, erklärte er kürzlich. Und die seien, da sie bis in | |
höchste Regierungskreise Sympathisanten hätten, für die Machthaber eine | |
größere Gefahr als radikale Oppositionelle. | |
Nun hofft Gudkow, dass Russlands Machthaber nicht auch noch seine Frau | |
Valeria Gudkowa und seinen 7-jährigen Sohn Alexander, die in Moskau | |
zurückgeblieben sind, [3][in Sippenhaftung nehmen.] | |
7 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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