| # taz.de -- Moscheebau in Gelsenkirchen blockiert: Baurecht gegen Islam-Zentrum | |
| > Ein Moscheeverein will ein leerstehendes Gebäude nutzen, um Imame | |
| > auszubilden. Politik und Verwaltung scheinen den Plan verhindern zu | |
| > wollen. | |
| Bild: Hier soll das Schulungszentrum für Imame entstehen | |
| „Von dem Vorhaben, eine islamische Bildungseinrichtung in der Feldmark | |
| aufzubauen, höre ich zum ersten Mal“, sagt Jürgen Karczewski, der mit | |
| seiner Familie in dem Stadtteil im Südwesten [1][Gelsenkirchens] lebt und | |
| sich im Bürgernetzwerk „Runder Tisch“ engagiert. Karczewski ist ein | |
| sportlicher Typ und hat sich lange um die Jungendarbeit beim Fußballverein | |
| Adler Feldmark gekümmert. | |
| „Dass wir von dem Eigentümer und den Plänen nichts wissen, überrascht mich | |
| nicht. Das gibt es bei Politik und Verwaltung in Gelsenkirchen öfter. Wir | |
| haben ähnliche Erfahrungen gemacht, als wir einen Kunstrasenplatz für den | |
| Verein bauen wollten“, sagt er. Nach eigenem Verständnis hat sich die SPD, | |
| die in Gelsenkirchen regiert, von der Politik der Hinterzimmer | |
| verabschiedet. | |
| Ende April bekamen Bürger:innen in der Feldmark eine Einladung der | |
| Stadtverwaltung, sich bei einem Beteiligungsverfahren einzubringen. Auf dem | |
| Gelände des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Firma Küppersbusch sollen | |
| Wohnungen und Reihenhäuser entstehen. Ein normales Verfahren im Baurecht, | |
| was bei genauer Betrachtung viele Fragen aufwirft: Denn der Eigentümer des | |
| Geländes ist heute der Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ). Und | |
| der hat kein Interesse daran, hier Reihenhäuser zu errichten. | |
| In Gelsenkirchen ist der VIKZ an vier Standorten mit Moscheen und | |
| Bildungseinrichtungen aktiv. Mit Unterstützung der Zentrale in Köln wurde | |
| 2015 das seit Jahren leerstehende Gebäude in der Feldmark gekauft. Mit | |
| einer Veränderungssperre hat die Stadtverwaltung 2017 dem Eigentümer die | |
| „Errichtung einer internatsähnlichen Bildungseinrichtung“ verboten. | |
| „Kirchliche und kulturelle Zwecke“ sind hier untersagt. Eine öffentliche | |
| Diskussion über die Nutzung hat nie stattgefunden. | |
| ## Die Stadt schweigt | |
| Die Feldmark ist ein Stadtteil, den Stadtplaner als „gutbürgerlich“ | |
| bezeichnen. Der Anteil Zugewanderter liegt unter dem städtischen | |
| Durchschnitt, es gibt viele Eigenheime und kaum „Schrottimmobilien“. Bei | |
| den Kommunalwahlen im September letzten Jahres hatte die SPD hier ein gar | |
| paar Prozentpunkte mehr als im Rest der Stadt. | |
| Im Jahr 2019 wurde die Sperre für zwei Jahre verlängert und in diesem Jahr | |
| erfolgte die zweite Verlängerung. Nach dem Baurecht muss jetzt mit der | |
| Entwicklung eines Bebauungsplans begonnen werden. So kommt es zu einem | |
| öffentlichen Beteiligungsverfahren, bei dem die Bürger:innen ihre | |
| Vorschläge einreichen sollen. | |
| „Wir sind überrascht, dass die Stadtverwaltung Gelsenkirchen jetzt ein | |
| solches Verfahren für die Bebauung des Grundstücks an der | |
| Küppersbuschstraße durchführt“, kritisiert Erol Pürlü, Pressesprecher der | |
| VIKZ-Zentrale in Köln. „Wir sind der Eigentümer des Gebäudes und an unseren | |
| Plänen hat sich nichts geändert. Wir haben immer mit der Stadtführung | |
| gesprochen und auf eine Lösung gehofft.“ Also: ein Verfahren ohne | |
| Grundlage. | |
| Die erste Phase der Bürgerbeteiligung ist abgeschlossen. Wie viele | |
| Vorschläge es gab, wird von der Verwaltung nicht verraten. Die zweite Phase | |
| ist für Anfang des kommenden Jahres geplant. | |
| „Stadt und Politik wollen kein muslimisches Schulungszentrum an diesem Ort. | |
| Die Auseinandersetzung über das Bauplanungsrecht anzugehen, ist der | |
| falsche Weg“, sagt Architekt Albert Ude, der lange für die SPD im Stadtrat | |
| saß. „Nicht der Planungsapparat einer Kommune kann oder darf das auf diese | |
| Art lösen. Es handelt sich hier um einen klassischen Fall von politischer | |
| Arbeitsverweigerung.“ | |
| Die Stadt Gelsenkirchen hat auf Fragen der taz bisher nicht geantwortet. | |
| Dass sich Verwaltung und Politik in Gelsenkirchen mit Transparenz | |
| schwertun, zeigt auch ein Vorgang vom März dieses Jahres. Im Stadtrat wurde | |
| die Einführung der „Rats-TV“ genannten Übertragung der Sitzungen ins | |
| Internet von einer Mehrheit abgelehnt. | |
| Auf seiner Internetseite bekennt sich der VIKZ zur | |
| „freiheitlich-demokratischen Grundordnung Deutschlands“. Eine Beobachtung | |
| durch den Verfassungsschutz gibt es nicht und die Forderung danach aus den | |
| Reihen der CDU liegt mehr als 10 Jahre zurück. „Der Verein wartet seit | |
| vielen Jahren auf eine Lösung. Das ist ihm vom ehemaligen Oberbürgermeister | |
| Frank Baranowski und von der Nachfolgerin Karin Welge zugesagt worden, | |
| passiert ist bisher nichts“, kritisiert Ali Akyol, Mitglied des Stadtrats | |
| und Fraktionsgeschäftsführer von WIN. „Dabei spricht die Politik immer | |
| davon, [2][dass Imame in Deutschland ausgebildet werden sollen] und das | |
| unabhängig von der türkischen Regierung.“ | |
| Begonnen hat die Geschichte vor vielen Jahren im Gelsenkirchener Stadtteil | |
| Bismarck. Hier hat der VIKZ im Schatten der ehemaligen Zeche | |
| „Consolidation“ seine Heimat. Den Bau einer islamischen Bildungseinrichtung | |
| hat die Stadt hier bislang mit dem Hinweis auf Einschränkungen im | |
| Gewerbegebiet verhindert. Gut möglich, dass es hier jetzt zu einer Einigung | |
| kommt. Bismarck ist geprägt von einer großen, türkischstämmigen Community, | |
| und eine islamische Einrichtung würde an dieser Stelle, keine Diskussionen | |
| auslösen. | |
| 2 Jun 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Michael Voregger | |
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