# taz.de -- Humanitäre Krise im Kongo: Hunderttausende auf Chaosflucht | |
> 400.000 Menschen haben auf Anordnung der Behörden die Stadt Goma | |
> verlassen. Kongos Präsident Tshisekedi schließt ihre Heimkehr derzeit | |
> aus. | |
Bild: Schlangestehen für Wasser in der völlig überlaufenen Kleinstadt Sake w… | |
BERLIN taz | Am vierten Tag der Massenflucht aus der ostkongolesischen | |
Millionenstadt Goma bleibt völlig unklar, wie es weitergeht. Laut Behörden | |
haben 400.000 Menschen Goma verlassen, seit die Militärregierung der | |
Provinz Nord-Kivu ohne Vorwarnung in der Nacht zum vergangenen Donnerstag | |
die Evakuierung von 10 der 18 Bezirke der Provinzhauptstadt anordnete. | |
Grund war die Angst vor einem erneuten Ausbruch des Vulkans Nyiragongo, an | |
dessen Fuß Goma liegt. Eine Eruption am 22. Mai hatte mehrere Dörfer am | |
Stadtrand zerstört; laut Wissenschaftlern staut sich seitdem Lava direkt | |
unter Goma sowie unter dem Kivu-See und könnte dort jederzeit neu | |
ausbrechen. | |
Kongos Präsident Felik Tshisekedi schloss am Samstagabend auf einer | |
Pressekonferenz in der fernen Hauptstadt Kinshasa eine schnelle Rückkehr | |
der Geflohenen in ihre Häuser aus: „Wir haben noch keine Informationen, die | |
uns erlauben, eine Rückkehr zuzulassen“, sagte er. „Die Wissenschaftler | |
müssen uns zu 100 Prozent beruhigen. Selbst bei 1 Prozent Unsicherheit wäre | |
ich nicht dafür, dass die Bevölkerung zurückkehrt.“ | |
Eine hundertprozentige Sicherheit, dass der Nyiragongo nicht wieder | |
ausbricht, ist allerdings unmöglich, da es sich um einen aktiven Vulkan | |
handelt. So bleibt das Schicksal der Menschen, die Goma verlassen haben, in | |
der Schwebe – und ihre Lage wird immer dramatischer. Die humanitäre | |
Situation sei „ernst, aber unter Kontrolle“, behauptete Tshisekedi; | |
[1][Helfer vor Ort] widersprechen. | |
## Kampieren in Schulen und Kirchen | |
Als die Evakuierung angeordnet wurde, gab es keinerlei Pläne, wohin die | |
Leute gehen sollten und wie sie zu versorgen seien. Mindestens 180.000 | |
Menschen landeten in der Kleinstadt Sake 20 Kilometer westlich von Goma, | |
die selbst nur 70.000 Einwohner hat. Sie kampieren dort in Schulen und | |
Kirchen beziehungsweise an deren Außenwänden oder einfach auf der Straße. | |
Trinkwasser und Lebensmittel müssen die meisten selbst auftreiben. | |
Die UN-Mission im Kongo (UN-Monusco) verteilte nach eigenen Angaben in Sake | |
100 Lebensmittelpakete und stellte zwei Trinkwassertanks zur Verfügung – | |
viel zu wenig für 180.000 Menschen. Inzwischen arbeiten auch das Rote Kreuz | |
und Ärzte ohne Grenzen an der Wasserversorgung in Sake, wo bis Sonntag | |
bereits acht Cholerafälle gezählt wurden. | |
Viele Menschen machen sich mittlerweile auf eigene Faust auf den Heimweg; | |
einen Überblick, wie viele sich wo aufhalten, gibt es nicht. Lokale | |
Kontakte berichten der taz, dass es mangels Stromversorgung für viele | |
Menschen keine Möglichkeit gibt, ihre Telefone aufzuladen, und daher | |
Kommunikation immer schwieriger wird. | |
Zehntausende Menschen sind aus Goma Richtung Norden geflohen, entlang der | |
wichtigsten Handelsstraße der Provinz, obwohl die teilweise vom jüngsten | |
Vulkanausbruch verschüttet wurde. Aus der 70 Kilometer entfernten | |
Distrikthauptstadt Rutshuru berichtete ein Bewohner Gomas am Samstag: „Die | |
Stadt ist schon voll, mit Autos überall und Menschen auf und an den | |
Straßen. Mit der Unsicherheit drum herum, die den Zugang zu den Feldern | |
erschwert, kann man sehr kurzfristig eine schwere Nahrungsmittelknappheit | |
erwarten.“ | |
Die internationalen Hilfswerke, die ansonsten aus Goma heraus ihre | |
Aktivitäten in Nord-Kivu steuern, haben ebenso wie die UN-Mission den | |
Großteil ihres internationalen Personals abgezogen, ein gemeinsamer | |
Hilfsplan ist erst noch in Arbeit. Der ständige [2][UN-Nothilfefonds CERF] | |
hat 1,2 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt, die in erster Linie die | |
Trinkwasserversorgung in Goma sichen sollen. | |
30 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://reliefweb.int/report/democratic-republic-congo/dr-congo-volcanic-er… | |
[2] https://www.humanitarianresponse.info/en/operations/democratic-republic-con… | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Ostkongo | |
Vulkanausbruch | |
Goma | |
Nord-Kivu | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nach dem Vulkanausbruch im Kongo: Weiterleben, irgendwie | |
Im Kongo kehren viele Vulkanflüchtlinge nach Hause zurück. Denn jenseits | |
der Stadt funktioniert nichts. Ein Ortsbericht aus Goma. | |
Nach dem Vulkanausbruch im Kongo: Massenflucht aus Goma | |
Zehntausende verlassen die Millionenstadt am Fuße des Nyiragongo-Vulkans. | |
Die Behörden warnen: Er könnte erneut ausbrechen – unter der Stadt. | |
Vulkanausbruch im Kongo: Die Erde bebt, die Menschen zittern | |
Nach dem Vulkanausbruch im Kongo gibt es immer mehr Schäden und Tote. Dabei | |
ist der Ausbruch noch immer nicht endgültig vorbei. | |
Ein Augenzeugenbericht aus Kongo: Als der Himmel Feuer fing | |
Wie Kongos Millionenstadt Goma den Ausbruch des Nyiragongo-Vulkans erlebt | |
hat – und wie es jetzt weitergeht. Ein Augenzeuge berichtet. |