# taz.de -- UN-Ermittlung über Jesiden im Irak: Es war ein Genozid | |
> Ein Abschlussbericht zu UN-Ermittlungen legt Beweise vor: Die Verfolgung, | |
> Versklavung und Ermordung von Jesid*innen durch den „IS“ war | |
> Völkermord. | |
Bild: Trauerfeier für vom IS getötete und in Massengräbern beerdigte Jesid*i… | |
BEIRUT taz | Ein UN-Untersuchungsteam hat Beweise für [1][Völkermord an den | |
Jesid*innen] durch den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) vorgelegt. | |
Das Ermittlungsteam „Unitad“ stuft die Ermordung, Vertreibung und | |
Versklavung von Jesid*innen im Irak als Genozid ein. Das Team habe | |
Angriffe, sexuelle Sklaverei, Verbrechen gegen Kinder und Massentötungen | |
geprüft, erklärte Untersuchungsleiter Karim Khan vor dem UN-Sicherheitsrat | |
am Montag. Auf Videos, die Massenexekutionen verherrlichen, sei die | |
Anweisung zu hören: „Tötet sie, wo ihr sie findet.“ | |
Die [2][religiöse Minderheit der Jesid*innen], seit Jahrhunderten | |
verfolgt, stammt aus dem Irak, Syrien, der Türkei und dem Iran. Sie lebt | |
vor allem in der Gegend um die irakische Stadt Mossul und im nahen | |
Sindjar-Gebirge. Als der IS 2014 im Nordirak die Kontrolle übernahm, zwang | |
er zahlreiche Jesidinnen zur Sklaverei, tötete geschätzt 10.000 Menschen | |
und vertrieb den Großteil der knapp 500.000 Jesid*innen. | |
Das UN-Team Unitad hatte 2017 angefangen, Beweise aufzunehmen. Sie | |
untersuchten Laptops und Handys von IS-Mitgliedern, analysierten | |
Verwaltungsdokumente und Propaganda-Videos des IS und befragten Zeug*innen. | |
Insgesamt hat das Team 1.444 Täter identifiziert. Einige seien „eindeutig | |
für das Verbrechen des Völkermords an der jesidischen Gemeinschaft | |
verantwortlich“, heißt es im Abschlussbericht. Doch der Irak habe nicht das | |
erforderliche Justiz- und Rechtssystem, um die Verbrechen als Völkermord | |
und nicht nur als Terrorakte ahnden zu können, erklärte Khan. | |
## Von Abschiebung bedroht | |
„Wir suchen immer noch nach dem politischen Willen zur Strafverfolgung“, | |
sagte [3][Nadia Murad, eine irakische Jesidin], die vom IS versklavt und | |
vergewaltigt wurde. Sie kämpft als Menschenrechtsaktivistin gegen den | |
Einsatz sexueller Gewalt als Kriegswaffe, [4][2018 erhielt sie dafür den | |
Friedensnobelpreis]. | |
Sie hatte sich auch mit der Anwältin Amal Clooney dafür starkgemacht, dass | |
der UN-Sicherheitsrat das Unitad-Ermittlungsteam gründete. Sie wollen die | |
Verbrechen vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen; Unitad-Chef | |
Khan ist dessen designierter nächster Chefankläger. | |
Viele Jesid*innen sind nach Deutschland geflohen. Doch trotz | |
Völkermordes gilt für sie kein genereller Anspruch auf Anerkennung als | |
Geflüchtete. So entschied das Oberverwaltungsgericht Münster am Montag | |
gegen eine 19-jährige irakische Jesidin in Solingen, die gegen ihre | |
Abschiebung geklagt hatte. Das Gericht entschied, dass Jesid*innen im | |
Irak keine Verfolgung mehr drohe. | |
11 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Julia Neumann | |
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