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# taz.de -- Novelle der Berliner Bauordnung: Mehr Grün, weniger Flächenverbra…
> Noch vor den Wahlen soll die Berliner Bauordnung novelliert werden. Doch
> nun gibt es plötzlich Streit um den Entwurf von Bausenator Sebastian
> Scheel.
Bild: Das Dragonerareal in Berlin-Kreuzberg
Berlin taz | Eine „Stadt der kurzen Wege“ will Berlins Bausenator Sebastian
Scheel. Erst vergangene Woche hat das der Linkenpolitiker bei der
Veranstaltung „Stadt im Gespräch – Berlin im Wandel“ in der Urania
bekräftigt. „Wir müssen [1][die Berliner Mischung] neu definieren“, beton…
Scheel, „auch die zwischen Wohnen und Gewerbe“.
Eine Allerweltsforderung, eigentlich. Schließlich wollen alle die Stadt der
kurzen Wege und eine gemischte Stadt. Selbst die SPD-Spitzenkandidatin
Franziska Giffey würde das wohl unterschreiben, auch wenn sie ihre
Wählerstimmen inzwischen am liebsten dort holen will, wo die Wege lang sind
und die Stadt überhaupt nicht so recht gemischt: außerhalb des
S-Bahn-Rings.
Doch plötzlich wurde aus der Allerweltsforderung in der Urania ein Streit.
Sebastian Scheels Gesprächspartnerin Christine Edmaier wollte das mit der
Mischung so nicht stehen lassen. „Das Thema Gewerbe und Wohnen beschäftigt
uns schon länger“, betonte die Präsidentin der Berliner Architektenkammer.
„Wir haben versucht, da in der Bauordnung was zu machen. Das hat nicht
geklappt.“ Früher sei es in Kreuzberg üblich gewesen, in Fabriketagen zu
leben, erinnerte Edmaier. „Heute ist das nicht mehr vorgesehen.“
Die Bauordnung also. Ländersache ist sie und soll noch in dieser
Legislaturperiode novelliert werden. Nicht nur ein bisschen wie 2018, als
das Bauen mit Holz erleichtert wurde, sondern grundsätzlich. Derzeit
kursiert ein Entwurf von Scheels Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und
Wohnen vom Januar 2021, der der taz vorliegt. Das Thema Mischung von Wohnen
und Arbeiten spielt darin keine Rolle.
## Nicht nur eine Stellschraube
Doch das ist nicht der einzige Punkt, den die Architektenkammer am Entwurf
für das neue Regelwerk kritisiert. Auch der Abriss von Bestandsgebäuden
zugunsten teurer Neubauten wird im Entwurf der Novelle nicht thematisiert.
Schon im vergangenen November monierte die Architektenkammer in einer
Pressemitteilung deshalb: „In jedem Fall sollte der genehmigungsfreie
Ersatz von Bestandsgebäuden durch Neubauten gleicher Abmessungen wieder
gestrichen werden, da die negativen Folgen bereits in vielen Stadtteilen
sichtbar geworden sind.“ Bei der Veranstaltung in der Urania am 3. Mai
forderte Edmaier sogar eine Abrissverbot. „Das Ersetzen von günstigem
Wohnraum durch Eigentumshäuser geht nicht“, sagte sie zur Begründung.
Hintergrund der Forderung ist die Diskussion um einen neuen
Gebäudeeffizienzerlass, der den Abriss vor allem von Mietwohnungen aus den
fünfziger Jahren aus Klimaschutzgründen erleichtern soll. Dagegen hatten
schon der Bund Deutscher Architekten und die Deutsche Umwelthilfe
protestiert – und für mehr Kreislaufwirtschaft beim Bauen plädiert.
Doch ist die Bauordnung tatsächlich das Regelwerk, in dem politische
Forderungen wie diese verankert werden sollten? Die Architektenkammer
selbst hatte ihre Pressemitteilung vom November mit „Wie politisch soll
eine Bauordnung sein?“ überschrieben. Im Gespräch mit der taz räumt
Christine Edmaier ein, dass es nicht die eine Stellschraube gebe, an der
man drehen könne. „Alleine beim Thema Mischung müssten viele Paragraphen
geändert werden, das ist im Grunde wie das Gendern, das sich durch alle
Bereiche zieht“, sagte Edmaier. „Dennoch ist das wichtig.“
## Berlin ist Vorreiter
Einen anderen Blick auf das Thema hat der grüne Sprecher für Baupolitik im
Abgeordnetenhaus, Andreas Otto. Er verweist darauf, dass in der
Baunutzungsverordnung bereits eine neue Kategorie eingeführt worden sei, um
dem Thema Mischung von Wohnen und Arbeiten Rechnung zu tragen. „Bisher gab
es da immer nur Wohngebiete, Kerngebiete oder Mischgebiete“, sagt Otto.
„Jetzt gibt es auch das Urbane Gebiet, das heißt, dass es nun möglich ist,
den Wohnanteil in Quartieren mit viel Gewerbe zu erhöhen.“ Ein Beispiel
dafür seien [2][das Dragonerareal] oder die Siemensstadt 2.0.
Otto selbst begrüßt den Entwurf der neuen Bauordnung. „Da ist viel grüne
Handschrift dabei“, lobt er und nennt als Beispiel die Pflicht zur Dach-
und Fassadenbegrünung. Auch das Verbot von Schottergärten will Otto noch in
der Bauordnung verankern. An einem Punkt aber haben sich die Grünen bislang
nicht durchsetzen können. So soll im Entwurf von Scheel der Abstand zu
Bestandsgebäuden bei einem Neubau wie bisher mindestens 0,4 mal Gebäudehöhe
betragen. So sieht es auch die Musterbauordnung des Bundes vor, eine
Richtlinie, an die sich die Länder halten sollten. Im Koalitionsvertrag mit
SPD und Linken hatten die Grünen allerdings 0,5 mal Gebäudehöhe verankern
können. „Darüber müssen wir noch einmal sprechen, wenn der Entwurf vom
Senat beschlossen wird und ins Parlament geht“, kündigte Otto an.
Die Architektenkammer wiederum will an der Ziffer 0,4 festhalten. Dies
würde die Verdichtung im Innenstadtbereich erleichtern und damit auch den
Flächenverbrauch reduzieren, heißt es zur Begründung. Tatsächlich ist
dieser in den vergangenen Jahren wieder leicht gestiegen. 2018 betrug er in
Berlin 62 Hektar pro Jahr. Bis 2030 will Berlin den Flächenverbrauch auf 30
Hektar senken, 2050 soll dann eine Netto-Null stehen, das heißt, das Ziel
einer Flächenkreislaufwirtschaft erreicht sein.
Gleichwohl lobte auch Christine Edmaier die Berliner Bauordnung. „Berlin
ist da in jedem Fall der Vorreiter“, sagte sie der taz. So gebe es in
Berlin, anders als in anderen Bundesländern, keine Stellplatzverordnung
mehr. Wer in Berlin baut, muss keine Stellplätze für PKW nachweisen.
[3][Autofreies Wohnen ist also möglich.] Erzwingen kann es die Bauordnung
aber nicht.
17 May 2021
## LINKS
[1] /Fotoprojekt-ueber-Kreuzberger-Mischung/!5765869
[2] /Dragoner-Areal-in-Kreuzberg/!5600595
[3] /Verkehrsforscher-ueber-Sprache/!5766200
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Wohnungsbau
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Dragoner-Areal
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