# taz.de -- Protest gegen humanitäre Katastrophe: Campen gegen Frontex | |
> Auf dem Göttinger Marktplatz protestieren Aktivisten für die Evakuierung | |
> der Flüchtlingslager an EU-Außengrenzen – und gegen alltäglichen | |
> Rassismus. | |
Bild: Der Protest in Göttingen schlägt die Brücke zwischen Rassismus und EU-… | |
GÖTTINGEN taz | Der Göttinger Marktplatz hat sich am Wochenende in ein | |
Protestcamp verwandelt. Aktivisten stellten rund 20 Zelte auf und | |
protestierten mit einer Dauerkundgebung gegen die Flüchtlingspolitik der | |
Europäischen Union. Die Aktion begann am späten Samstagnachmittag und | |
dauerte Sonntagmittag noch an. Ähnliche Proteste gab es auch in anderen | |
deutschen Städten. | |
Hauptforderung der Demonstranten in Göttingen war die Evakuierung von | |
Flüchtlingslagern: „Die Situation dort ist unerträglich“, sagte Valea Radu | |
vom Bündnis „Lager auflösen, jetzt!“ „Wir fordern die sofortige Evakuie… | |
der Lager an den Außengrenzen, sichere Fluchtrouten, und eine | |
menschenwürdige Aufnahme aller Flüchtenden in die EU!“ | |
Zwischen und vor den Zelten hatten Teilnehmer der Aktion Transparente auf | |
den Boden gelegt, andere Spruchbänder hingen an der Fassade des Alten | |
Rathauses. „Solidarisch durch die Krise statt Verschwörungswahn – Lager | |
evakuieren, Grenzen öffnen“, war dort etwa zu lesen, oder: „Rassismus töt… | |
– Von Hanau bis Moria“. | |
Den ganzen Abend, teilweise auch in der Nacht gab es Wortbeiträge und | |
Bilder aus verschiedenen Flüchtlings-Hotspots auf den griechischen Inseln | |
oder auf dem Balkan. Redner/innen beschrieben die Zustände dort als | |
katastrophal: Es gebe kaum eine medizinische Versorgung, zum Teil nicht | |
einmal ausreichend Essen, Krankheits- und Todesfälle häuften sich. | |
Heftig kritisiert wurden auch die „Pushbacks“ durch Sicherheitskräfte und | |
die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Dabei werden Flüchtende, die bereits ein | |
EU-Land erreicht haben, gewaltsam und ohne die Möglichkeit, Asyl zu | |
beantragen, wieder hinter die Außengrenze gebracht. | |
## Kalkül statt Zufall | |
„Die EU hindert geplant und oft mit brutaler Gewalt Menschen daran, ihr | |
Recht auf Asyl wahrzunehmen“, erklärte Radu. „Das ist kein Zufall, sondern | |
politisches und wirtschaftliches Kalkül.“ Nötig sei eine solidarische | |
Gesellschaft ohne Nationalstaaten und deren Grenzen – denn solange diese | |
bestünden, würden immer wieder Menschen auf der Flucht verprügelt, | |
entwürdigt, kriminalisiert und getötet. | |
Mit Grenzbefestigungsanlagen auf der Balkanroute und „perfiden“ | |
Flüchtlingsabkommen mit diktatorischen Regimen wie der Türkei schotte sich | |
die EU immer weiter ab. | |
Vor allem am Samstag blieben viele Passanten stehen, um den Redebeiträgen | |
oder der im Camp gespielten Musik zu lauschen. Ihrerseits solidarisierten | |
sich die Platzbesetzer mit einer Demonstration kolumbianischer | |
Studierender, die am Abend in der Innenstadt gegen die Repression in ihrem | |
Land protestierten und dabei auch am Camp vorbeizogen. | |
9 May 2021 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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