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# taz.de -- Absurde Klimapolitik in Helsinki: Finnland zerstört CO2-Speicher
> Fürs Klima ist die Torfverbrennung schlecht. Die finnische Regierung will
> sie nun dennoch künstlich hochfahren – des Koalitionsfriedens wegen.
Bild: Gewaltiger CO2-Speicher – eigentlich: Moorlandschaft im Oulanka Nationa…
Stockholm taz | [1][Finnlands Klimapolitik] ist zu erfolgreich: Der
CO2-Ausstoß des Landes fällt schneller als von der Regierung geplant. Nun
soll mit Hilfe von Steuergeldern dafür gesorgt werden, dass es langsamer
geht.
Absurd? Nicht nach der Logik der Regierung in Helsinki. Die war im April in
eine Haushaltskrise geschlittert. Die rechtsliberale Regierungspartei
Zentrum kommt seit den Wahlen vor 2 Jahren, bei denen sie gleich ein
Drittel ihrer Stimmen verloren hatte, nicht aus dem Tief heraus. Nun wollte
sie auf sich aufmerksam machen und drohte damit, sowohl dem Staatshaushalt
als auch dem Corona-Hilfspaket der EU ihre Zustimmung zu verweigern. Die
Koalition wäre am Ende gewesen, die [2][Regierung von Ministerpräsidentin
Sanna Marin] hätte ihre Parlamentsmehrheit verloren.
Die Drohungen fruchteten. Neben einigen Änderungen des Budgets ließ sich
die Zentrumspartei ihr Verbleiben in der Regierung damit schmackhaft
machen, dass die Torfverbrennung nun künstlich hochgehalten wird. Die
[3][Verbrennung von Torf ist in Finnland noch weit verbreitet. Dabei ist
sie eine der klimaschädlichsten Methoden, Energie zu erzeugen], weil
Moorböden zu den effektivsten CO2-Speichern gehören und schon bei der
Trockenlegung viel Treibhausgas frei wird. Insgesamt trägt die
Torfverbrennung über 10 Prozent zum finnischen CO2-Ausstoß bei – mehr als
der gesamte PKW-Bestand.
Doch mit den steigenden Preisen für CO2-Verschmutzungsrechte war dieser
Brennstoff den Fernwärmewerken, die den Torfabbau in den vergangenen Jahren
vorwiegend am Leben gehalten hatten, zu teuer geworden. Sie wechselten zu
Brennstoffen mit geringeren Emissionen. Ganz im Sinn des
Emissionshandelssystems – aber nicht in dem der Zentrums-Vorsitzenden
Annika Saarikko: „Das geht zu schnell“, sagte sie.
## Am Torf hängen 4.000 Arbeitsplätze
Am Torf hängen 4.000 Arbeitsplätze, meist in strukturschwachen Gegenden, wo
die Zentrumspartei noch viele ihrer verbliebenen WählerInnen findet.
PolitikerInnen, deren Horizont nur bis zum nächsten Wahltermin reicht, ist
Klimaschutz bekanntlich schnuppe, wenn es um angestammte Arbeitsplätze
geht. Und Anfang Juni sind in Finnland Kommunalwahlen, die Saarikko und
ihre Partei fürchten müssen.
Sie setzten sich jedenfalls mit der Erpressung durch: Die SteuerzahlerInnen
zahlen für nun dieses und das kommende Jahr 70 Millionen Euro, damit es
sich für die Fernwärmewerke rechnet, länger Torf zu verbrennen und die
finnische CO2-Bilanz zu verschlechtern. Zudem gibt es bis 2029 umfassende
Steuererleichterungen, die dem gleichen Zweck dienen sollen.
„Die Förderung der Torfverbrennung lässt sich weder mit der erforderlichen
Umstellung des Energiesystems vereinbaren, noch ist sie eine sinnvolle
Verwendung von Staatsmitteln“, konstatiert die grüne Umweltministerin
Krista Mikkonen. Trotzdem segnete ihre Partei den Deal ab, so Mikkonen, „um
die Regierung zusammenzuhalten, damit die ihre Arbeit zur Eindämmung der
Klimakrise fortsetzen kann“. Über diese Linie schütteln auch große Teile
der grünen Parteibasis nur noch den Kopf.
Im Juni wird das Zentrum vermutlich den nächsten Erpressungsversuch
starten. Da behandelt das Parlament den Zeitplan für die Umstellung auf
fossilfreien Straßenverkehr. Die geht der rechtsliberalen Partei und ihrer
ländlichen Klientel nämlich auch zu schnell. Und im Herbst steht dann die
Entscheidung über die mittelfristige Energiestrategie an – mit ähnlichen
Fronten.
6 May 2021
## LINKS
[1] /Wirtschaftshilfen-in-der-Coronakrise/!5757505
[2] /ARD-Doku-Yes-She-Can/!5758368
[3] /Finnland-will-2035-klimaneutral-sein/!5658034
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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Schwerpunkt Klimawandel
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