# taz.de -- Vorwürfe gegen Bundeswahlleiter: „Ein Klima der Angst“ | |
> MitarbeiterInnen erheben Mobbingvorwürfe gegen Bundeswahlleiter Thiel. | |
> Beschäftigte würden niedergemacht. | |
Bild: Wird mit scharfen Vorwürfen konfrontiert: Bundeswahlleiter Georg Thiel | |
FRANKFURT/MAIN taz | „Ich kenne KollegInnen, die gehen täglich mit Angst | |
ins Amt. Das Vertrauen in die Amtsleitung ist zerrüttet“, sagt ein | |
Referatsleiter des Statistischen Bundesamts ([1][Destatis]) im Gespräch mit | |
der taz. Von einem „Klima der Angst, der Überforderung und | |
Vetternwirtschaft“ in dem Amt berichtete zuvor schon der Wiesbadener | |
Kurier. Und die Vorwürfe richten sich nach ganz oben: an Destatis-Präsident | |
[2][Georg Thiel], der auch Bundeswahlleiter ist. | |
Der Zeitpunkt der öffentlichen Debatte über Thiels Führungsstil ist | |
brisant, denn als Bundeswahlleiter ist er gerade besonders gefordert. Er | |
und seine MitarbeiterInnen müssen für die ordnungsgemäße Abwicklung der | |
[3][Bundestagswahl am 26. September] sorgen, für die sichere Auszählung und | |
Übermittlung der Wahlergebnisse, für die Abwehr von möglichen | |
Cyber-Angriffen und für die korrekte Berechnung der Sitzverteilung, | |
einschließlich Überhang- und Ausgleichsmandaten. Am Dienstag will Thiel zu | |
diesen Fragen vor die Presse treten. In seiner Behörde aber brodelt es. | |
Es sind offenbar nicht nur Einzelne, die über Thiels Führungsstil klagen. | |
Der schon erwähnte Destatis-Referatsleiter berichtete der taz, wie eine | |
seiner Vorgesetzten nach einer Besprechung mit dem Chef in Tränen | |
ausgebrochen sei. Die Arbeitsbelastung und der Druck der Amtsleitung seien | |
so hoch, dass einzelne Mitarbeiter freiwillig um ihre Rückstufung gebeten | |
hätten, sagt er. | |
## „Wer nicht spurt, den erklärt der Chef für unfähig“ | |
Ein anderer Mitarbeiter sagt der taz, er sei froh, dass er nicht „im | |
Dunstkreis“ des Präsidenten arbeiten müsse. Thiel habe in den vier Jahren | |
an der Spitze bei der Digitalisierung und Beschleunigung der Arbeit des | |
Amtes zwar einiges erreicht, aber „das geht nicht ohne Menschlichkeit“. Er | |
selbst habe erlebt, wie Thiel über einen abwesenden Kollegen abgelästert | |
habe. „Wer nicht so spurt wie erwartet, den erklärt der Chef für unfähig, | |
der muss weg“, so der Referatsleiter zur taz. | |
Ein Kritiker postet dazu im anonymen Arbeitgeberbewertungsportal | |
cununu.com: „Das IT-Personal ist unzufrieden, frustriert, demotiviert, | |
verärgert, sorgenvoll bis hin zu verzweifelt. An Tadel und Schuldzuweisung | |
wird nicht gespart, Wertschätzung und Fairness sind nicht existent.“ | |
Auch beim Wiesbadener Kurier, der am Stammsitz des Amtes erscheint, sollen | |
sich zahlreiche Bedienstete mit Klagen gemeldet haben. „Georg Thiel ist | |
in dieser Funktion nicht länger tragbar“, kommentiert das Blatt das | |
Ergebnis seiner Recherchen. | |
## Thiel reagierte mit Charmeoffensive | |
Thiel hat die Brisanz der Vorwürfe offenbar erkannt. Noch bevor der erste | |
Zeitungsartikel erschien, startete der Präsident intern eine | |
Charmeoffensive. „Aus Anfragen der Medien wissen wir, dass es unter den | |
Mitarbeitenden Unsicherheit hinsichtlich Führungsstil und Vertrauenskultur | |
gibt“, schrieb der Präsident am 26. Februar an seine 2.600 MitarbeiterInnen | |
und räumte ein, dass es angesichts des hohen Veränderungsdrucks zu hohen | |
Belastungen gekommen sei. „Die Amtsleitung bedauert, dass sich die | |
Kolleginnen und Kollegen auf diesem Weg nicht ausreichend mitgenommen | |
fühlen.“ | |
Nach dem ersten kritischen Bericht im Wiesbadener Kurier gab es für die | |
Destatis-Führungskräfte zusätzlich „Sprachregelungen“. In der Mail, die … | |
taz vorliegt, heißt es: „Die Amtsleitung nimmt die Vorwürfe sehr ernst und | |
setzt nun alles daran, Lösungen zu finden.“ Gleichzeitig wird | |
beschwichtigt, es sei „nur kleiner Teil der Mitarbeiter:innen, die ihre | |
Unzufriedenheit über die Öffentlichkeit ausleben“. | |
Für einen detaillierten Fragekatalog der taz brauchte die | |
Destatis-Pressestelle drei Tage, um darauf zu reagieren. Die Antwort fiel | |
gleichwohl allgemein aus. „Grundsätzlich handelt es sich hier um interne | |
Angelegenheiten, zu denen wir uns nicht im Detail äußern“, heißt es da. Das | |
Statistische Bundesamt befinde sich unter anderem durch die fortschreitende | |
Digitalisierung in einem erheblichen Transformationsprozess. Ein solcher | |
Veränderungsprozess sei zuweilen auch belastend für MitarbeiterInnen aller | |
Hierarchieebenen. Der Pressesprecher versichert: „Herr Dr. Thiel hat | |
deutlich gemacht, dass er sich der besonderen Verantwortung hier sehr | |
bewusst ist. Deshalb besteht das Angebot und die ausdrückliche Einladung, | |
Dialogformate zum offenen Austausch wahrzunehmen und das direkte Gespräch | |
zu suchen.“ | |
## Schon auf früheren Posten gab es Unruhe | |
Bereits auf früheren Dienstposten hatte Thiel jedoch Unmut von | |
MitarbeiterInnen über seinen Führungsstil auf sich gezogen. So wurde Thiel | |
2006 „auf eigenen Wunsch“ vom Amt des Präsidenten des Technischen Hilfswerk | |
ins Bundesinnenministerium zurückversetzt, nachdem das Magazin Focus über | |
Mobbing im THW berichtet hatte. Der damalige Bundesinnenminister Wolfgang | |
Schäuble (CDU) nannte die Vorwürfe zwar „haltlos“, löste Thiel aber ab, … | |
weiteren Schaden von der Organisation abzuwenden“. | |
Diesmal wäre Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gefragt. Seine | |
Pressestelle beantwortet die Fragen der taz lapidar. Das Ministerium nehme | |
zu „innerbehördlichen Vorgängen grundsätzlich“ nicht öffentlich Stellun… | |
Und: „Das BMI steht im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht mit dem | |
Statistischen Bundesamt in einem engen Austausch. Hierbei werden alle | |
relevanten Themen in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit allen Beteiligten | |
erörtert und aufgeklärt.“ | |
25 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Deutlicher-Anstieg-von-Armut-seit-2005/!5717905 | |
[2] https://www.destatis.de/DE/Ueber-uns/Geschichte/praesident-thiel.html | |
[3] /Schwerpunkt-Bundestagswahl-2021/!t5007549 | |
## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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