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# taz.de -- Improvisation im Baumarkt: Recycling mit MacGyver und Adenauer
> Wenn man zum Testen zu faul ist, muss der Erfindergeist ran: Klebeband
> für die defekte Brause statt einer neuen aus dem Baumarkt.
Bild: Gießkannen sind vielseitig verwendbar – Raed Saleh und Franziska Giffey
Wenn Sie denken, MacGyver und Konrad Adenauer hätten keine Gemeinsamkeiten,
folgen Sie mir bitte in den Baumarkt. Der Gang zum Baumarkt ist für mich
ein recht natürlicher Gang, wenn ich bei meinen Eltern in der hessischen
Provinz zu Besuch bin.
Denn mein Papa hat nicht nur donnerstags morgens sein Kaffeekränzchen in
der Bäckerei am Marktplatz, sondern auch freitags morgens sein
Kaffeekränzchen in der Bäckerei im Baumarkt.
Nachdem wir uns mit Milchbrötchen vollgestopft haben, schlendern wir und
seine Kaffeebrüder durch die Gänge und schauen uns um, was es Neues gibt:
Vintagelampen, dimmbare Leuchtstoffe und Alleskleber, Kunststoffrasen und
Glyphosat-Ersatz, all die Dinge, von denen ich seit dreißig Jahren denke,
die brauche ich auch mal, wenn ich groß bin.
Dieses Schlendern durch die hohen Regale, garniert mit väterlichen
Innovationsideen und Ratschlägen, sind nun schöne Erinnerungen. Bevor ich
sie wiederaufleben lassen kann, muss ich mir selbst zu helfen wissen: Mein
Duschkopf ist kaputt. Komplettverkalkung mit porösem Schlauch. Tja.
## Kaufrausch fällt aus
Mein Kumpel Tanja hat sich ja letzte Woche im Coronatestzentrum testen
lassen, um danach auf große Einkaufstour zu gehen. Bereits um 10 Uhr war
sie zertifiziert negativ und radelte schnurstracks in das nächste
Einkaufszentrum zum Binge-Buying. Aber da war alles zu. Alles. Man konnte
rein in die heiligen Hallen aber es hallte leer, die Türen zu den
Geschäften waren verschlossen.
Die Anstellung von Verkäufer lohne sich nicht bei dem versiegendem
Konsumentenstrom. Nur ein Geschäft für Elektrozigaretten wollte sie
willkommen heißen. Auf die süchtigen Nervösen ist in diesen Zeiten Verlass.
Auch ich überlege nun nach einer Testung, eine Grand Tour zu machen, und
was läge näher, als mich mit dem Nötigsten für den nächsten Monat im
Baumarkt einzudecken? Da gibt es eigentlich alles, was man zum Überleben
braucht. Wäre da nicht mein unbremsbarer Erfinderinnengeist einerseits, der
mich in andere Sphären lockt und, na ja, meine Faulheit andererseits, mir
extra einen Testtermin zu holen.
Außerdem: Habe ich schon mal erwähnt, dass mein größtes Vorbild als Kind
MacGyver war? Kreppband habe ich immer daheim, denn Kreppband ist MacGyvers
produktivster Freund. Habe ich immer auf Vorrat in meiner
Heimwerkerinnenschublade.
Als mich nun mein Nachbar bat, seine Blumen in seiner Abwesenheit zu
gießen, stand da der zweite Teil zu meinem Glück: eine Gießkanne mitten im
Wohnzimmer vor den Pflanzen, die mit Inbrunst auf mich warteten, auf dass
ich meinen Bewässerungspflichten nachkomme. Nach getaner Tat schraubte ich
den Brausekopf ab und nahm ihn mit nach drüben.
## Adenauer und der Gießkannenbewässerungsaufsatz
Apropos nach drüben: Ihnen ist sicherlich bekannt, dass kein Geringerer als
Konrad Adenauer der Erfinder des vielsprenkligen
Gießkannenbewässerungsaufsatzes ist, den er auch in einer Art Hausarrest
erfunden hat, damals verursacht durch Krankheitserreger namens
Nationalsozialisten. Als er dieses Land noch nicht mitgestalten durfte,
kanalisierte er seinen Tatendrang eben in die Gartenarbeit, aber wem
erzähle ich das …
Und was soll ich Ihnen sagen, nachdem ich den porösen Teil des
Duschschlauchs abgeschnitten hatte, stellte ich fest, dass der Durchmesser
des Schlauchs und der des Brauseaufsatzes nur wenige Millimeter betrug, die
ich leicht mit drei Lagen Klebeband verschließen könnte. Voilà!
Wenn Sie sich umschauen, werden Sie derzeit außerordentlich viel Klebeband
bemerken: an Brillenbügeln, Brotboxen, sogar an Fahrrädern. Die
Fernsehunterhaltung der 80er Jahre hat doch Wege gefunden, uns auf obskure
Art zu bilden, und ich bin nicht allein mit meinem Bastlerinnengeist:
Brause ist Brause, sag ich Ihnen.
28 Apr 2021
## AUTOREN
Sarah Diehl
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